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Angebot und Wahrheit

Gebläse-Leistungsdaten
Angebot und Wahrheit

Angebote zu Gebläsen sind oftmals leider alles andere als transparent.Kennzahlen sind nicht klar definiert, der eigentliche Lieferumfang nichtkomplett abgebildet. Wer nicht kritisch vergleicht, zahlt am Ende mehrals erwartet.

Wer seine Gebläsestation neu einrichten oder modernisieren möchte, sollte auf einige Punkte achten, um am Ende keine unerwartet hohe Stromrechnung zu bekommen. Je nachdem, welche Leistungsdaten ursprünglich betrachtet wurden, kann der tatsächliche Energieverbrauch bis zu 20 % höher liegen als prognostiziert. Um dies zu vermeiden, müssen die Bedarfe in den Anfragen richtig dargestellt und die eingehenden Angebote vor einer Kaufentscheidung komplett, realistisch und qualifiziert beurteilt werden.

Im Bereich der Verdichtertechnik gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Kennzahlen zum Vergleich der Energieeffizienz der Prozesse und Maschinen, was dazu führt, dass häufig unwissentlich Äpfel mit Birnen verglichen werden. Alleine schon der Wirkungsgrad ist nicht gleich Wirkungsgrad. So gibt es unter anderem einen isentropen, einen isochoren, einen mechanischen, einen Gesamtwirkungsgrad und viele mehr. Nicht anders sieht es beim Luftstrom aus – Liefermenge, Massenstrom, Volumenstrom unter Ein-, Austritts- oder Normbedingungen usw. Für Laien ist es mitunter schwierig, einen objektiven Vergleich vorzunehmen. Im Detail bleibt dann oft vieles unklar. Was genau wurde gemessen? Wo wurde gemessen? Wie wurde gemessen? Wurden alle Verluste bzw. Energieverbraucher lückenlos mit einbezogen? Dies alles sind Fragen, die gestellt werden müssen, weil diese Aspekte für die Beurteilung der Energieeffizienz der später komplett installierten Maschine entscheidend sind.
Aussagekräftige Kennzahlen verwenden
In der Druckluftbranche wird seit Jahrzehnten die ISO 1217:2009 bei Verdrängerverdichtern angewendet, um den Angebots- und Lieferumfang in puncto Leistung und Volumenstrom objektiv zu vergleichen. Diese, wie auch andere Normen bilden zwar den aktuellen Stand der Technik ab, jedoch ist deren Anwendung nicht rechtsverbindlich. So fand die ISO 1217:2009 im Niederdruckbereich, in dem Drehkolben- und Schraubengebläse eingesetzt werden, bisher noch kaum Anwendung, obwohl deren Nutzen hier mindestens ebenso hoch ist.
Anhang B der Norm beschreibt die Messung des Verdichterblocks, Anhang C elektrisch angetriebene Verdichter als komplette Baueinheit (im Sinne der Maschinenrichtlinie eine vollständige, einschaltbereite Maschine mit Konformitätserklärung IIA) und Anhang E deren Ausprägung als drehzahlvariable Maschine – zum Beispiel mit Frequenzumrichter.
Zunächst werden in dieser ISO die physikalischen Größen und deren Bezugspunkte beschrieben; z. B. sollen die Ein- und Austrittsparameter wie Druck und Temperatur auf den realen Eintritt/Austritt der kompletten Baueinheit beziehungsweise deren Übergabestellen bezogen sein und nicht irgendwo innerhalb der Maschine gemessen werden. Durch die genaue Festlegung des Messverfahrens zur Ermittlung der effektiven Liefermenge ist zudem sichergestellt, dass alle Einflüsse berücksichtigt werden, die den tatsächlich nutzbaren Volumen- bzw. Massenstrom an Luft mindern können, wie zum Beispiel innerhalb der Schalldämmhaube vorgewärmte Ansaugluft. Die zulässigen Abweichungen der physikalischen Größen zwischen Messbedingungen und Vertragsbedingungen werden ebenfalls quantifiziert, wie schließlich auch die zulässige Toleranz der ermittelten Leistungsdaten und deren Umrechnung auf Vertragsbedingungen.
Wesentliche Aussage der ISO 1217:2009 ist, dass eine ISO-konform gemessene Maschine hinsichtlich der angebotenen und tatsächlich erbrachten Liefermenge (nutzbarer Volumenstrom) und der spezifischen Leistung, je nach Maschinengröße, um nicht mehr als 4 bzw. 5 % abweichen darf. Der spezifischen Leistung kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu, drückt diese doch die aufgenommene Leistung im Verhältnis zum erbrachten Volumenstrom aus – also kW pro m³/h.
Garantiewerte verlangen
Sicherheit beim Kauf eines Drehkolben-, Schraubengebläses oder auch anderen Kompressoren verschaffen Garantiewerte im Angebot. Größere Maschinenhersteller bieten in der Regel an, im Werk die Leistungsdaten durch eine ISO-konforme Leistungsmessung im Beisein des Kunden zu verifizieren. Eine ausreichend genaue spätere Messung der Leistungsdaten vor Ort ist schwierig und aufwendig. Im Rahmen einer Leistungsmessung den Angebots- und Lieferumfang abzugleichen, Drücke, Volumenströme und Leistungsangaben den Schnittstellen richtig zuzuordnen, Messbedingungen zu kontrollieren und letztlich die ermittelten Abweichungen zu berechnen ist anspruchsvoll – im Zweifelsfall kann man hier auf die Dienstleistung einer technischen Überwachungsorganisation wie z. B. des TÜV Süd Industrie Service GmbH Dampf- und Drucktechnik zurückgreifen. Nur wer eine komplette Maschine angeboten bekommt, kann beurteilen, was ihn die Anlage am Ende wirklich kosten wird. Deshalb empfiehlt es sich zu verlangen, dass der Lieferumfang lückenlos gelistet und die angebotenen Leistungswerte den jeweiligen Komponenten genau zugeordnet werden.
Auch beim Druck ist Vorsicht geboten. Ist zum Beispiel der veranschlagte Auslegungsdruck eines Verdichters infolge üppig geplanter Druckreserven wesentlich höher als der tatsächliche Betriebsdruck, so ist nicht nur die Energiebilanzierung falsch, sondern es kann dann auch bei Maschinen mit innerer Verdichtung unter realen Bedingungen zu ungewollter Überverdichtung kommen. Diese verschlingt nicht nur unnötig mehr Energie, sondern äußert sich unter Umständen auch lautstark in erhöhtem Fluidschall. Natürlich muss bei schwankendem Luftbedarf auch der erwartete Liefermengenbereich in der Anfrage mit angegeben werden. Erst wenn die Rahmenbedingungen klar sind, geht es daran, Angebote einzuholen.
Angebotsvergleich
Im Rahmen des Angebotsvergleichs gilt es zunächst herauszufinden, wo genau sich die Schnitt- bzw. Übergabestellen der Prozessluft und der elektrischen Leistung befinden, auf die sich die Angebotswerte beziehen. Nicht alle Hersteller listen immer lückenlos die Werte des avisierten Lieferumfangs, sondern geben zum Beispiel nur die aufgenommene Leistung des Kompressorblocks an, obwohl letztlich eine komplette Maschine geliefert wird und sich die eigentlichen Schnittstellen der Prozessluftübergabe und Aufnahmeleistung an anderer Stelle befinden.
Auf dem Weg von der Kupplungsleistung an der Kompressorwelle bis hin zur gesamten elektrischen Anschlussleistung liegen diverse, oft versteckte Energieverbraucher: mechanische Verluste bei der Kraftübertragung mittels Keilriemen oder Getriebe, Druckverluste in strömungsführenden Komponenten (Schalldämpfer, Rückschlagklappen, Filter, etc.) sowie die zusätzliche elektrische Leistung von Nebenaggregaten wie Ölpumpen, Ventilatoren, Vakuumpumpen usw.. Kommt noch ein Frequenzumrichter zum Einsatz, so ist dessen Wirkungsgrad und insbesondere die nicht unerhebliche Minderung des Motorwirkungsgrades durch die Spannungsumrichtung mit in die Betrachtung einzubeziehen – als Eingangsleistung an den Klemmen des Umrichters. Die Effizienz der Maschinen schwankt außerdem zwischen Teil- und Volllastbetrieb – ein Grund, weshalb die ISO 1217 im Anhang E für drehzahlvariable Maschinen fünf Messpunkte über deren gesamten Regelbereich fordert. Dies hilft zu verhindern, dass die Prognose des Energieverbrauchs in den geplanten Betriebspunkten und Betriebszeiträumen auf unrealistischen Leistungsdaten basiert.
Mag zunächst ein objektiver Vergleich für planende Ingenieure oder Betreiber, die sich mit der Auswahl des richtigen Kompressors verantwortungsvoll auseinandersetzen wollen, mehr Arbeit und gegebenenfalls auch Kostenaufwand für Abnahmemessungen bedeuten, so ist dies jedoch in jedem Fall lohnenswert. Der Verdichter soll über eine Dauer von 10, 15, 20 oder mehr Jahren möglichst routiniert seinen Dienst leisten – unauffällig in puncto Schallemission, Instandhaltung und auch bei der Stromrechnung. Kurzum, jeder Planer und Betreiber ist gut beraten, die ISO 1217:2009-Annex C beziehungsweise E zur Vertragsgrundlage zu machen und die erbrachten Leistungswerte möglichst noch im Herstellerwerk fachkundig verifizieren zu lassen.

Marcus Jungkunst
Produktsupport, Kaeser Kompressoren

Daniela Koehler
Pressesprecherin, Kaeser Kompressoren
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