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Scale-up garantiert

Erfolgreiches Reaktorkonzept krempelt Unternehmen komplett um
Scale-up garantiert

Die Schweizer Firma Biazzi entwickelte 50 Jahre lang Prozesse zur Herstellung von Sprengstoffen und Nitroaromaten. Nachdem dieser Markt nur noch kleine Perspektiven bot, verlagerte das Unternehmen seinen Schwerpunkt von der Nitrierung auf die Hydrierung. Diese Entscheidung führte zu einer Neustrukturierung des gesamten Unternehmens.

Vor 66 Jahren wurde das Unternehmen Biazzi von dem italienischen Ingenieur und Sprengstoffspezialistem Mario Biazzi gegründet. Er entwickelte ein kontinuierliches Verfahren zur Herstellung von Nitroglycerin. 1936 ging Biazzi mit seinem Unternehmen in die Schweiz und ließ sich am Genfer See in der Nähe von Montreux nieder. Von dort aus versuchte er seinen Prozess zu vertreiben. Nach und nach erweiterte Biazzi sein Produktportfolio, das Hauptaugenmerk war aber immer auf die Herstellung von Sprengstoffen gerichtet. Mitte der 50er-Jahre entdeckte das Unternehmen die chemische Industrie als Zielgruppe für ihre Prozesse. Nitroaromaten wurden zum wichtigen Ausgangsprodukt, so dass das Biazzi-Know-how auch hier Verwendung fand. Bis in die späten 80er-Jahre beschränkten sich die Aktivitäten von Biazzi auf den Bereich der Nitrierung. Rund 85% der gelieferten Anlagen gingen in die Sprengstoffindustrie, 15% in die chemische Industrie.

Zweites Standbein
Parallel zur eigenen Firma gründete Mario Biazzi 1949 in Italien zusammen mit einigen Partnern ein Unternehmen zur Dynamit-Herstellung – Dinamite. Für viele Jahre stellte das Unternehmen Sprengstoffe für die zivile Nutzung her. Dinamite verfügte über Laboratorien und Pilotanlagen, die für die technische Umsetzung der Biazzi-Prozesse wichtig waren. Diese Kooperation zwischen Biazzi und Dinamite machte auch den Unterschied zu anderen Engineering-Unternehmen aus. Mit Dinamite hatte Biazzi den Partner, der die Prozesse unmittelbar umsetzen und überprüfen konnte. Diese Konstellation bestand bis Ende der 80er-Jahre.
Markt im Umbruch
Ende der 80er-Jahre veränderte sich der Markt für Sprengstoffe erheblich. Ein weiteres Wachstum schien kaum mehr möglich. Bei Biazzi überlegten sich die Verantwortlichen daher, welche zusätzlichen Technologien angeboten werden könnten. „Wir haben verschiedene Möglichkeiten untersucht, und uns dann für den Einstieg in die Hydriertechnologie entschieden, da der nächste Schritt in der chemischen Synthese nach der Nitrierung meistens die Reduzierung der Nitrogruppe zur Aminogruppe durch Hydrierung ist“, erläuterte Geschäftsführer Dr. Gérard Fierz die damalige Situation gegenüber der cav.
Von der Schwäche des Sprengstoffmarktes war natürlich auch Dinamite betroffen. Dort begann man Anfang der 90er mit der Produktion von Feinchemikalien und Zwischenprodukten für die pharmazeutische Industrie. Hierzu wurde Secifarma, ein Hersteller von pharmazeutischen Produkten, übernommen. Heute heißt das Unternehmen Dipharma und hat zwei Produktionsstandorte, einen in der Nähe von Udine, den anderen bei Mailand. Das Unternehmen stellt inzwischen nur noch pharmazeutische Produkte her, das Geschäft mit Sprengstoffen wurde verkauft. Biazzi selbst hat mit der neuen Hydriertechnologie mehr als ein zweites Standbein geschaffen. Mittlerweile macht das Geschäft mit Gas-Flüssig-Reaktionen rund 76% des Umsatzes aus. Nitrierungen stellen noch etwa 21% des Umsatzes dar, und das Sprengstoffgeschäft spielt mit 3% nur noch eine untergeordnete Rolle. „Aufgrund des großen Erfolges unserer Hydriertechnologie hat sich unser Produktspektrum innerhalb weniger Jahre grundlegend geändert“, sagt Dr. Fierz. „Die neue Hydriertechnologie hat uns an die Spitze gebracht, so dass wir inzwischen mit dieser Technologie zu den Marktführern gehören.“
International tätig
Die Biazzi-Gruppe ist international tätig, gehört aber nach wie vor der Familie Biazzi. In Montreux beschäftigt das Unternehmen rund 30 Mitarbeiter, bei Dipharma etwa 220. Der totale Umsatz liegt bei ca. 70 Mio. Euro. Die typischen Märkte für die Biazzi-Hydriertechnologie sind die Industrienationen in Westeuropa, USA und Asien. „Europa wird mehr und mehr unser Hauptmarkt“, sagt Fierz. Dies resultiert aus dem veränderten Produktangebot: Während Nitrierungen weltweit durchgeführt werden, ist die komplizierte und teure Hydriertechnologie nur dort sinnvoll, wo hochwertige Produkte, beispielsweise in der Pharmazie, hergestellt werden. Und dies sind eben die klassischen Industrienationen. So betragen die Umsatzanteile in Europa zwischen 40 und 60%, in Asien zwischen 25 und 45% und in Nordamerika bis 10%. „In Nordamerika haben wir zwar viele Kontakte, jedoch leider noch zu wenige Aufträge“, analysiert Dr. Fierz diese Zahlen.
Da Biazzi selbst nicht produziert, ist man auf gewisse Partner angewiesen. So existieren für die Ausführung der wichtigsten Anlagenteile, wie beispielsweise den Reaktor mind. zwei Vertragspartnern. Für die anderen Elemente gibt es Zulieferer. Die Vertragspartner können dabei variieren. „Wenn wir für einen Anwender in den USA eine Anlage konzipieren, macht es wenig Sinn, die Anlagenteile in Europa fertigen zu lassen und sie in die USA zu transportieren“, erklärt Marmillod, Marketingchef bei Biazzi.
Achema-Aussteller
Die Achema steht vor der Tür und Biazzi ist mit dabei. „Als Engineering-Unternehmen ist es nicht einfach, auf der Achema etwas zu präsentieren, schließlich bauen wir selbst keine Anlagen. Darüber hinaus besitzen wir viel Know-how, das wir natürlich auch behalten wollen. Wir werden daher neue Konzepte wie unsere GMP-gerechten Anlagen in Modulbauweise oder Komplettanlagen für Hydrierung und Filtration vorstellen“, erläutert Pierre Marmillod, Marketingchef bei Biazzi.
Kernstück ist der Reaktor
Die Reduktion der Nitrogruppe ist aufgrund der stark exothermen Reaktion eine schwierige Angelegenheit. Der Biazzi-Reaktor besteht daher aus zwei Hauptelementen, dem Rührer und dem Wärmeaustauscher. Der Rührer ist als Hohlrührer ausgelegt und verfügt über eine sehr große Ansaugleistung. Der Antrieb ist magnetgekuppelt mit Antriebsleistungen bis 110 kW. Durch die Magnetkupplung kommt man ohne Dichtung aus; Drücke bis 100 bar sind möglich. Das Gas selbst wird im Reaktor mit großem Überschuss recycliert und verteilt. Selbst bei großen Reaktoren garantiert der Rührer eine optimale Verteilung des Gases und eine Übersättigung von oben bis unten. Der Wärmeaustauscher verfügt über radial angeordnete vertikale Wärmeaustauscherplatten ähnlich einer statischen Turbine. Dadurch lässt sich die Gas/Flüssig/Fest-Mischung im ganzen Reaktor von innen nach außen ohne Widerstand verteilen. Außerdem sind die Wärmetauscherplatten so beschaffen, dass keine Koaleszenz der Blasen eintritt.
Garantie beim Scale-up
Einer der wichtigsten Punkte für den Erfolg des Biazzi-Konzeptes ist das problemlose Scale-up der Anlagen. Dies hat man so gut unter Kontrolle, dass alle Entwicklungsarbeiten in einem 1-l-Laborreaktor durchgeführt werden können. Pilotanlagen sind nicht erforderlich. Biazzi garantiert für die Großanlage die gleichen Ergebnisse wie für den Laborreaktor. „In den letzten Jahren hatten wir mit dem Scale-up niemals Probleme, und das bei Reaktoren mit einem Nutzvolumen bis zu 40 m³“, bestätigt Marmillod. Die Nutzvolumina der Reaktoren schwanken in der Regel zwischen 2 und 12 m3. Als Obergrenze bietet Biazzi Reaktoren bis 50 m³ an, die Untergrenze liegt – speziell für die Pharmabranche – bei etwa einem halben Kubikmeter. Für Vorversuche nutzt Biazzi nach wie vor das Labor und die Pilotanlagen bei Dipharma in Udine. Zusätzlich hat man am Hauptsitz in Montreux ein Labor gebaut, in dem die Verfahren entwickelt werden.
Ökonomisch interessant
„Unsere Hydrieranlagen sind im Anschaffungspreis nicht ganz billig, haben aber ökonomisch während des Betriebes gewisse Vorteile“, sagt Pierre Marmillod. So kann der Anwender aufgrund des problemlosen Scale-ups relativ einfach im eigenen Labor weitere Produkte entwickeln. Darüber hinaus ist die Effizienz des Systems so hoch, dass man eine erhebliche Absenkung der Betriebsparameter wie Druck und Temperatur erreicht und massive Einsparungen beim Katalysatorverbrauch hat. „Je nach Prozess lässt sich der Katalysatorverbrauch um einen Faktor drei bis acht senken. Man kann sich bei den teuren Katalysatorpreisen leicht ausrechnen, wann sich der Mehrpreis für dieses Verfahren bezahlt macht. Wir kennen Beispiele, wo mehrere Millionen US-Dollar pro Jahr eingespart werden“, erklärt Marmillod.
Beim Biazzi-Konzept sind zumeist weder der Stofftransport noch der Wärmeübergang limitierende Faktoren. So hat man beispielsweise eine Anlage ohne Lösemittel zur Reduzierung der beiden Nitrogruppen von Dinitrotoluol konzipiert. Bei dieser Reaktion werden rund 240 Kilokalorien pro Mol Energie frei. Aber selbst diese enormen Energiemengen stellen für das Wärmetauschersystem im Reaktor kein Problem dar. Br
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