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Stellgeräte im Brandfall

Funktionssicher, selbst in extremen Situationen
Stellgeräte im Brandfall

Ein wesentlicher Bestandteil der Anlagensicherheit ist die im eintretenden Brandfall beizubehaltende Sicherheitsstellung der Stellgeräte. Bei der Verwendung eines pneumatischen Hubantriebes soll bei Ausfall der Hilfsenergie oder bei Bruch der Antriebsmembrane die Sicherheitsstellung eingenommen und beibehalten werden.

Walter Schneider

Normalerweise erfüllen diese Aufgabenstellung Federn, die das Ventil im eintretenden Schadensfall in die „Sicherheitsstellung“ zwingen. Die Federkräfte sind in der Regel so bemessen, daß gegen den Druck des Betriebsmediums die Sicherheitsstellung des Stellgerätes bei Ausfall der Hilfsenergie angefahren wird und beibehalten bleibt.
In dem Fall, wo es zu einem Brand kommt, wird die Sicherheitsstellung des pneumatischen Antriebes nachteilig beeinflußt. Durch den Temperatureinfluß auf die Federn des pneumatischen Antriebes verlieren diese ihre Kraft. Die Federn können mit fortschreitender Zeit auf Grund der steigenden Temperaturen das Ventil nicht in der Sicherheitsstellung halten. Bei der Sicherheitsstellung „Feder schließt“ ist dann die zunehmende Leckage nicht mehr zu vermeiden. In Abbildung 2 ist der zeitliche Verlauf dargestellt, mit der eine vorgespannte Spiralfeder ihre Kraft unter Temperatureinwirkung verliert.
Schon kurz nach Brandbeginn tritt ein meßbarer deutlicher Verlust der Federkraft ein. Die Sicherheitsstellung des Ventils im Brandfall geht aus diesem Grund sehr schnell verloren. Der Verlust der Federsteife und der deutliche Kraftabfall sind dabei Folge von Rekristallisationsvorgängen im Werkstoffgefüge der Feder unter dem bestehenden Temperatureinfluß.
Die Verwendung von bekannten Brandschutzsystemen, oftmals Beschichtungen, können hier keinen entscheidenden Vorteil bieten. Dies schon alleine aus dem Grunde nicht, da es sich bei Federn um dynamisch beanspruchte und bewegliche Konstruktionselemente handelt. Auch ist die erreichbare zeitliche Verschiebung des Abfalles der Federkraft durch eine Beschichtung in jeder Hinsicht unzureichend.
Sicherheitspatrone
Zur Lösung der bestehenden Problematik ging der Entwicklungsgedanke in Richtung eines thermostatischen Systems. Dieses passive System soll bei einer untypischen Temperaturentwicklung an einem pneumatischen Antrieb diese erkennen und zum aktiven Ansprechen führen. Ein äußerst einfach gehaltenes Konstruktionselement, eine Patrone, folgt dieser Anforderung. Zur Füllung dieser Patronen, bestehend aus zwei ineinander beweglichen Zylindern, werden Intumeszensmassen verwendet. Die Einstellung dieser Massen gestattet in Grenzen die Beeinflussung der Auslösetemperatur und natürlich auch den jeweiligen Verlauf des Kraftanstieges.
Die Patrone besteht dabei aus einem zweiteiligen zylindrischen Grundkörper. In dem geschlossenen Zylindervolumen befindet sich eine Intumeszensmasse. Deren Einstellung erfolgt so, daß diese noch vor der Zerstörung der Membrane in der pneumatischen Antriebseinheit wirksam wird. Durch den dadurch eintretenden Volumenzuwachs wird der Zylinder axial unter erheblicher Kraftentwicklung auseinander bewegt. Da die Wirkrichtung der Zylinder derjenigen der Federn entspricht, wird deren beginnender Kraftverlust durch die patentierten Patronen im Stellantrieb mit Sicherheitseinrichtung zeitlich vorweggenommen mehr als kompensiert.
Die Aufheizung der Sicherheitspatrone erfolgt dabei entsprechend der Einheits-Temperatur-Kurve (ETK). Hiernach ist der zeitliche Verlauf der Temperaturentwicklung dargestellt.
Die einfache Ausführungsform der irreversibel bei Temperatur arbeitenden Patrone gestattet die Aus- bzw. Nachrüstung von vorhandenen pneumatischen Stellantrieben.
Die Sicherheitspatrone wird zu diesem Zweck in den zylindrischen Federn des pneumatischen Stellantriebes positioniert. Unabhängig von der Einbaulage des Antriebes kann die Patrone dort jederzeit ihrer Aufgabe nachkommen und im Brandfall das Ventil schließen.
Die gewählte Baulänge der Patronen beeinträchtigt den Hub-, bzw. Arbeitsbereich der Federn bei normalen Umgebungstemperaturen nicht. Lediglich im Brandfall kommt es zum temperaturbedingten Ansprechen dieser Konstruktionselemente.
Simulation eines Brandfalles
An einem mit derartigen Sicherheitspatronen ausgestatteten Stellgerät wurde der Brandfall simuliert.
Die technischen Daten des Stellgerätes waren wie folgt.
• Ventil vom Typ 3241, DN 25, PN 40:
Kennlinie gleichprozentig,
Ventilkegel metallisch eingeschliffen,
Kegelwerkstoff Cr-Stahl 1.4006,
Sitzwerkstoff Cr-Stahl, 1.4006,
Gehäusewerkstoff GS-C 25, 1.0619.
• Pneumatischer Membranantrieb vom Typ 3271:
wirksame Membranfläche 350 cm2
Antrieb Stange ausfahrend,
Stelldruckbereich 0,6 bis 3 bar,
Werkstoff St 1203,
Membrane aus NBR mit Polyestergewebe.
Ziel des Versuches war es, den Systemdruck, bzw. die Dichtheit über eine Zeitdauer von mindestens 30 Minuten an dem Ventil aufrecht zu erhalten. Diese Zeitspanne ergibt sich aus der Normschrift BSI 6755/2.
Der oben beschriebene Prüfling wurde dabei nach der ETK in einem Prüfraum aufgeheizt. Der pneumatische Stellantrieb ist dahingehend modifiziert, daß sich sechs Patronen des beschriebenen Aufbaus verteilt in den Federpaketen im Antrieb befinden. In dem Ventil selbst befindet sich Wasser. Beim Aufheizen kommt es zu einer Dampfentwicklung. Ein außerhalb des Prüfraumes angeordneter Druckregler hält den Systemdruck dabei auf 30 bar konstant. Dieser Prüfdruck wurde vor Beginn der Prüfung zunächst durch eine Pumpe aufgebracht. Hinter der Drosselstelle Sitz/Kegel ist die Armatur gegen Atmosphäre geöffnet.
Die Temperatur des Prüfraumes wird ebenso wie die Temperatur in der pneumatischen Antriebseinheit mittels Thermoelemente erfaßt. Die Temperaturentwicklung über der Zeit im Brandraum und die Temperaturentwicklung an der pneumatischen Antriebseinheit entspricht dabei der Einheits-Temperatur-Kurve (Abb. 5). Der im Ventil vor dem Sitz anstehende Systemdruck von 30 bar bleibt über die Zeitspanne der gesamten Prüfung konstant.
Die Gummimembrane der pneumatischen Antriebseinheit ist erwartungsgemäß nach Versuchsende infolge der hohen Temperaturen vollkommen zerstört. Alle metallischen Konstruktionselemente mit Ausnahme der Druckfedern blieben ohne weitere erkennbare Beschädigung oder Deformation. Die Aufgabenstellung, gegen die ständig anstehenden 30 bar bei Brandeinwirkung sicher abzudichten, wurde über die gesamte Zeitspanne der Temperaturzufuhr sichergestellt.
Umkehrbare Wirkrichtung
Neben der vorgenannten Lösung mit den Sicherheitspatronen gibt es weitere, zusätzlich in der pneumatischen Antriebseinheit integrierbare Funktionen. So kann z. B. ein vorgespanntes Federpaket als Kraftspeicher bei einer pneumatischen Antriebseinheit bei einer zu bestimmenden Temperatur gegen die normale Sicherheitsstellung ausgelöst werden. Diese patentierte Lösung beinhaltet vorgespannte, den normalen Antriebsfedern entgegengesetzten Tellerfedern, die dabei durch eine Lotsicherung gefesselt sind. Dabei bestimmt das Lot die Temperatur, wann die Auslösung dieses Kraftspeichers erfolgen soll. Durch die Entfesselung bei Überschreiten der Lottemperatur wird die Sicherheitsfunktion des normalen Betriebes im Brandfall zwangsweise umgekehrt. Langzeitstabilität der Fügeverbindung unter praktischen Einsatzbedingungen, wie erhöhte Umgebungstemperatur auf Dauer, sind dabei sichergestellt.
Ein Schnittbild durch eine derartig ausgeführte pneumatische Antriebseinheit zeigt Abbildung 7.
Resümee
Durch die in ihrem Aufbau einfach gehaltenen Konstruktionen wird es möglich, im Brandfall die Sicherheitsstellung eines mit einer pneumatischen Antriebseinheit ausgestatteten Ventils beizubehalten oder auch umzukehren. Damit sind Anwendungen pneumatisch betätigter Stellgeräte denkbar und realisierbar geworden, die bislang nicht diskutiert wurden.
Gegenüber Normalausführungen pneumatisch betriebener Stellgeräte können solche Antriebe über einen längeren Zeitraum ihre Sicherheitsstellung auch im Brandfall aufrecht erhalten. Hierzu tragen mit Intumeszensmassen gefüllte Patronen im pneumatischen Antrieb mit bei. Die Ventilsitz/-kegel-Konstruktion eines Stellgerätes bleibt durch die Anwendung dieser Patronen trotz hoher Temperatureinwirkung über die Dauer der Brandeinwirkung funktionsfähig. Der Austritt kritischer Medien wird für die Dauer des Brandes wirksam verhindert. Der eintretende Verlust der Federkraft, die üblicherweise die Sicherheitsstellung garantiert, wird durch die Patronen kompensiert.
Darüber hinaus ist es ein durchaus positiver Aspekt dieser Entwicklung, daß sich die Kosten für diese zusätzliche wirksame Ausrüstung auf einem, im Vergleich zu sonstigem anderem notwendigem Schutzaufwand, niedrigen Kostenniveau bewegt.
Durch die Patronen ist möglich, den Einsatz von Stellgeräten mit der beschriebenen Ausrüstung zukünftig auch in entsprechend sensiblen Bereichen neu zu überdenken.
Dem bestehenden Kostendruck kann durch die Substitution aufwendigerer Maßnahmen durch die Anwendung dieser zur Diskussion gestellten Lösungen nachgekommen werden.
Auch die Umkehrung beschriebener Sicherheitsstellungen bei Temperatureinwirkung ist durchführbar. Durch die Entfesselung vorgespannter Kraftspeicher läßt sich entgegen der üblichen Sicherheitsstellung eine Funktionsumkehr des pneumatischen Antriebes realisieren. Außerdem kann bei dieser Lösung ein Ansprechen bei einem nahezu frei wählbaren Temperaturbereich erfolgen. Auch hier ein neuer Aspekt, der Lösungsansätze für die verschiedensten Aufgabenstellungen beinhaltet.
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