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Redundanz auf allen Ebenen

Neues Prozessleitsystem bei Dynamit Nobel implementiert
Redundanz auf allen Ebenen

Im Zuge eines Neu- und Umbaus im Dynamit Nobel-Werk in Leverkusen sollte das Prozessleitsystem der bestehenden Anlage im gleichen Zeitraum ausgetauscht und zusammen mit der Automatisierung der Neuanlage in den unternehmensweiten Informationsfluss eingebettet werden. Die verfahrenstechnische Auslegung, Montage und Inbetriebnahme stellte an alle Beteiligten höchste Anforderungen.

Ulrich Kläsener

Dynamit Nobel befindet sich in seinem traditionellen Sprengmittelgeschäft immer mehr auf dem Rückzug und forciert dagegen die Aktivitäten bei technisch anspruchsvollen Produkten für sehr unterschiedliche Nischenmärkte, zum Beispiel Kundensynthesen für die Life-Science-Industrie. Unter dem Marketing-Dach Dynamic Synthesis wurden Aktivitäten und Fähigkeiten im Bereich der Kundensynthesen gebündelt. Zu diesem Bereich zählt federführend Dynamit Nobel Spezialchemie im Werk Leverkusen-Schlebusch. Als älteste noch Dynamit produzierende Fabrik weltweit stellte sie ihre Sprengstoffproduktion 1999 ein, und richtete ihren Fokus auf Spezialchemikalien. Heute liegt der Schwerpunkt auf Chemikalien mit hohem Gefahrenpotenzial. Im Werk Leverkusen-Schlebusch wurde nun eine neue Anlage zur Produktion einer viskosen Flüssigkeit, die unter anderem in der Kunststoffherstellung Verwendung findet, errichtet. Vor dem Neu- und Umbau sah sich Dynamit Nobel mit einem ganzen Katalog offener Fragen konfrontiert. Zum einen stellte sich dem Projektteam die Aufgabe, eine neue Anlage in einen bestehenden Produktionsbetrieb zu integrieren. Zum anderen sollte das Prozessleitsystem der bestehenden Anlage im gleichen Zeitraum ausgetauscht, der Automatisierungsgrad erhöht und zusammen mit der Automatisierung der Neuanlage in den unternehmensweiten Informationsfluss eingebettet werden.
Hoher Planungsaufwand
Die entscheidenden Kriterien für das Prozessleitsystem waren neben der Hochverfügbarkeit beziehungsweise umfassenden Prozesssicherheit, Offenheit und Durchgängigkeit. Dynamit Nobel entschied sich deshalb, die neue Anlage mit Simatic PCS 7 und Profibus-DP zu automatisieren, da dadurch die geforderte Hochverfügbarkeit geboten wird und auf Standardbausteine zurückgegriffen werden kann. Mit der Entwicklung und Umsetzung der Automatisierungsarchitektur beauftragte Dynamit Nobel die GiA Gesellschaft für industrielle Automatisierung, Solution Provider der Firma Siemens. Fünf Monate arbeiteten je fünf Ingenieure und Techniker in zwei Schichten. Zum Auftragsumfang gehörten neben der Hardwareplanung die gesamte Montageleitung, Schaltschrankbau und Systemkonfiguration. Des Weiteren war GiA auch für die Inbetriebnahme der Anlage und die Schulung des Produktionspersonals zuständig. Schwierig gestaltete sich die Aufgabe auch vor dem Hintergrund des kurzen Projektierungs- und Implementierungszeitraums. Ausgehend von der reinen Technikumbeschreibung, befasste sich GiA über einen Zeitraum von zwei Monaten mit der verfahrenstechnischen Auslegung und erarbeitete eine maßgeschneiderte leittechnische Konfiguration auf der Basis von Simatic PCS 7, festgehalten in einem 115-seitigen Pflichtenheft.
Rundum sicher
Die neue Produktionsanlage (Abb. 1) im explosionsgefährdeten Bereich, Zone 1 T4, besteht aus mehreren Rührwerksbehältern, den entsprechenden Energiestationen und verschiedenen Zwischen- und Lagerbehältern für Rohstoffe, Zwischenprodukte und Abwasser. In bereits zum Teil automatisierten Reaktoren werden jeweils Vorprodukte hergestellt, die anschließend in einem weiteren Reaktor zum Endprodukt weiterverarbeitet werden. Die einzelnen Reaktoren sind mit Destillations- und Rektifikationseinrichtungen versehen. Die Leittechnik bedient sich folgender Standardkomponenten: Bedien- und Beobachtungssystem WinCC, Automatisierungssystem S7-400, dezentrale Peripherie auf Basis von ET 200M mit S7-300-Peripherie, zwei Vor-Ort-Bedienstationen, Simatic Net als Kommunikationsbasis für Profibus und Industrial Ethernet sowie Engineering Station mit den Entwicklungswerkzeugen für den SPS- und Visualisierungsbereich. Dreh- und Angelpunkt der Anlagenautomatisierung sind zwei hochverfügbare AS 417-H, die nach dem Prinzip der aktiven Redundanz im Hot-Stand-By-Betrieb arbeiten. Im Fehlerfall übernimmt das Stand-by-Gerät, das über denselben Datenstand wie die aktive CPU verfügt (Synchronisation durch Verbindung über Sync-Module), stoßfrei die Steuerung des Prozesses. Das System kann zyklussynchron weiterlaufen.
Um die geforderte Ausfallsicherheit bis zu den angeschlossenen Peripheriegeräten zu gewährleisten, ist der Feldbus redundant ausgeführt. Hierfür wurde die Anschaltung ET 200M eingesetzt, die jeweils über separate Feldbusstränge mit je einer CPU 417-4H verbunden ist. Die Feldebene ist an die Steuerungsebene über einen redundanten optischen Profibus-DP-Ring angebunden. Die zwei redundant ausgeführten Prozessbedienstationen (Abb. 2) wiederum kommunizieren mit den Automation Stations über Industrial Ethernet in Lichtwellenleitertechnologie. An das Ethernet-Netzwerk ist auch die zentrale Engineering-Station angeschlossen, von der aus auf sämtliche Komponenten des Prozessleitsystems zugegriffen werden kann. Flankierend zur redundanten Auslegung des Leitsystems, des Busses und der B und B-Station waren weitere präventive Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen (Abb. 3, Abb. 4). Zwei Notkühlsysteme, die automatisch oder per pneumatischem Schlagtaster aktiviert werden, erkennen und regulieren in frühzeitigem Stadium unzulässige Druck- und Temperaturabweichungen.
SPS-Programmierung
Für die SPS-Programmierung kamen die Siemens-ILS-PTE-Bausteine zum Einsatz. Die Dokumentation hierzu umfasste die Modulbeschreibung und die Funktionsweise sowie die Parametrierung der Bausteine. Die Anwendung von geprüften Bausteinen hat zum einen den Vorteil, dass sie einem qualifizierten Änderungsdienst unterliegen und somit die Funktionalität hinreichend gewährleistet ist. Außerdem bedeutet der Einsatz von Standardkomponenten eine hohe Transparenz in der Softwareerstellung und ermöglicht weiterhin eine effektive und zügige Inbetriebnahme.
Ablauf per Tastendruck
Besonders hervorzuheben ist die Visualisierung der Abläufe auf dem Operatorsystem. Die gewünschten Abläufe können über einfachen Tastendruck mittels Grundfunktionen gestartet werden. Für die klare und übersichtliche Struktur der Abläufe, entsprechend den betrieblichen Anforderungen, entwickelte GiA eine eigene Bedienoberfläche. Darüber hinaus stehen dem Anlagenfahrer im Bedarfsfall standardmäßig vielfältige Eingriffsmöglichkeiten für eine sichere Beherrschung des Prozesses zur Verfügung. Aufbauend auf Standard-Faceplates, die die Umsetzung so genannter Typicals in anlagenbezogene Instanzen ohne großen Projektierungsaufwand erlauben, können die realisierten Grundfunktionen über ein GF-Faceplate bedient werden. Dieses Faceplate ist vom Grundaufbau bei allen Grundfunktionen gleich und erlaubt den Anlagenfahrern dadurch eine einfache Parametrierung bzw. einheitliche Bedienung verschiedener Funktionen. Eine Grundfunktion wiederum kann in bis zu acht Fahrweisen betrieben werden und bis zu acht Sollwerte verwalten. Neben den Sollwerten werden die entsprechenden Ist-Werte ebenfalls im GF-Faceplate angezeigt. Dadurch und durch die vor Ort durchgeführte, anlagenspezifische Schulung war eine schnelle Einarbeitung der Anlagenfahrer möglich.
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