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Sauerstoff erhöht die Entschwefelungskapazität von Claus-Anlagen

Raffinerien müssen nachrüsten
Sauerstoff erhöht die Entschwefelungskapazität von Claus-Anlagen

Sauerstoff erhöht die Entschwefelungskapazität von Claus-Anlagen
Abb. 4 Einfluß der Sauerstoff-Konzentration auf die Kapazitätssteigerung einer Claus-Anlage
Flüssige Brennstoffe werden in Raffinerien in sogenannten Hydrotreatern entschwefelt. Der Claus-Prozeß setzt den dabei entstehenden Schwefelwasserstoff zu elementarem Schwefel um. Ersetzt man bei diesem Prozeß die benötigte Verbrennungsluft ganz oder teilweise durch Sauerstoff, so läßt sich die Leistung wesentlich steigern.

Abb. 1 An 10 Standorten wird in Deutschland noch Rohöl raffiniert. Ein Drittel des Bedarfs an Mineralölprodukten (130 Millionen Tonnen) wird gebrauchsfertig importiert.

Abb. 2 Schema einer zweistufigen Claus-Anlage
Abb. 3 Sauerstoff-Nachverbrennung in der Claus-Brennkammer
Abb. 4 Einfluß der Sauerstoff-Konzentration auf die Kapazitätssteigerung einer Claus-Anlage
Flüssige Brennstoffe werden in Raffinerien in sogenannten Hydrotreatern entschwefelt. Der Claus-Prozeß setzt den dabei entstehenden Schwefelwasserstoff zu elementarem Schwefel um. Ersetzt man bei diesem Prozeß die benötigte Verbrennungsluft ganz oder teilweise durch Sauerstoff, so läßt sich die Leistung wesentlich steigern.
Die bislang bekannten Verfahren der Sauerstoffanreicherung und der Reinsauerstoffverfahren sind zum Teil in ihrer Kapazitätssteigerung begrenzt, zum Teil durch die notwendigen Um- oder Neubauten relativ teuer.
Ein Gase-Anbieter hat daher gemeinsam mit der Raffineriegesellschaft Vohburg, Ingolstadt, ein mit Sauerstoff betriebenes Nachverbrennungsverfahren entwickelt und zum Patent angemeldet. Das Verfahren ermöglicht hohe Durchsatzleistung bei geringen Investitionskosten.
Grundlagen
Der Schwefelwasserstoff, der in Raffinerien im Gemisch z.B. mit Wasserstoff und höheren Kohlenwasserstoffen aus Schwefel entsteht, fällt z. B. in Aminwäschern als „Claus-Gas“ mit Konzentrationen von bis zu 90 Vol.% H2S an. Eine andere Schwefelwasserstoff-Quelle sind die Stripperkolonnen für Sauerwasser, in denen ein wäßriges Kondensat mit einer Konzentration von bis zu 50 Vol.% Schwefelwasserstoff anfällt.
Schwefelwasserstoff entsteht außerdem beim Vergasen von Kohle oder Schweröl in sogenannten Gas- und Dampf-Kraftwerken (GuD). Im Erdgas können ebenfalls bis zu 30 Vol.% H2S enthalten sein. Da es kaum eine industrielle Verwertung für Schwefelwasserstoff gibt, wird er zu elementarem Schwefel umgewandelt und anschließend in speziellen Anlagen zu Schwefelsäure weiterverarbeitet.
Ein wichtiges großtechnisches Verfahren zur Umwandlung von Schwefelwasserstoff zu elementarem Schwefel und Wasser ist das bereits 1883 für Carl Friedrich Claus in England patentierte Claus-Verfahren, das durch die Gesamtreaktionsgleichung
H2S + 1/2 O2 + 1,9 N2 – > S + H2O + 1,9 N2 (1)
beschrieben wird. Der Stickstoff der Verbrennungsluft tritt hierbei offensichtlich nur als „Ballast“ in Erscheinung.
Die IG Farbenindustrie hat um 1930 das ursprünglich nur aus einem katalytischen Reaktor bestehende Verfahren durch einen thermischen Reaktor mit Abhitzekessel erweitert und damit die Durchsatzleistung und den Umsetzungsgrad von Schwefelwasserstoff zu Schwefel wesentlich gesteigert. Dieses Verfahren, auch als modifizierter IG-Claus-Prozeß bekannt, wird heute weltweit in über 2000 Anlagen mit unterschiedlichen Verfahrensvarianten betrieben.
Sauerstoffeinsatz in Claus-Anlagen
In Raffinerien ist die Entschwefelungskapazität der Claus-Anlage häufig der Engpaß. Zu solchen Engpässen kann es z.B. kommen, wenn die Raffinationskapazität erweitert wird, wenn schwefelreiche, aber kostengünstige Rohölqualitäten verarbeitet werden sollen oder wenn der Gesetzgeber, wie jetzt geschehen, die Schwefel-Grenzwerte für Dieselkraftstoff auf 0,05 bzw. 0,2 Gew.% senkt. Nehmen die zu verarbeitenden Prozeßgasmengen zu, steigt der Druckverlust der Anlage. Bedingt durch die reduzierten Verweilzeiten finden zum Teil außerhalb der Brennkammer, d.h. im Abhitzekessel und im Reaktor, unerwünschte Verbrennungsreaktionen statt.
Wie aus Reaktionsgleichung (1) hervorgeht, besteht das Prozeßgas bei Verwendung von Luft als Oxidationsmedium zu fast 60% aus Stickstoff, der als inerter Ballast maßgeblich zum Anlagendruckverlust beiträgt. Bei gegebener Entschwefelungskapazität müssen die gasführenden Anlagenteile entsprechend größer ausgelegt werden.
Der für die Erhöhung der Entschwefelungskapazität notwendige Um- oder Neubau der Claus-Anlage läßt sich vermeiden, wenn zusätzlich Sauerstoff als Oxidationsmedium zum Einsatz kommt. Bei einer produktionsbedingten Erhöhung des Schwefelwasserstoffdurchsatzes wird dann die Verbrennungsluft teilweise oder vollständig durch Sauerstoff ersetzt. Das sogenannte „debottlenecking“ von Claus-Anlagen mit Sauerstoff ist heute Stand der Technik.
Mit reinem Sauerstoff als Oxidationsmedium läßt sich theoretisch mit einer vorhandenen Claus-Anlage im Vergleich zu Luft bei gleichen Prozeßgasvolumina die dreifache Schwefelmenge umsetzen. Aufgrund der dabei auftretenden zu hohen Verbrennungstemperaturen ist diese Leistungssteigerung jedoch nicht ohne größere Modifikationen der Anlage möglich. In der Praxis gibt es dafür bisher zwei verschiedene Möglichkeiten: Zum einen kann man die Verbrennungsluft in begrenztem Umfang mit Sauerstoff anreichern, zum anderen wurden aber auch Reinsauerstoffverfahren entwickelt.
Sauerstoffanreicherung
Die Sauerstoffanreicherung der Verbrennungsluft ist das am einfachsten zu realisierende Sauerstoffverfahren. Der mögliche Mehrdurchsatz an Schwefelwasserstoff ist dabei in erster Näherung proportional zur Zusatzsauerstoffmenge. Beim Betrieb mit Sauerstoff erhöht sich jedoch die Brennertemperatur. Die maximal mögliche Sauerstoffmenge wird daher durch die zulässigen Betriebstemperaturen des Brenners, des Abhitzekessels und des ersten Kondensators begrenzt. Erfahrungswerte zeigen, daß die Sauerstoffanreicherung, je nach den konstruktiven Gegebenheiten, ohne zusätzliche Änderungen an Brenner, Abhitzekessel und Kondensator bis zu einer Konzentration von maximal 28 Vol.% sicher möglich ist. Damit läßt sich der Schwefeldurchsatz für ein Reichgas um bis zu 25% steigern.
Reinsauerstoff-Verfahren
Weitere Leistungssteigerungen durch Einsatz von bis zu 100 Vol.% Sauerstoff sind in Verbindung mit einem Anlagenumbau möglich. Die Um- oder Neubaumaßnahmen betreffen unter anderem den Brenner, die Brennkammer, den Abhitzekessel und das Kreislaufgebläse. Sie kosten bis zu 30% der Investition einer Claus-Anlage.
Verfahren, die sich mit bis zu 100 Vol.% Sauerstoffkonzentration in der Claus-Anlage betreiben lassen, sind beispielsweise der COPE-Prozeß, das SURE-Verfahren und der LURGI-Claus-Sauerstoff-Brenner. Der LURGI-Claus-Sauerstoff-Brenner kann mit Luft, Sauerstoffanreicherung und mit reinem Sauerstoff betrieben werden.
Sauerstoff-Nachverbrennungsprozeß
Für Claus-Anlagenbetreiber ist jedoch oft die mit der Sauerstoffanreicherung erreichbare Leistungssteigerung von maximal 25% zu gering, die mit der 100 Vol.%-Sauerstoff-Fahrweise mögliche Leistungssteigerung aber nicht wirtschaftlich zu realisieren, da die hohe Durchsatzleistung nicht permanent genutzt wird. Ein Krefelder Industriegaseanbieter hat deshalb zusammen mit der Raffineriegesellschaft Vohburg, Ingolstadt, ein neues, zum Patent angemeldetes Verfahren entwickelt und erprobt, mit dem sich eine Kapazitätssteigerung realisieren läßt, die die Lücke zwischen der Sauerstoffanreicherung und der 100 Vol.%-Sauerstoff-Fahrweise schließt. Die Kosten für die Umrüstung betragen weniger als 1% der Investitionskosten einer Neuanlage.
Bei diesem Verfahren wird in die vorhandene Brennkammer eine zusätzliche Nachverbrennungszone integriert, die durch hoch turbulente selbstansaugende Sauerstoff-Freistrahlen erzeugt wird. Der Zusatzsauerstoff wird, wie in Abbildung 3 dargestellt, durch separate Sauerstoffdüsen injiziert. Damit wird das aus dem Combustor oder dem Brenner austretende, mit Luft teilreagierte bzw. vorgemischte Prozeßgas vollständig nachverbrannt. Die in der Brennkammer stattfindenden Reaktionen laufen nahe am thermodynamischen Gleichgewicht ab.
Mit diesem Verfahren läßt sich die Schwefelkapazität um ca. 55% – entsprechend einer Sauerstoffanreicherung von 45 Vol.% im Äquivalent – steigern (Abb. 4). Die für die Betriebssicherheit der Claus-Anlage relevanten Temperaturen, d.h. die Brennertemperatur, die Brennkammertemperatur, die Abhitzekesseltemperatur und die Reaktortemperatur, liegen unterhalb der maximal zulässigen Werte. In der Praxis bewirkt dieses Verfahren eine Verlängerung der Standzeit der ersten Reaktorstufe. Bei den im ersten Reaktor üblichen Temperaturen von bis zu 550 °C reagiert der sonst in dieser Stufe vorhandene Überschußsauerstoff mit dem SO2 katalytisch zu SO3, das mit den aus Aluminiumoxid bestehenden Katalysatorpellets Aluminiumsulfat bildet. Der Katalysator wird dadurch inaktiviert. Die höheren Verbrennungstemperaturen bewirken zusätzlich eine vollständige Spaltung und Verbrennung der höheren Kohlenwasserstoffe und des Ammoniaks, da die insbesondere für die Ammoniakspaltung und -verbrennung notwendige Mindesttemperatur von 1350 °C erreicht wird.
Mit der Sauerstoffnachverbrennung wurde außerdem ein um ca. 0,3% höherer Umsetzungsgrad im Vergleich zur konventionellen Luftfahrweise gemessen.
Halle 5, Stand 5F22
Weitere Informationen cav-248
Dr.-Ing. Gerhard Groß
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