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Zündfunken effektiv vermeiden

Elektrostatische Aufladungen bei pneumatischen Förderanlagen
Zündfunken effektiv vermeiden

Pneumatische Förderungen werden in der Nahrungsmittel- und Chemieindustrie zum sauberen, staubdichten Transport organischer Stäube eingesetzt. Da hierbei explosionsfähige Gemische auftreten können, sind Schutzmaßnahmen erforderlich. Neben der Auswahl geeigneter Betriebsmittel sind insbesondere elektrostatische Aufladungen zu vermeiden.

Dr.-Ing. Bernd Broeckmann

Zum Transport organischer und damit brennbarer Stäube werden in vielen Industriezweigen pneumatische Förderungen installiert, die aus einer Aufgabeeinrichtung, der eigentlichen Förderstrecke und einem Abscheider bestehen. In den einzelnen Anlagenteilen treten dabei explosionsfähige Staub-Luft-Gemische auf. Um Explosionen zu verhindern, gilt es Zündquellen sicher und effektiv auszuschließen.
Werden die Betriebsmittel, wie z.B. die elektrischen Meßgeräte, in einer an die jeweilige Schutzaufgabe angepaßten Form installiert, müssen lediglich noch die prozeßimmanenten Zündquellen wie elektrostatische Aufladungen, Selbstentzündung durch Kompression der Förderluft und der Eintrag heißer Partikel untersucht werden.
Elektrostatische Aufladungen
Für die Betrachtung elektrostatischer Entladungen ist zunächst eine Einteilung der Materialien in verschiedene Kategorien erforderlich. Man unterscheidet in metallisch, nichtleitend, dissipativ und antistatisch. Dissipative Bauteile mit einem spezifischen Durchgangswiderstand von 105 bis 108 Vm sind zwar nicht elektrisch leitend, aber ausreichend ableitfähig im elektrostatischen Sinne. Als antistatisch werden in der Regel leitfähige oder dissipative Bauteile bezeichnet, der Begriff ist aber nicht genormt.
Elektrostatische Entladungen können je nach den beteiligten Materialien in sechs Entladungsformen unterschieden werden, die unterschiedliche Energieinhalte und Zündwirksamkeiten aufweisen. Man differenziert zwischen Funkenentladungen, Büschelentladungen, Gleitstielbüschelentladungen, Schüttkegelentladungen, Gewitterblitzentladungen und Coronaentladungen. Für pneumatische Transporte sind Gewitterblitz- und Coronaentladungen allerdings irrelevant, da sie praktisch nicht auftreten.
Funkenentladungen
Funkenentladungen finden zwischen einem ungeerdeten und einem geerdeten leitfähigen Bauteil statt. Ihre Energie reicht aus, alle Gase und nahezu alle Stäube zu zünden. Im allgemeinen lassen sie sich einfach unterbinden, in dem der Anwender die leitfähigen Anlagenteile erdet. Der Ableitwiderstand sollte unter 106 V liegen, bei Erstinstallationen empfiehlt sich ein Grenzwert von 10 V. Für pneumatische Förderanlagen stellen Funkenentladungen besonders beim Einsatz von Kompensatoren und Dichtungen eine Gefahr dar. Diese sind daher grundsätzlich vom Anlagenbetreiber separat zu erden. Lediglich bei metallischen Verbindungen ist dies nicht erforderlich.
Büschelentladungen
Büschelentladungen treten auf, wenn sich einem nichtleitenden, elektrostatisch aufgeladenen Kunststoffbauteile eine geerdete, leitfähige Elektrode mit einer Energie von 3 mJ annähert. Büschelentladungen zeigen für die meisten Stäube, insbesondere in der Nahrungsmittelindustrie, keine zündende Wirkung, müssen jedoch beim Umgang mit Gasen und Dämpfen beachtet werden. Daher können z.B. in Filtern durchaus nichtleitende Filtermaterialien zum Einsatz kommen.
In Schlauchleitungen für den pneumatischen Transport von Stäuben werden vielfach helle Auskleidungen eingesetzt, um die Abriebfestigkeit zu erhöhen bzw. farbige Produktkontaminationen zu verhindern. Während die schwarzen Schlauchqualitäten durch Rußbeimischungen leitfähig sind, bestehen die Auskleidungen aus nichtleitenden Materialien. In Förderleitungen für Flüssigkeiten, Gase und Dämpfe sind bei Gasen der Explosionsgruppen II a/b (Alkohole, Lösemittel) solche nichtleitende Auskleidungen bis zu einer Dicke von 2 mm zulässig, ohne daß mit Büschelentladungen gerechnet werden muß. Dies gilt aber ausdrücklich nicht, wenn besonders starke Ladungserzeugungen auftreten, wie es z.B. beim pneumatischen Transport von Stäuben erfolgt. Es sind Fälle bekannt, bei denen ein beschichteter Füllstandsmelder mit Zulassung für die Zone 0 oder ein ausgekleideter leitfähiger Schlauch als Zündquelle für eine Staubexplosion identifiziert wurde.
Gleitstielbüschelentladung
Schläuche oder Betriebsmittel, die für den Einsatz in den Zonen 0 und 1 zugelassen sind, dürfen in staubführenden Anlagenteilen nicht eingesetzt werden, wenn nicht eine gesonderte Betrachtung oder ausdrückliche Zulassung für die Zone 10 vorliegt. Grund für diese Verfahrensweise sind Gleitstielbüschelentladungen. Beim Einsatz nichtleitender Materialien in pneumatischen Förderungen für Stäube werden diese zunächst auf ihrer Innenseite stark aufgeladen. Diese Ladung erzeugt eine Gegenladung auf der nicht staubberührten Außenseite. Hierdurch wird eine Ladungsdoppelschicht gebildet, die sehr hohe Energiemengen speichern kann (Abb. 1). Werden die beiden Seiten der Ladungsdoppelschicht miteinander kurzgeschlossen, z.B. wenn die Durchschlagsspannung des nichtleitenden Materiales erreicht ist, erfolgt eine sehr heftige Entladung der gesamten gespeicherten Energie (Abb. 2).
Die Energie der Gleitstielbüschelentladung liegt im Bereich einiger Joule, so daß sie nahezu alle Gase, Dämpfe und die Mehrzahl der Stäube zünden kann. Typische Fälle für das Auftreten von Gleitstielbüschelentladungen in pneumatischen Förderungen sind der Einsatz nichtleitender Auskleidungen und nichtleitender Kunststoffe als Rohrleitungsmaterial. Üblicherweise lassen sich Gleitstielbüschelentladungen durch die Begrenzung der Durchschlagsspannung des nichtleitenden Materials auf unter 4 kV oder die Erhöhung ihrer Dicke auf über 8 mm vermeiden. In porösen Produktablagerungen wird die Durchschlagsspannung durch die Poren ausreichend vermindert.
Gewitterblitzentladungen
In der Literatur wird immer wieder auf Gewitterblitzentladungen in aufgeladenen, großen Staubwolken als potentielle Zündquelle hingewiesen. Allerdings konnte bislang weder der experimentelle Nachweis über die Möglichkeit solcher Entladungen erbracht werden, noch wurde eine Staubexplosion tatsächlich darauf zurückgeführt.
Bislang ist nur gesichert, daß bei Behältern bis 60 m³ und Durchmessern unter 3 m Gewitterblitzentladungen auszuschließen sind, wobei allerdings mit Büschelentladungen gerechnet werden muß. Der Cenelec-Report R044-001 vom August 1997 verweist darauf, daß bei größeren Behältern in Abhängigkeit von der Mindestzündenergie ein konstruktiver Schutz empfehlenswert und ansonsten der Rat von Fachleuten einzuholen sei.
Schüttkegelentladungen
Hochaufgeladene Stäube, die in einen Abscheider oder direkt in ein Silo gefördert werden, können dort Schüttungen aufgeladenen Materials entstehen lassen. Verfügt das Material über einen hohen spezischen Durchgangswiderstand, so kann die Ladung nicht schnell genug abfließen. Schüttkegelentladungen sind die Folge (Abb. 3).
Sie treten insbesondere beim Transport von Kunststoffen auf, aber auch andere Substanzen wie z.B. Zucker können Schüttkegelentladungen auslösen. Während im Staubexplosionsschutz normalerweise die Feinfraktionen das größte Risiko darstellen, führen hier die Grobfraktionen zu den stärkeren Entladungen, die anschließend die Feinfraktionen zünden. Besonders der beim Transport entstehende Abrieb und die Sichterwirkung des Behälters sorgen für ein Gefahrenpotential.
Zu vermeiden sind Schüttkegelentladungen nur durch Veränderung der elektrischen Eigenschaften der Atmosphäre über der Schüttung oder durch Veränderungen der Apparatekonfiguration.
Maßnahmen gegen elektrostatische Aufladungen
In Abhängigkeit von der Mindestzündenergie lassen sich folgende Gegenmaßnahmen postulieren: Zunächst gilt es Funken- und Gleitstielbüschelentladungen durch die Erdung leitfähiger Materialien zu verhindern. Auf den Einsatz von nichtleitenden Materialien sollte verzichtet werden. Außerdem ist auf die Begrenzung der Durchschlagsspannung von Auskleidungen zu achten.
Bei Mindestzündenergien zwischen 1 und 3 mJ müssen zusätzlich Maßnahmen gegen versehentlich ungeerdete, leitfähige Bauteile ergriffen werden. Dabei gilt es, nichtleitende potentielle Isolatoren zu vermeiden.
Bei Mindestzündenergien unter 1 mJ und/oder Anwesenheit brennbarer Gase und Dämpfe (hybride Gemische) muß – zusätzlich zu den zuvor genannten Schutzmaßnahmen – Inertisierung gegeben sein.
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