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Altreifen komplett recycelt

Geschlossener Wertstoffkreislauf für Carbon Black
Altreifen komplett recycelt

Allein in Deutschland fallen jährlich rund 630 000 t Altreifen an, EU-weit sind es 3,2 Mio. t und in den USA sogar 4,4 Mio. t. Die stoffliche Verwertung der Altreifen verläuft jedoch nicht ökonomisch. Altreifengranulat wird in der Zementindustrie verbrannt oder anderweitig verwertet und weltweit landet ein großer Teil immer noch auf Deponien. Zeppelin und Pyrolyx ist es nun gelungen, ein geschlossenes Kreislaufsystem für die Altreifenverwertung zu entwickeln.

Autor Rolf-Hendrik Arens Vice President Communications & Investor Relations, Pyrolyx

Die Entsorgung von Altreifen ist problematisch. In der EU ist die Deponierung von Altreifen schon seit längerer Zeit verboten. Trotzdem landen noch rund 4 % der Altreifen in der EU auf der Deponie oder werden anderswo illegal entsorgt. Weltweit ist dieses Problem noch weitaus größer. Auch die bisher vielfach angewandte Praxis, Altreifen als Brennstoff zu verwenden, ist wenig sinnvoll. Für neue Reifen müssen die Ausgangsstoffe, also Kautschuk und Öl zur Produktion von synthetischem Kautschuk und Industrieruß, das sogenannte Carbon Black, immer wieder neu gewonnen werden. Doch wie lange werden die Kohlenstoff-, Metall- und Energiequellen noch reichen? Werden Altreifen als Granulate für Böden oder als Beimischung zu Asphalt verwendet, wird der Ressourcenverbrauch ebenfalls nicht reduziert. Nur echtes Recycling, also Kreislaufsysteme, in denen Rohstoffe zirkulieren, zurückgewonnen und dem Kreislauf wieder zugeführt werden, kann den Verbrauch reduzieren.
Wertvolle Rohstoffe
Pyrolyx hat sich vor einigen Jahren zum Ziel gesetzt, den Verwertungskreislauf zu schließen. Dies ist nicht nur ökologisch interessant, sondern auch wirtschaftlich. Jeder Pkw-Reifen enthält ca. 2 bis 3 kg Carbon Black. Carbon Black dient vielen Industriebereichen als Grundstoff, etwa zur Farbstoff-, Reifen- und Gummiherstellung sowie zur Kunststoffproduktion. Experten rechnen mit einem jährlichen Marktwachstum von mindestens 4 %. Allein für 2011 ergab sich ein weltweiter Bedarf von 11 Mio. t. Die Kosten für diesen technischen Ruß liegen bei ca. 1200 Euro/t, je nach Qualität und Ölpreis, denn für jede Tonne Carbon Black müssen ca. 1,7 t fossile Brennstoffe, also Öl und Gas, aufgewendet werden.
Bisher war die Rückgewinnung von Carbon Black aus dem Produkt, für das es anschließend verwendet wurde, nicht in einem kontinuierlichen Verfahren mit einem geschlossenen Wertstoffkreislauf möglich. Viele Entwickler und Ingenieure haben bereits vergeblich versucht, diesen wertvollen Bestandteil aus Altreifen zurückzugewinnen, der Produktion von Gummiprodukten wieder zuzuführen und damit den Kreislauf zu schließen. In einer industriellen Pilotanlage, die Pyrolyx mit dem Projektpartner Zeppelin Systems in Holland gebaut hat, ist es gelungen, im großtechnischen Maßstab Öl, Gas und vor allem hochwertiges Carbon Black aus Altreifen zurückzugewinnen.
Zweistufige Aufbereitung
Mithilfe des Pyrolyxverfahrens lässt sich Altreifengranulat in industriell nutzbare Rohstoffe zerlegen und ein qualitativ hochwertiges Carbon Black erzeugen. Die Pyrolyxtechnologie kombiniert hierzu die beiden Verfahren Pyrolyse und Depolymerisation. In der ersten Recyclingstufe, dem Zerkleinern und Schreddern von Reifen und der Abtrennung und Wiederverwertung von Stahl und Cord wird das Gummigranulat erzeugt. Dies ist der Rohstoff für die Recyclinganlage. Es wird ausschließlich handelsübliches Granulat eingesetzt, das aus Altreifen hergestellt und bei etablierten Rohstofflieferanten eingekauft wird.
Beim Pyrolyxverfahren werden dann unter Sauerstoffausschluss organische Verbindungen im vulkanisierten Gummigranulat bei Temperaturen zwischen 350 und 700 °C gelöst. Über mehrere Stunden bleibt das Material in der Anlage, die in Zonen mit verschiedenen Temperatur- und Verarbeitungszuständen unterteilt ist. Leitet man die dort freigesetzten Gase durch einen Kondensator, verflüssigen sich ihre dampfförmigen organischen Komponenten, die dann als Öle in verschiedenen Fraktionen ausgetragen werden. Der Anteil und die Zusammensetzung der Fraktionen sind abhängig von der Temperatur, der Verweilzeit sowie dem exakten Verarbeitungsprozess. Sie können als wertvoller Grundstoff verkauft, weiterverarbeitet oder als Energieträger bei der Herstellung weiteren Carbon Blacks verwendet werden. Die von den kondensierbaren Bestandteilen befreiten Gase haben eine mit Erdgas vergleichbare Qualität und werden zur Verstromung genutzt. Am Austritt der Vorrichtung bleibt schließlich Carbon Black als Feststoff zurück. Das gewonnene Carbon Black wird in eine Kühlstrecke geleitet und dort auf eine Temperatur von ca. 50 °C abgekühlt. Von dort aus gelangt es in Silos und wird in Mühlen auf eine Partikelgröße von weniger als 5 µm vermahlen. Anschließend wird es in handelsüblicher Form konfektioniert.
Auf Herz und Nieren geprüft
Bereits Ende 2009 führte Bayer Technology Services in Leverkusen eine detaillierte Due Diligence zur Pyrolyxtechnologie durch. Dabei testierten die Experten der Technologie eine hohe Marktfähigkeit ohne Abstriche. Alle Endprodukte des Verfahrens seien nachhaltige Wertstoffe, die ausgezeichnet weiterverarbeitet werden könnten. Das wiedergewonnene Carbon Black erfülle die Standards klassischer Carbon-Black-Varianten und überzeuge zusätzlich durch besonders geringe Schadstoffbelastung. Als Füllstoff sei es perfekt in der Gummi- und Kunststoffindustrie einsetzbar. Die Herstellungskosten von Pyrolyx-Carbon-Black lägen unter denjenigen klassisch hergestellter Carbon-Black-Arten, die darüber hinaus maßgeblich vom Ölpreis abhängig sind.
Seit 2012 führt Pyrolyx umfangreiche Kapazitäts- und Qualitätstestreihen an der eigens konstruierten Anlage in Drunen, Niederlande, durch. Diese erste Testanlage wurde zur vollkontinuierlichen Produktion von Carbon Black entwickelt. Bei den abgeschlossenen Testreihen wurden die hohen Erwartungen in Bezug auf die Kapazität, das Energiemanagement und den Output sowie die gleichbleibende Qualität des gewonnenen Carbon Black sichergestellt.
Internationale Reifenhersteller haben nach umfangreichen Testläufen ebenfalls die grundsätzliche Verwendbarkeit und die Qualität des Pyrolyx-Carbon-Blacks bestätigt. Bei Continental wurden die Testreihen mit dem Pyrolyx-Carbon-Black als Beimischung zu einer neuen Reifengeneration vielversprechend abgeschlossen, wie der CEO der Pyrolyx AG, Niels Raeder bestätigt. Die Ergebnisse der Indoor-Testreihen werden nun in einem großangelegten Feldversuch weitergeführt. Diese breit angelegte Untersuchung des Herstellers soll zu einem späteren Zeitpunkt in eine Serienproduktion von Reifen mit Pyrolyx-Carbon-Black-Anteilen führen. Zeppelin Systems bietet den schlüsselfertigen Bau dieser Anlagen nach dem Pyrolyx-Verfahren an.
prozesstechnik-online.de/cav0314469

Nachhaltiger Kreislauf

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Nachgefragt

cav: Herr Veit, warum hat sich Zeppelin Systems schon in einem sehr frühen Stadium für die Pyrolyxtechnologie engagiert?
Veit: Für mich persönlich ist klar, dass in spätestens zehn Jahren der geschlossene Kreislauf beim Reifenrecycling genauso selbstverständlich sein wird, wie er heute für das Papierrecycling oder Kunststoffrecycling schon ist. Auch die ersten Recyclingpapiere oder die ersten recycelten Kunststoffe wurden anfangs infrage gestellt. Heute denkt darüber niemand mehr nach. Zeppelin ist bereits heute ein Insider der Reifenbranche. Hier drängt es sich nahezu auf, mit unserer Präsenz am Markt und unserer Technologie und Wissen aus der Reifenproduktion zu helfen, einen ökologisch und ökonomisch nachhaltigen Kreislauf zu schließen.
cav: Welche Leistungen erbringt Zeppelin Systems bei der Planung und der Errichtung der ersten kommerziellen Anlage?
Veit: Zeppelin baut als Generalübernehmer die gesamte Anlage von der Rohstoffannahmer bis zur Bereitstellung des verkaufsfertigen Produkts. Wir stellen sicher, dass die Anlage den Anforderungen an eine moderne Prozessanlage genügt und betreuen das Projekt bis zur erfolgreichen Produktion des verkaufsfähigen Produkts.
cav: Welchen Entwicklungsanteil hat ihr Unternehmen am Druchbruch des Pyrolyxverfahrens?
Veit: Zeppelin hat mit seiner Erfahrung im Anlagenbau geholfen, die Technologie im Pilotmaßstab in ein großtechnisches Verfahren weiterzuentwickeln. Anschließend wurde mit der Pilotanlage in Hollan im originalen Maßstab die Skalierbarkeit des Verfahrens und die Qualität des Rußes nachgewiesen. Diese erfolgreichen Schritte haben das Vertrauen und die Erfahrung geschaffen, nun eine erste kommerzielle Anlage zu planen.
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