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Thomas Matheis schürft Rohstoffe auf den Mülldeponien dieser Welt

Auf Urban Mining spezialisiert
Thomas Matheis schürft Rohstoffe auf den Mülldeponien dieser Welt

Thomas Matheis ist Chemieingenieur und hat sich als Berater und Projektleiter auf das Recycling von wertvollen Rohstoffen spezialisiert. Eine Lösung, um das deutsche Rohstoffproblem zu lösen, sieht er im „Urban Mining“ in den Städten und auf den Mülldeponien dieser Welt. Vor allem Afrika biete große Ressourcen, die nur darauf warten, genutzt zu werden. Wir haben uns mit Herrn Matheis über seine täglichen Herausforderungen und Pläne für die Zukunft unterhalten.

Herr Matheis, was treibt Sie an, sich mit dem Müll der Anderen zu beschäftigen?

Thomas Matheis: Vieles was täglich auf den Mülldeponien dieser Welt landet, ist zu wertvoll, um verschwendet zu werden. Auf der anderen Seite ist die Rohstoffsituation in der produzierenden chemischen Industrie angespannt, Lieferzeiten und Preise können oft nicht mehr eingehalten werden. Es ist höchste Zeit, nach neuen Rohstoffquellen Ausschau zu halten. Industriemüll, Elektroschrott, Kunststoffabfälle, Altöl sowie Altreifen auf den Schrottplätzen, Müllhalden und Deponien dieser Erde, bieten ein großes Potential. Um diese Ressourcen nutzen zu können, müssen neue Wege beschritten werden.

Sie haben sich bereits vor über 25 Jahren in ihrem Studium auf Altölraffination und Basisölherstellung spezialisiert. Inzwischen haben Sie Ihr Angebot auf das Recycling von Kunststoffen ausgeweitet. Wo schlummern Ihrer Meinung nach die wertvollsten Ressourcen?

Matheis: Die beachtlichsten Rohstoffquellen liegen ganz klar in dem Bereich, der gerade als „Urban Mining“ propagiert wird, sprich im Recycling von Seltenerden, Katalysatoren, Lithium, Edelmetallen, Solarzellen und Kupfer aus der Halbleiterindustrie. Dies sind alles Ressourcen, die wir dringend auf dem deutschen Rohstoffmarkt zur Herstellung von Elektronik-Konsumgütern und Bauteilen unter anderem für Batterien benötigen. In diesem Bereich sind wir in Deutschland stark von anderen Ländern abhängig und würden dringend mehr Sicherheit in der Rohstoffverfügbarkeit brauchen.

Sie haben bereits zahlreiche Anlagen im In- und Ausland aufgebaut, in Betrieb genommen und betrieben. Welches sind die häufigsten technischen Probleme, mit denen Sie in Ihrem beruflichen Alltag konfrontiert werden?

Matheis: Es ist meiner Meinung nach wichtig, beim Einkauf auf robuste Technik zu setzen und gute Lieferanten zu wählen, deren Designs und Materialauswahl von A bis Z zu prüfen. Es hilft, dabei auf erfahrene Kolleginnen und Kollegen im Betrieb und in der Wartung zu hören, denn es schützt vor unnötigen und kostspieligen Schwierigkeiten. Dies sollte eigentlich als Sozialkompetenz-Vorlesung ins Ingenieursstudium integriert werden. Dann gäbe es auch weniger Probleme mit einem Generationenkonflikt oder einem etwaigen Wissensverlust in den Firmen.

Welche Rolle spielt der Umweltschutzgedanke bei Ihren Bestrebungen und was motiviert Sie bei allen Rückschlägen, doch immer wieder weiterzumachen?

Matheis: Die Umwelt ist bei neuen Projekten mindestens so wichtig wie Rentabilität und Durchführbarkeit. Dazu sehe ich mich als Ingenieur quasi verpflichtet, man könnte es als meinen „Hippokratischen Eid“ bezeichnen. Kollegen, die dies vernachlässigen, haben nicht verstanden, was ganzheitliche Prozessplanung bedeutet. Es gibt kein Scoring für Umweltschutz in der Managementbewertung oder in der Projektplanung. Es obliegt immer noch dem ökologischen Engagement des Auftraggebers und seinem Willen, etwas mehr zu investieren. Dies ist meine Suche nach dem Stein der Weisen im Bezug auf meine Projekte und deshalb lautet mein Leitgedanke: Wie ganzheitlich kann ich die Engineering-Aufgabe – vom ersten Gespräch bis zur letzten Schraube und der Schulung des Betriebspersonals – lösen, um den Prozess in allen Facetten bestmöglich zu realisieren.

Die deutsche und europäische Gesetzgebung sowie REACH stellen Sie und Ihre Kollegen immer wieder vor Herausforderungen. Für wie wichtig halten Sie diese Art der Regulierung der chemischen Industrie?

Matheis: Die Adaption der Ausnahme § 2 Artikel 7d in der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH) auf Bundes- und Europa-Ebene, dass Recycling-Basisöle bei nachweislicher Stoffidentität zu einem REACH-zertifizierten, jungfräulichen Erstraffinat einen absolut identischen Rohstoff – ohne jegliche Einschränkung – darstellen, gab dem Gremium und seinen Zweitraffinerien für Motorenaltöl-Raffination nach Jahrzehnten des Kampfes um Qualitätsakzeptanz erstmals die Möglichkeit, anerkannt zu werden. Auch das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) ist inzwischen zu einem gut anzuwendenden Werkzeug geworden. Die Gefahr einer Überregulierung durch die Legislative oder Judikative in einem Bereich, den sie fachlich kaum abbilden können, bleibt jedoch immer.

Wie sehen Ihre weiteren Pläne aus? Auf welche Regionen der Welt wollen Sie sich als Nächstes konzentrieren?

Matheis: In Afrika gibt es unzählige Mülldeponien, die nur darauf warten, ausgeschöpft zu werden. Ich denke, dass die afrikanischen Länder sich in Zukunft zu globalen Playern entwickeln werden. Afrika ist reich an Rohstoffen und Arbeitskräften. Es werden jedoch Anlagen und Fachwissen dafür benötigt. Ich habe bereits verschiedene Pläne für Urban Mining entwickelt: Ich würde gerne weitere Altöl-Recycling-Raffinerien bauen, um gegen die Ölverschmutzung zu kämpfen. Außerdem Betriebsstandorte, um aus Altreifen Carbon Black herzustellen und Kunststoffe zu Olefinen zu recyceln. Ich möchte die Elektroschrott-Müllkippen zu Rohstoffzentren machen und so einen Gegenpol zu jedweder Rohstoffmacht im Seltenerdenbereich für eine bessere Balance in der Welt zu bilden. Vor allem aber bietet all dies lukrative Jobs und eine zukunftsorientierte Industrie, auf die Afrika seine Exzellenz aufbauen könnte. Dies könnte als gutes Modell für die Konsum- und Wegwerfgesellschaften dienen.

In Europa werden biologische Abfälle getrennt gesammelt. Wie lassen sich diese verwerten?

Matheis: Biologische Abfälle bieten weit mehr Möglichkeiten, als wir bislang nutzen. Ich arbeite auch hier an verschiedenen Verfahren, z.B. um E-Fuels günstiger herstellen zu können. In Deutschland wird Biomüll bislang üblicherweise als Kompost und Biogas weiter verwertet. In Kombination mit pyrogenem Kohlenstoff Terra Preta ließe sich eine noch fruchtbarere Erde herstellen. Außerdem kann ich mir vorstellen, durch Pyrolyse der Biogase die Wasserstofferzeugung voranzu bringen und als Beiprodukt Graphen für Hochleistungsbatterien zu produzieren. Vermutlich wird man mich belächeln und sagen, dass für all dieses Pläne zwei Leben nicht genügen würden.

Eine letzte Frage: Wie wichtig ist Teamgeist bei der Akquise, Planung und Durchführung neuer Projekte?

Matheis: Ohne ein Team bist du nichts. Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich einen Kreis großartiger Kolleginnen und Kollegen um mich vereinen konnte. Wir haben die gleichen Ziele vor Augen, sprechen unsere Aufgaben ab und handeln koordiniert. Egal, ob es der Monteur in der Fertigung oder die Buchhalterin im Accounting, die Ingenieure, die sich um die Genehmigungen kümmern, die Konstrukteure, die Kollegen im Controlling bis hin zum Geschäftsführer agieren wir gemeinsam und begegnen uns auf Augenhöhe. Ich bin dankbar und stolz sie meine Freunde und Geschäftspartner nennen zu dürfen und freue mich auf die gemeinsame Zukunft.

Was ist Urban Mining?

„Urban Mining“ bzw. „Stadtschürfung“ umschreibt die Tatsache, dass der städtische Bereich eine riesige Rohstofflagerstätte darstellt. Schrott wird bereits seit vielen Jahren von der Recycling-Industrie immer wieder zu neuem Metall verarbeitet. Auch mineralische Abfälle wie Bauschutt werden nach entsprechender Aufbereitung wiederverwendet. Das Recycling von Glas, Papier und Kunststoffabfällen gehört ebenso zum „Urban Mining“. Die städtischen Rohstofflager bieten jedoch darüber hinaus weitere wertvolle Ressourcen, wie Seltenerden oder Edelmetalle aus Handys und Katalysatoren, Lithium aus Batterien und Akkumulatoren sowie Kupfer aus der Halbleiterindustrie etc.

Themenseite Kreislaufwirtschaft

Kurzprofil Thomas Mattheis

Thomas Matheis konzentriert sich als Chemieingenieur auf das Rückführen wertvoller Ressourcen in den Stoffkreislauf. Nach dem Studium der Chemie war er zunächst als Verfahrensingenieur und Laborleiter bei einer deutschen Mineralölraffinerie tätig, bevor er sich im Bereich Kreislaufwirtschaft als Projektingenieur und Berater selbstständig gemacht hat. Neben der Konzeption und dem Bau von Anlagen, unter anderem für Ölrecycling und Altreifen- und Kunststoffthermolyse, hat sich Matheis auf die Stoffveredlung wie die Entschwefelung und das Entchloren wiederverwertbarer Rohstoffe spezialisiert. Inzwischen hat er zusammen mit seinem Team mehrere Anlagen im Bereich Plastikthermolyse und Öldestillation konzipiert, gebaut und in Betrieb genommen. Er bringt Erfahrung im Bereich Recycling-Forschung und Genehmigungsbetreuung mit und befasst sich mit Themen wie Waste-to-Energy sowie der Wasserstofferzeugung aus Biogas und Pyrogas.

Vita Thomas Matheis

 

Autorin: Jasmin Qaud-Taher, freie Fachjournalistin für prozesstechnik-online.de

 

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