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Supply Chain Management

Noch wenig Ahnung
Supply Chain Management

Mehr und mehr Unternehmen setzen auf die Vorteile durchgängiger Wertschöpfungsketten. Während andere Branchen bereits davon profitieren, steht die chemische Industrie bei Supply Chain Management noch ganz am Anfang.

Bernhard Rose

Für Bernward Niederwestberg, Partner der Unternehmensberatung Andersen Consulting in Sulzbach bei Frankfurt, kommt an Supply Chain Management auch die chemische Industrie nicht mehr vorbei. Noch sei Supply Chain Management als Thema auf Vorstandsebene hier wenig anzutreffen, beobachtet der Consultant. Doch werde sich das rasch ändern. Spätestens in drei oder vier Jahren wird die wettbewerbliche Situation den Unternehmen keine andere Wahl lassen. Supply Chain Management (SCM) wird dann für die chemische Industrie „eine Wichtigkeit erlangen, die sich viele Manager heute noch überhaupt nicht ausmalen“, warnt Niederwestberg.
Während Branchen wie die Lebensmittelindustrie, Warenhausketten oder Elektronik- und PC-Produzenten ihre Chancen im Wettbewerb bereits in durchgängigen Informations- und Wertschöpfungsketten sehen, hat die chemische Industrie „bei Supply Chain Management den Dornröschen-Kuß noch vor sich“. Der Trend in der chemischen Industrie, sich auf Kernkompetenzen zu fokussieren und wenig rentable Bereiche abzustoßen oder durch Zukäufe die Wirtschaftlichkeit zu verbessern, verschärft nicht nur den Wettbewerb. Neben dem eigentlichen Produkt und seiner hohen Qualität werden künftig vor allem Faktoren wie rasche Lieferzeiten, Termintreue oder Vollständigkeit des Lieferumfangs immer wesentlicher. Künftig wird der Wettbewerb immer stärker über den Servicegrad ausgetragen.
Einsparungspotentiale
Welche Reserven Supply Chain Management in den Unternehmen der chemischen Industrie mobilisiert, zeigt eine Untersuchung der Consulting-Gesellschaft AT Kearney. Die Consultants bewerten die möglichen Potentiale auf durchschnittlich zwei bis fünf Prozent vom Umsatz, die sich durch Supply Chain Management und eine ganzheitliche Optimierung der Versorgungskette einsparen lassen. „Viele Unternehmen stehen hier vor einer fundamentalen Neuorientierung“, beobachtet Dr. Werner Kreuz, Geschäftsleitungsmitglied bei AT Kearney in Düsseldorf den Trend.
Nach einer Studie der Consultants erwarten rund 42 Prozent der Unternehmen der chemischen Industrie durch Supply Chain Management Kosteneinsparungen in der Versorgungskette zwischen sechs und zehn Prozent. Immerhin 17 Prozent der Unternehmen gehen sogar davon aus, zwischen elf und 15 Prozent und mehr ihrer Kosten durch SCM reduzieren zu können.
Vorreiter bei SCM
Ähnliche Zahlenwerte ermittelte auch die Hoechst-Tochter Hostalen Polyethylen GmbH in Frankfurt. Dort brachte IT-Manager Wolfgang Ade drei Fabrikstandorte, 20 Produktionslinien, 500 verschiedene Produkte, 250 Kunden und eine Handvoll Zulieferanten optimiert unter einen Hut. Nicht der Trend überraschte Ade, sondern die Ergebnis-Größe: Satte 14 Millionen Mark Optimierungspotential pro Jahr bei einer Jahresproduktion von 200 000 Tonnen eines hochwertigen Spezialproduktes. „Der riesige Zugewinn macht rund 16 Prozent der Produktionskosten aus“, schwärmt Ade.
Erfolge auch bei der BASF, die hierzulande als Vorreiter bei SCM gelten. Der Chemiekonzern verbesserte seinen Lieferservice in Europa um nahezu 100 Prozent, nachdem er die Zahl seiner Europa-Spediteure fast halbierte. Und in Nordamerika errechneten die Ludwigshafener für ihre Logistikkosten in Höhe von jährlich 100 Millionen Dollar ein Einsparungspotential von 15 Prozent, weiß Stefan Funk, Consultant beim kürzlich durch AspenTech erworbenen Softwareunternehmen Chesapeake, das auf SCM-Lösungen spezialisiert ist. Die vormals 18 Zentrallager wurden auf fünf reduziert, weitere 70 Lager auf 12 zusammengestrichen. Während das Projekt rund 400 000 Dollar kostete, betragen die Einsparungen 15 Millionen Dollar jährlich.
Strategische Bedeutung von SCM
War bisher eine direkte Abhängigkeit von Kosten und Service kaum zu entkoppeln, ändert SCM das scheinbare Grundgesetz. „Bisher stiegen automatisch die Kosten, wenn der Servicegrad zunahm“, sagt Andersen-Partner Niederwestberg. Erst die Technologie moderner Informationssysteme und ganzheitliche Sichtweisen der Wertschöpfungskette verbessert beides gleichzeitig.
Wie bei den meisten strategischen Ansätzen ist auch Supply Chain Management kein fertiges Produkt, sondern „eine Strategie zur Differenzierung im Wettbewerb“, betont Beth Enslow, Analystin der Gartner Group und auf SCM spezialisiert. Eine einheitliche Datenbasis, rascher Informationsfluß in der gesamten Wertschöpfungskette nach allen Seiten, einschließlich der Zulieferanten und Handelspartner, sind wichtige Voraussetzungen.
Enslow vergleicht Supply Chain Management mit einer Kettenreaktion, deren Rückkopplung durch alle Unternehmensbereiche läuft. „Bei der systematischen Verzahnung der gesamten internen und externen Wertschöpfungsketten gilt es, Marktbedürfnisse vorherzusehen und sowohl die Logistik wie auch die Produktion optimal aufeinander abzustimmen“. Das Ziel ist, Kundenwünsche termingerecht und nach den individuellen Bedürfnissen zu erfüllen und dennoch für das eigene Unternehmen bestmögliche Renditen zu erwirtschaften.
Daß vor wenigen Monaten der Marktführer für Prozeßautomation, die Aspen Technology Inc. aus Boston, das amerikanische Unternehmen Chesapeake Decision Sciences Inc. übernahm, wertet Gartner-Analystin Enslow nur als logische Folge der Entwicklung, wonach eine Optimierung der Wertschöfungskette sowohl die Produktionsoptimierung wie auch die gesamte interne und externe Logistik umfaßt. Im Rahmen seiner Plantelligence-Strategie könne AspenTech nun der Prozeßindustrie umfangreiche IT-Lösungen bieten, die nach den Worten von AspenTech-Chef Lawrence Evans „den gesamten Bereich der Wertschöpfung abdecken“ und dabei Produktion und Supply Chain Management umfassen.
Wer seine Versorgungsketten nicht rechtzeitig in den Griff bekommt, „wird vom Wettbewerb überrollt“, formuliert denn auch Roger Longley warnend den Umkehrschluß eines beginnenden Booms. Der Chairman der renommierten Londoner Unternehmensberatung Chem Systems Ltd. macht keinen Hehl daraus, die Situation vor allem in der erdölverarbeitenden Industrie besonders kritisch zu sehen. „Die hauchdünnen Margen verzeihen keine Fehler in der Supply Chain“, sagt Longley. „Eine falsche Entscheidung und der Gewinn ist hin.“
Für Longley hängt der Boom, den das Thema Supply Chain Management in jüngster Zeit erlebt, nicht zuletzt mit der Konzentrationswelle in der gesamten Industrie zusammen. Nach den Mergers und Fusionen gilt es nun, die Wertschöpfungsketten so schnell wie möglich betriebswirtschaftlich zu optimieren.
In ihrem neuesten SCM-Report sehen die Marktforscher der Bostoner AMR Research Inc. für Supply Chain Management Wachstumsraten von jährlich 50 Prozent und mehr. Im Jahr 2002 sollen die Ausgaben für Software und Services eine Höhe von weltweit rund 13,6 Milliarden Dollar erreichen. „Das Potential sei riesig“, meint John Bermudez, der die Untersuchung bei AMR leitete. Jedes der zigtausend Unternehmen, das in den vergangenen Jahren in Systeme für Enterprise Resource Planning (ERP) investierte, sei potentiell auch ein Käufer für SCM-Lösungen.
Für die petrochemische Industrie liegt die Herausforderung darin, bei unterschiedlichen Fabrikstandorten, Rohstoffqualitäten und den vielen Abnehmerwünschen eine Optimierung der Gesamtkosten zu erzielen. Das Dilemma hierbei macht Roger Longley deutlich: Große Volumenproduktionen über längere Zeiten senken zwar die Herstellkosten, verursachen jedoch Lagerhaltung und logistischen Aufwand. Wer dagegen jede Woche die Chargen ändert, hält die Lagerkosten klein, doch der viele Wechsel in den Reaktoren kostet Geld und Wirkungsgrad. Nur derjenige überlebe im Markt, warnt Longley, dem der komplizierte Spagat gelingt, die Fertigungsprozesse und Produktionslogistik vom Zulieferer bis zum Kunden ganzheitlich und auch global zu optimieren.
Doch gerade beim Verständnis von Supply Chain Management macht Gartner-Analystin Enslow beim Top-Management gefährliche Defizite aus. Zwar erkennen immer mehr Manager in den Unternehmen die strategische Bedeutung von Supply Chain Management, sagt sie. Doch leider verstünden sie Ursache und Wirkung nicht. Bei der richtigen Entscheidung, was zu tun ist, greifen viele immer noch daneben.
„Manager müssen verstehen lernen, wie Lagerbestände, Kundenwünsche, Service, Geschwindigkeit und Flexibilität zusammenhängen“, sagt Enslow. „Sie müssen sehen, wie sich Entscheidungen auf die gesamte wirtschaftliche Entwicklung ihres Unternehmens auswirken.“ Hier helfen strategische Planungswerkzeuge wie beispielsweise das neue Software-Tool Chesapeake Strategic Advisor (CSA) von AspenTech, das die Auswirkung von Entscheidungen simuliert, sagt Enslow (siehe Kasten).
Das aufwendige Simulationsprogramm dient zur Entscheidungsunterstützung für die richtige Unternehmensstrategie und verarbeitet definierte Abhängigkeiten, Kostenelemente und Mengengerüste in einem hochkomplexen Modell gleichzeitig. Interessant sei der Ergebnisvergleich, der sich aus unterschiedlichen Strategien ergibt, sagt Enslow.
Weitere Informationen cav-261
Mit einer Software läßt sich jetzt simulieren, wie sich strategische Entscheidungen in der gesamten Wertschöpfungskette unmittelbar auf die eigenen Unternehmensergebnisse auswirken. Das Programm „Chesapeake Strategic Advisor“ (CSA) der Firma Aspen Technology dient dazu, die Supply Chain eines Unternehmens nach den jeweiligen Zielvorgaben des Managements zu optimieren. Aktuelle operative Daten eines Unternehmens lassen sich so nutzen, und selbst bei einem globalen Supply Chain Management sind daraus Finanzanalysen für die beste Ergebnisentwicklung des Unternehmens ableitbar. Mit Hilfe von Simulationen und What-If-Szenarien kann das Top-Management die Auswirkung unterschiedlicher strategischer Entscheidungen und Zielsetzungen untersuchen und die Wirkung unterschiedlicher Ansätze vergleichen, bevor Entscheidungen Wirklichkeit werden.
Die ausgefeilte Simulations-Software, die Aspen Technology zusammen mit der Unternehmsberatung Coopers & Leybrand entwickelte, kann selbst viele Millionen von Variablen in einem komplexen Optimierungsmodell gleichzeitig und in kurzer Zeit verarbeiten. Für AspenTech-Chef Lawrence Evans bringt CSA „den Geschmack von Wirklichkeit in die Vorstandsetage,“ wie er sagt. Über Schnittstellen zu ERP-Programmen wie etwa SAP R/3 greift der „strategische Ratgeber“ direkt auf die betriebswirtschaftlichen Daten und Finanzinformationen des Unternehmens zu. Dabei werden Engpässe etwa in der Produktion ebenso berücksichtigt wie Lagerkapazitäten, Logistikkosten oder auch der Kundenservice-Grad.
So lassen sich Fragen beantworten, was die beste Strategie sei, um den Gewinn pro Aktie zu erhöhen. Welchen Einfluß der Kauf einer neuen Fabrik auf das Konzernergebnis hat, ob es besser ist, eine weitere Produktionslinie zu bauen oder die Logistik zu erweitern. Einfach gehaltene grafische Benutzeroberflächen erlauben einen leichten Umgang mit dem Produkt, das in erster Linie für Anwender auf der Top-Management-Ebene entwickelt wurde. Nicht Minimalkosten müssen die richtige Anwort sein. Vielmehr ist das Ziel, neue Möglichkeiten aufzufinden, wie sich das Betriebsergebnis maximieren läßt.
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