Startseite » Pharma » Messtechnik (Pharma) »

Darauf sollten Sie achten

Messtechnik in Upstream und Downstream Processing
Darauf sollten Sie achten

In biotechnischen Produktionsanlagen laufen die Prozesse heute praktisch ohne menschlichen Eingriff und vollautomatisiert ab. Nur dadurch können qualitativ hochwertige Produkte hergestellt und reproduzierbare Prozesse mit lebenden Expressionssystemen bestmöglich erreicht werden. Worauf man bei der messtechnischen Ausrüstung solcher Anlagen achten sollte, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Autor Philipp Garbers Branchenmanager Life Sciences, Endress+Hauser

Schon in der Prozessentwicklung und auf dem Weg entlang der klinischen Phasen sind Verfahrensentwickler auf verlässliche Messtechniken für die verschiedensten Parameter angewiesen. Im Rahmen von Quality-by- Design-Konzepten werden schon früh bestimmte Parameter erhoben, um das Prozessverständnis zu erhöhen. Beispiele in Fermentation und Zellkultur sind die Gesamtzellzahl, die Lebendzellzahl, die Zielproteinkonzentration, bestimmte Substrate und Metabolite.
In den biotechnischen Kernprozessen, also in der Fermentation bzw. Zellkultur sowie im Downstream Processing, werden die Messgrößen Temperatur, Druck, Durchfluss, Füllstand und Grenzstand durchgängig erhoben (Tabelle 1). Dabei machen Temperatur und Druck (inkl. Manometer) zusammen 50 bis 70 % der gesamten verbauten Messstellen aus. Eine besondere Bedeutung kommt auch den analytischen Online-Messungen zu pH, pO2, pCO2, Leitfähigkeit und den verschiedenen Trübungsverfahren mit sichtbarem, UV- oder NIR-Licht zu. Die Parameter TOC und Ozon spielen in der Biotechnologie nur in der Wassererzeugung und im Verteilsystem eine Rolle. Die Schaumdetektion wird ausschließlich in Fermentation und Zellkultur eingesetzt und heute in der Regel konduktiv gelöst, da die Schaumdichten zur Detektion mit Schwinggabelsensoren häufig nicht ausreichen und schwer reproduzierbar sind.
Die Zahl der gemessenen Parameter in der Prozessentwicklung ist noch immer höher als im späteren Produktionsmaßstab. In naher Zukunft könnte aber vermehrt mit einem Transfer neuer Messparameter aus der Prozessentwicklung in die Produktion gerechnet werden, sofern diese Parameter qualitätsrelevant sind.
Obwohl mehr Messungen auch mehr Prozessinformationen liefern, sind Anlagenbetreiber natürlich bestrebt, die Betriebskosten und damit auch den Instandhaltungs- und Kalibrieraufwand für die installierte Basis zu minimieren. Die Investitionskosten spielen eine Rolle. Ihre Bedeutung schwindet aber zunehmend zugunsten einer umfänglichen Betriebskostenbetrachtung für die Instrumentierung, da diese Kosten über viele Jahre anfallen und kumuliert die Höhe der Erstinvestition deutlich übersteigen. Im Rahmen von erhöhten Effizienzvorgaben für die Betriebe liegt der Fokus vieler pharmazeutischer Unternehmen heute vor allem auf langfristiger Wirtschaftlichkeit.
Kritikalität von Messstellen
Der Kritikalitätsbewertung kommt eine große Bedeutung zu. Diese Bewertung entscheidet über die Auswirkungen eines Versagens einer Messstelle auf das Produkt, den Prozess und die Sicherheit von Umwelt und Personal. Je nach Einstufung werden Art, Umfang und Intervall der Kalibrierung festgelegt. Liefert eine Messstelle hingegen nur Informationen über den Betrieb der Anlage wird sie in der Regel als nicht kritisch eingestuft.
Heute haben sich mehrere Modelle zur Bewertung der Kritikalität durchgesetzt (Tabelle 2). Diese ordnen die gesamte installierte Basis an Messstellen Kategorien zu. Geräte der höchsten Kategorie sind kritisch, d. h. sie werden nur nach Vorliegen des Werkskalibrierzertifikates vom Hersteller eingebaut, dann innerhalb eines definierten Zeitraums vor Ort erstkali-briert und in regelmäßigen Intervallen rekalibriert. Innerhalb der kritischen Geräte kann noch zwischen Einfluss auf Qualität, Prozess und Sicherheit/Umwelt differenziert werden. Dies schlägt sich dann vor allem in einer Anpassung des Kalibrierintervalls nieder. Qualitätskritische Messstellen werden heute mit Kalibrierzyklen von drei bis zwölf Monaten bewertet. Bei den als unkritisch eingestuften Messstellen geht die Praxis je nach Modell stark auseinander. Mal wird erst- und rekalibriert, mal nicht, mal wird aktiv die Funktion kontrolliert, mal reaktiv.
Beispiele für kritische Messstellen
Kritische Messstellen gibt es im Fermenter einige. So hat beispielsweise ein Versagen der Druckmessung einen Einfluss auf die Begasung und Sauerstoffregelung im Medium und ist damit direkt relevant für Kultur und Produkt. Zudem kommt in einem druckbeaufschlagten Behälter ein Sicherheitsaspekt für das Personal hinzu. Durch einen Ausfall der Schaumdetektion könnte der Abluftfilter verblocken und dadurch die Sauerstoffregelung in aeroben Kulturen unmöglich werden. Eine fehlerhafte pH-Messung sorgt beispielsweise dafür, dass der optimale Kulturbereich der Zellen verlassen und zudem die Stabilität des Zielproteins gefährdet wird.
Die Versorgung aerober Zellen mit Sauerstoff ist essenziell für ihren Stoffwechsel. Wird ein kritischer Sauerstoffwert zu lange unterschritten, beeinflusst dies den Zellstoffwechsel und die Zellen sterben ab. Die Sauerstoffmessung ist prozesskritisch. Ein anderes Problem stellt die Kohlendioxidversorgung dar. Kohlendioxid wird unter anderem zur pH-Regelung in Zellkulturen eingesetzt. Außerdem wird mit Stickstoff das CO2 im Fermenter ausgetrieben. Bei Versagen der pCO2-Messung sind der Prozess und damit Zellen und Produkt gefährdet.
Die Zellen haben ein temperaturabhängiges Wachstumsoptimum, die Stabilität des Zielproteins ist temperaturabhängig, die Löslichkeit essenzieller Medienbestandteile hängt von der Temperatur ab, die Sterilisationsbedingungen müssen überwacht werden. Bei Versagen der Temperaturmessung sind Produkt, Prozess und Sicherheit gefährdet.
Anforderungen an die Messgeräte
Aus dieser kritischen Betrachtung der Messstellen in Bioprozessen ergeben sich unterschiedliche Anforderungen an Messgeräte. Sinnvollerweise kann man diese in die Bereiche Prozess, Design, Material & Dokumentation und Kalibrierung unterteilen.
Prozess – In der Biotechnologie wird mit wässrigen Medien gearbeitet. Im Upstream Processing werden lebende Zellen gezüchtet und im Downstream-Bereich versucht man das Zielprotein in seiner biologisch aktiven Form zu gewinnen. Messungen müssen genau, aber vor allem reproduzierbar sein, d. h. eine hohe Wiederholbarkeit aufweisen. Dies ist vor allem unter dem Aspekt der Prozessvalidierung wichtig. Durch lange Prozesszeiten in der Zellkultur ist eine hohe Nullpunktstabilität besonders für analytische Parameter erforderlich. Temperaturschocks bei Sterilisation oder Sanitisierung müssen kompensiert werden. Medienberührende Komponenten müssen stabil gegen saure und basische CIP-Medien sein.
Design – Das hygienische Design soll besonders durch intelligente Prozessanschlüsse Tot-raumfreiheit gewährleisten und damit Kontaminationen verhindern.
Material & Dokumentation – Abgesehen von CIP-Medien werden in der Biotechnologie praktisch keine chemisch aggressiven Stoffe verwendet. Die Qualität der medienberührenden Oberflächen setzt primär auf Reinigbarkeit und Vermeidung von Kontaminationen. Medienberührender Edelstahl ist zumeist 316L (nach europäischer Nomenklatur zunehmend 1.4435, ansonsten auch 1.4404) mit definierter Oberflächenrauheit, Elektropolitur und minimiertem Deltaferrit-Gehalt. Obwohl bis heute Rouging in Wasseranlagen auch mit deltaferritarmen Edelstählen auftritt, ist diese Spezifikation nun über die Jahre in den User Requirements Specifications (URS) vieler Anlagenbetreiber angekommen. Die Schmelzzusammensetzung und Oberflächengüte wird heute über 3.1-Materialzeugnisse nachgewiesen.
In den letzten Jahren werden auch die Spezifikationen nach ASME BPE, also einem eigenen Standard für Bioprocessing Equipment, zunehmend von Kunden gefordert (Bild 2). Diese Spezifikationen gehen detailliert auf Materialien, Oberflächengüte, Schweißverfahren und weitere Aspekte ein.
Für medienberührende Kunststoffe gilt nach wie vor die FDA-Whitelist sowie vermehrt die Forderung nach USP-Chapter-<87>- und -<88>-Konformität. Beim Bioreaktivitätstest nach Chapter <88> Class VI auch mit Extraktionstemperaturen von +121 °C. Nach den BSE-Skandalen der 1990er-Jahre gewinnt zudem die Bescheinigung der TSE-Freiheit eine zunehmende Bedeutung. Dies hat viele Lieferanten von Automatisierungstechnik vor einen hohen Evaluierungsaufwand in ihrer Produktion gestellt. Heute können nur wenige Hersteller nachvollziehbar und durchgängig TSE-Freiheit in ihrer Fertigung bescheinigen.
Kalibrierung – Neben der standardmäßigen Kalibrierung ab Werk bei Lieferung müssen sich Gerätehersteller über intelligente Kalibrierkonzepte Gedanken machen. Vor allem vor Ort durchführbare Inline-Konzepte werden von den Anlagenbetreibern gewünscht, d. h. eine Kalibrierung im Prozess, ohne Ausbau und damit ohne erneuten Reinigungsaufwand wie z. B. heute schon realisierbar bei Durchfluss-, Leitfähigkeits- und Trübungsmessungen.
Je nach Parameter ist aber Vorsicht angebracht. Es gibt viele Hersteller von Messkomponenten, die die Begriffe Kalibrierung und Verifizierung nicht ausreichend voneinander abgrenzen. Eine Kalibrierung ist der Vergleich des wahren Wertes (eines rückführbaren Referenzgerätes) mit dem Messwert des Prüflings. Eine Verifizierung, d. h. ein einfacher Messwertabgleich mit einem kalibrierten Referenzgerät, der nicht unter definierten Bedingungen stattfindet, kann dies nicht leisten (siehe Kastentext). Gerade im Bereich der Temperaturkalibrierung (Bild 3) wird hier viel verwechselt und die Prüfungen praktisch synonym angewandt. Die GMP-Regelwerke fordern jedoch explizit eine Kalibrierung. Hier ist verstärkt auch das Kalibrier-Know-how der Inspektoren gefragt, um verwendete Methoden und Ergebnisse zu bewerten. Ein Anlagenbetreiber geht dann auf Nummer sicher, wenn er seine Geräte gemäß ISO 17025 von qualifiziertem Personal bzw. von akkreditierten Dienstleistern kalibrieren lässt.
Halle 1, Stand B3.2
prozesstechnik-online.de/phpp114401
Unsere Webinar-Empfehlung
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

cav-Produktreport

Für Sie zusammengestellt

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper

Top-Thema: Instandhaltung 4.0

Lösungen für Chemie, Pharma und Food

Pharma-Lexikon

Online Lexikon für Pharma-Technologie

phpro-Expertenmeinung

Pharma-Experten geben Auskunft

Prozesstechnik-Kalender

Alle Termine auf einen Blick


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de