Startseite » Chemie »

Dezentrale Supply Chain-Lösung

Alternatives Modell für die Produktionslogistik in der Chemieindustrie
Dezentrale Supply Chain-Lösung

Supply Chain Coordination bedeutet eine Stärkung der lokalen Planungskompetenz durch die bessere Vernetzung von Informationen. Der wichtigste Vorteil gegenüber klassischen Supply Chain Management-Lösungen ist die schnellere Realisierung und der geringere Aufwand für den Planer.

Dirk Schmalzried

Zur Lösung spezieller Problemstellungen in der chemischen Industrie sind klassische Supply Chain Management-Projekte ungeeignet. Die Notwendigkeit eines globalen Modells bei einem typischen SCM-Projekt verursacht einen sehr hohen Aufwand schon im ersten Schritt. Der resultierende Nutzen hingegen wird erst nach einer verhältnismäßig langen Implementierungsphase erschlossen. Außerdem ist zwischen mehreren Konzernen ein Austausch sensibler Daten zum Beispiel über Kunden nicht akzeptiert. Durch die daraus resultierenden unvollständigen Modelle entstehen Defizite bei der Erschließung von Nutzenspotenzialen. Die Logistigkette eines Chemiebetriebes funktioniert zudem mit einem viel höheren Grad an Verzweigungen und Rückmeldungen, als beispielsweise die lineare Produktionslogistik eines Automobilherstellers. Aus subjektiven Gründen ist in manchen Fällen auch ein zentralistischer, administrativer Ansatz praktisch nicht durchsetzbar. Daher kann in diesen Fällen eine Planung im Sinne eines Regelkreises als sinnvolle Alternative betrachtet werden. Supply Chain Coordination unterscheidet sich in wichtigen Merkmalen vom klassischen Supply Chain Management und belässt dem Planer mehr Verantwortung.
Philosophien zurProduktionslogistik
Es gibt verschiedene Philosophien zur Optimierung der logistischen Kette einer Produktion. Beim Vendor Managed Inventory kann ein Lieferant zu jedem Zeitpunkt in das Lager des Kunden schauen und automatisch für eine Nachlieferung sorgen, sobald ein bestimmter Mindestbestand unterschritten wird. Der Lieferant hat jedoch keine Kenntnis von der zu erwartenden zukünftigen Verkaufssituation des Kunden und kann daher nicht flexibel auf Schwankungen des Bedarfsprofils reagieren.
Beim Supply Chain Management wird die Planung aller beteiligten Unternehmen zentral gesteuert. Durch das Zusammenfassen aller lokalen Modelle der Produktion werden optimale Produktionspläne auch für große Unternehmensverbünde generiert. Auf einem relativ abstrakten Niveau ist mit SCM-Methoden eine sehr gute strategische Planung möglich, es bestehen aber Defizite im operativen Bereich. Für eine SCM-Lösung müssen alle beteiligten Prozesse genau abgebildet sein. Bis zur produktiven Nutzung ist daher ein erheblicher Modellierungsaufwand nötig. Alle Modelle müssen außerdem konsistent zu parallel eingesetzten lokalen PPS-Systemen gehalten werden. Deshalb ist eine intensive Schnittstellenpflege erforderlich.
Supply Chain Coordination
Supply Chain Coordination folgt der Philosophie der verteilten Koordination durch die Vernetzung etablierter lokaler Planungswelten und behebt die oben genannten Defizite. Mit SCC kann in allen beteiligten Unternehmen die Situation in der logistischen Kette auf den lokalen Planerarbeitsplätzen eingesehen werden. Ein Supply Chain Koordinator (Abb. 1) hat nicht die Aufgabe, die operativen Produktionsentscheidungen zu administrieren, sondern ordnet auf einer groben Ebene Planaufträge zu, verteilt knappe Ressourcen, entscheidet über die Annahme von Kundenaufträgen in Engpasssituationen und moderiert die Diskussion bei der Umsetzung der Produktion. In bezug auf konkrete Produktionsentscheidungen verhält er sich neutral. Auf Basis der voraussichtlichen Auswirkungen auf die anderen Unternehmen werden so schrittweise bestehende Produktionspläne optimiert und gleichzeitig die berechtigten Interessen der teilnehmenden Unternehmen gewahrt.
Insbesondere bei nichtlinearen Abhängigkeiten funktioniert die Planung im Sinne eines Regelkreises, bei dem die widerstreitenden Prioritäten gegeneinander abgeglichen werden, wesentlich besser als ein administrativer Ansatz. Eine SCC-Lösung kann schrittweise eingeführt und erweitert werden. Es ist kein globales Modell der Prozesse nötig, sondern mit jeder lokalen Planung entsteht auch ein Beitrag zur globalen Koordination. Bereits während der Einführungsphase werden Nutzenspotentiale erschlossen.
Praktisch können solche SCC-Lösungen durch die Vernetzung verschiedener SAP R/3-Systeme geschaffen werden. Hier ist das Ziel, das zentrale ERP-System zu stärken und alle Beteiligten zu animieren, alle Daten darin zu pflegen und zu nutzen. Sind verschiedene ERP-Systeme im Einsatz, empfiehlt sich die Verwendung einer Middleware.
Wirtschaftliche Vorteile
Durch die Optimierung der logistischen Kette können erhebliche Kosteneinsparungen durch die Senkung der Lagerbestände, eine bessere Ressourcenauslastung, durch die höhere Informationsgüte und eine bessere Liefertreue realisiert werden. Insbesondere dort, wo Optimierungswerkzeuge durch die Vielzahl von Restriktionen eine Reihe von Ausnahmeregeln generieren, ist eine Planung durch einen erfahrenen Planer mit einer starken Computerunterstützung besser als ein vollautomatisierter, administrativer Planungsprozess. Außerdem entsteht eine höhere Transparenz der Lieferfähigkeit, so dass Kundenanfragen unmittelbar und zuverlässig beantwortet werden können. Der Abstimmungsaufwand wird deutlich gesenkt. Durch eine Supply Chain Coordination-Lösung lassen sich in der chemischen Industrie praktisch etwa 3 bis 9% der spezifischen Produktionskosten reduzieren und die Kundenbindung durch schnelle, zuverlässige Lieferzusagen deutlich verbessern.
Anwendung in der Produktion
Aus den Projekten der OR Soft Jänicke GmbH, unter anderem bei der EMS Chemie und Clariant, wird nachfolgend ein neutrales Anwendungsbeispiel vorgestellt. Der Produzent eines chemischen Grundstoffes steht in Lieferantenbeziehung zu mehreren Kunden. Durch Zusammenführen der Bestandsliste dieser Kunden im Planungsbrowser des Produzenten kann dieser die voraussichtliche Bestandsentwicklung seiner Kunden einsehen (Abb. 2). Dazu braucht er nicht die Kunden seiner Kunden zu kennen, sondern kann auf Grundlage der prognostizierten und tatsächlichen Auftragsmengen entscheiden. Diese Informationen werden direkt im Planungsmodul des SAP R/3-Systems zusammengefasst und in einer Softwarelösung von OR Soft visualisiert und regelmäßig aktualisiert. Abbildung 3 zeigt eine solche voraussichtliche Bestandskurve in einer zusammengefassten Ansicht.
Mit den unterschiedlichen Kunden bestehen Verträge, die eine automatische Nachlieferung des Produktes verlangen, frühestens wenn der Bestand 60% unterschritten hat und spätestens wenn der Bestand 40% des Vorratsvermögens unterschritten hat. Dieser Bereich ist grün dargestellt. Auf Grundlage dieser Regel und der regelmäßig aktualisierten Bestandssituation der Kunden kann der Produzent nun einfach gleichartige Chargen des Produktes in der Produktion zusammenfassen, dafür einen optimalen Produktionszeitraum bestimmen (im Beispiel grau hinterlegt) und dabei die Verfügbarkeit von Produktions- und Lagerressourcen optimieren sowie bei der Lieferlogistik gleichartige Kunden zu einheitlichen Touren zusammenfassen. Die Kunden in der logistischen Kette wiederum reduzieren ihren Aufwand für das Bestellwesen durch die automatisierten Nachlieferungen, können ihre eigenen Bestände durch diese längere Vorwarnzeit für den Lieferanten senken, ohne ein Risiko einzugehen und partizipieren von den Kostenvorteilen des Produzenten. In dieser Win-Win Situation entsteht für beide Partner ein wichtiger Wettbewerbsvorteil, ohne zu tiefe Kenntnisse über den jeweiligen Produktionsprozess oder andere Kunden preisgeben zu müssen. Dabei ist diese Lösung in wenigen Wochen produktiv und kann schrittweise immer weiter ausgebaut werden.
E cav 236
Unsere Webinar-Empfehlung
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

cav-Produktreport

Für Sie zusammengestellt

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper

Top-Thema: Instandhaltung 4.0

Lösungen für Chemie, Pharma und Food

Pharma-Lexikon

Online Lexikon für Pharma-Technologie

phpro-Expertenmeinung

Pharma-Experten geben Auskunft

Prozesstechnik-Kalender

Alle Termine auf einen Blick


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de