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Nie mehr ohne Feldbus

Verbundanlagen zeigen den Nutzen von Profibus PA für Prozessqualität und Anlagenverfügbarkeit
Nie mehr ohne Feldbus

Anlagen zur Herstellung von aktiven Füllstoffen wie z. B. Aerosil werden häufig in direktem Verbund mit anderen Anlagen betrieben, die die Rohstoffe liefern bzw. das Produkt weiter verarbeiten. Dieses Konzept stellt besonders hohe Anforderungen an die Anlagentechnik bezüglich Betriebssicherheit und Prozessqualität. Über mehrere Anlagen hinweg hat die Degussa die Eignung der Feldbustechnik und speziell von Profibus PA für diese anspruchsvolle Aufgabe erprobt und ausführliche Erfahrungen gesammelt.

Dr. Andreas Schröder, Dr. Harald Troll, Dr. Volker Oestreich

Bereits 1943 fertigte die Degussa erstmals pyrogene Kieselsäure als Ersatz für Industrieruße und meldete dafür den Handelsnamen Aerosil an. Heute ist das Geschäftsgebiet Aerosile & Silane der Degussa weltweit vertreten und Marktführer mit seinen hochwertigen Produkten und Technologien. Aerosil ist pulverförmiges SiO2 in einer Vielzahl spezifischer Varianten und dient vor allem als Additiv. Es findet sich beispielsweise in Fundamenten von Gebäuden oder Silikondichtungen ebenso wie in Isoliermaterialien oder Farben.
Wachsende Nachfrage führte zu einer kontinuierlichen Expansion der Produktionskapazitäten durch erweiterte und neue Anlagen. Das Degussa-Geschäftsgebiet hat bei diesen Neuanlagen schon frühzeitig den Einsatz der Feldbustechnik geprüft, deren Vorzüge erkannt und die Einführung beschlossen. Besondere Beweggründe waren dabei der Wunsch nach hoher Anlagenverfügbarkeit und mehr Informationen aus dem Prozess bei insgesamt niedrigeren Kosten. Die Entscheidung über das Bussystem fiel zugunsten von Profibus. Seit dem Jahr 2000 bis heute wurden bereits mehrere Anlagen (Tabelle 1) mit Profibus PA realisiert.
Hohe Anforderungen an die Anlagentechnik
Aus wirtschaftlichen Gründen (Prinzip der kurzen Wege) werden Aerosil-Anlagen bevorzugt in engem lokalen Verbund mit anderen Anlagen betrieben, die jeweils die Rohstoffe bereitstellen bzw. das Produkt direkt vor Ort weiterverarbeiten.
Ein Beispiel hierfür ist eine Anlage in Leverkusen (Bild 1), die von der Degussa im Chemiepark der Bayer AG im Verbund mit zwei Anlagen eines Kunden und der Bayer AG betrieben wird (Bild 2). Die Anlage „Kunde I“ liefert, als Nebenprodukte ihrer eigenen Produktion, die Chlorsilane und Schwachsäure, während H2, NaOH u.a. vom Chemiepark bereitgestellt werden. Das produzierte Aerosil wird in der Anlage „Kunde II“ direkt zur Weiterverarbeitung eingesetzt und das Nebenprodukt Starksäure wird in die Anlage von Kunde I zurückgeführt. Dieses Verbundprinzip stellt besonders hohe Anforderungen an Verfügbarkeit und Prozessqualität der Aerosil-Anlage, da Unterbrechungen der Produktion oder Schwankungen der Produktqualität sehr schnell auch den Betrieb der miteinander verbundenen Anlagen behindern würden. Deshalb müssen in der Mess- und Regelungstechnik entsprechende Vorkehrungen für eine hohe Anlagenverfügbarkeit getroffen werden. Ein Beispiel hierfür ist – angesichts der Druckempfindlichkeit des Verfahrens – die besonders genaue Überwachung der Druckverhältnisse in der Kolonne.
Die Entscheidung für Profibus PA als Feldbussystem war also, neben dem Aspekt der häufig an erster Stelle genannten einfacheren und kostengünstigeren Verkabelung, vor allem mit folgenden Erwartungen verbunden:
  • den Verfahrensablauf besonders gut zu überwachen und zu optimieren
  • die Produktqualität hoch und konstant zu halten
  • durch aufwendungsarmen Gerätetausch und Parametrierung hohe Anlagenverfügbarkeit zu erhalten
Diese Erwartungen wurden bereits bei der ersten Anlage erfüllt, wobei im weiteren Verlauf von Anlage zu Anlage bei Anwendern und Herstellern eine Erfahrungskurve durchlaufen wurde, die zu immer mehr Vertrauen in diese Technologie geführt hat. Dadurch wurde auch die geschäftspolitisch bedeutsame Entscheidung ermöglicht, mit dieser Technologie die Anlagen für die Aerosil-Herstellung erstmals auf fremde Standorte zu verlagern, bei denen die Degussa keine eigene Infrastruktur für Betrieb und Wartung der Anlagen besitzt. Damit konnte die Degussa ihr Solutions-to-Customers-Konzept erfolgreich weiter ausbauen: Im engen Zusammenspiel mit den Kunden wird ein reibungsloser Produktionsprozess etabliert, bei dem Wirtschaftlichkeit und gleich bleibende Qualität wesentlich für den unternehmerischen Erfolg sind.
Profibus und Profibus PA
Profibus ist modular aufgebaut und enthält, bei Verwendung eines einzigen Kommunikationsprotokolls, verschiedene Bausteine für Übertragungstechnik, Applikation und Gerätemanagement. Profibus PA ist die aus solchen Modulen aufgebaute typische Kombination für die Prozessautomatisierung.
Über die bekannten technologischen Vorzüge der Feldbustechnik (Nutzung von Feldgeräteintelligenz, digitale Messwerte, einfache Anlagentopologie, reduzierten Aufwand für Engineering, Verkabelung, Montage, Dokumentation u.a.) hinaus, bietet Profibus PA dem Anwender zusätzlich:
  • Verwendung der Schnittstelle MBP (Manchester coded, bus powered) und vor allem deren eigensichere Variante MBP-IS zur Speisung der Feldgeräte über die zwei Adern des Buskabels
  • Verwendung des Profibus-Applikationsprofils PA devices in den Feldgeräten, wodurch typische Parameter und Funktionen der Prozesstechnik von allen Feldgeräten am Bus in gleicher Weise berücksichtigt werden
  • Verwendung umfangreicher Diagnose-informationen aus den Feldgeräten als wichtige Beiträge zu vorbeugender Wartung oder für Asset Management
Aerosil-Anlagen mit Profibus PA
Alle Anlagen gemäß Tabelle 1 sind einander ähnlich und nutzen die jeweils gemachten Erfahrungen der Vorgänger. Die Anlagen sind in einer Mischung aus Profi- bus PA und konventioneller Technik aufgebaut, was keinerlei Schwierigkeiten bereitet hat. Als Leitsystem wird PCS 7 eingesetzt, das Gerätemanagement erfolgt über Simatic PDM.
Mehrere Anlagen in dichter Folge neu planen, errichten und betreiben, das ergibt eine realistische Erfahrungskurve über das Leistungsvermögen der dabei eingesetzten neuen Technologie und den resultierenden Anwendernutzen. Zusätzlich werden auch die Voraussetzungen deutlich, die bei Anwendern und Herstellern zur Nutzung der technologischen Möglichkeiten gegeben sein müssen.
Einige Fakten aus der Erfahrungskurve, die zugleich auch den Anwendernutzen darstellen, werden im Folgenden dargestellt.
Topologie, Planung, Montage
Die Feldbustechnik mit ihrer einfachen Topologie und gegenüber konventioneller Technik weniger Geräten und einfacheren Signalläufen kann den Planungs- und Dokumentationsaufwand für die Messtechnik reduzieren. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die räumliche Anordnung der Geräte mit der dafür günstigsten Topologie (möglichst kurze Stichleitungen) bereits bei der Planung voll berücksichtigt wird.
Für PA-Geräte können die aufwändigen Messkreiszeichnungen durch sehr einfache Darstellungen ersetzt werden, da außer dem Buskabel keine weiteren Kabelverbindungen mehr existieren. Der Dokumentationsumfang kann damit erheblich reduziert werden.
Die Montage ist vom Umfang her stark reduziert, erfordert jedoch wegen des dafür häufig eingesetzten ungeschulten Personals von Fremdfirmen eine besondere Aufmerksamkeit. Bestimmte Regeln, z. B. bei Klemmentechnik, Erdung oder Schirmung, müssen konsequent eingehalten werden.
Feldgeräte
Die breite Auswahl an PA-Geräten war von Anfang an ein wichtiges Argument bei der Entscheidung für Profibus. Sie erleichtert die Planung, da auf bekannte und bewährte Gerätetypen verschiedener Hersteller zurückgegriffen werden kann (Bild 3). Heute ist die Auswahl noch größer geworden und die bei Profilstand 2.0 gelegentlich noch erforderlichen Anpassungen vor Ort gehören mit Profilstand 3.0 der Vergangenheit an.
Die Möglichkeit, ein Gerät bei Montage oder Austausch ohne Softwareeingriff bzw. andere spezielle Kenntnisse mittels Dipschaltern zu adressieren, ist für betriebsfremdes Personal und vor allem bei z. B. Bereitschaftseinsätzen ein sehr großer Vorteil.
Die Diagnosemöglichkeiten der PA-Geräte in Verbindung mit einem zentralen Gerätemanagement sind vielleicht das größte Potenzial von Profibus PA bezüglich eines konkreten Anwendernutzens. Hieraus resultieren schon heute beachtliche Vorteile für die Anlagenverfügbarkeit durch z. B. schnelles Lokalisieren und Austauschen von fehlerhaften Geräten. Der Nutzen wird noch weiter gesteigert werden (vorbeugende Wartung, Asset Management), wenn derzeit laufende Entwicklungen bezüglich spezifischer Auswertung und Aufbereitung der Diagnoseinformationen im Leitsystem abgeschlossen sind.
Die Verwendung digitaler Signale und leistungsfähiger Prozessoren in den Feldgeräten führt zu Geräten mit größeren Messbereichen und zum Teil mit mehreren Sensoren. Dadurch reduziert sich die Typenvielfalt ebenso wie die Zahl der erforderlichen Feldgeräte bei gleichzeitig mehr Informationen aus dem Prozess. Auch die Messgenauigkeit ist höher, wodurch zum einen kritische Parameter genauer gemessen und sicherer überwacht, zum anderen aber auch bestimmte, aufwändige Messprinzipien durch einfachere ersetzt werden können, z. B. Differenzdruck durch einfache Verrechnung zweier Absolutdruck-Messungen.
Zentraler Gerätezugriff
Eine sehr effektive Eigenschaft der Feldbustechnik ist die Möglichkeit, vom Engineeringsystem oder einem Stand-alone-Tool zentral auf die Feldgeräte und ihre Intelligenz zugreifen zu können. Dadurch werden Aufgaben des Engineering oder der Wartung außerordentlich erleichtert. Eine Störung kann beispielsweise von der Warte aus lokalisiert, die Störungsursache aufgrund abgefragter Diagnosedaten eingegrenzt und ein eventuell nötiger Gerätetausch gezielt vorbereitet werden. Von Multifunktionsgeräten können bei Bedarf zusätzliche Informationen, die im Gerät vorhanden, am PLS aber nicht aufgelegt sind, unmittelbar abgerufen werden. Beispiele hierfür sind Temperaturwerte aus einem Drucktransmitter oder eine Dichtebestimmung im Massendurchflussmesser.
Fazit und Ausblick
Ziel war es, den Betrieb von Aerosil-Anlagen so sicher und qualitätsoptimiert zu gestalten, dass sie mit begrenztem Aufwand für Wartung, Ersatzteile u.a. auch an Standorten ohne Degussa-eigene Infrastruktur in Verbundprojekten betrieben werden können. Die Erwartungen an Profibus und speziell Profibus PA für die gestellte Aufgabe wurden voll erfüllt.
Bei Errichtung zukünftiger Anlagen wird aufgrund der geschilderten positiven Erfahrungen wieder Profibus in Betracht kommen. Dann werden für zusätzliche Anforderungen ergänzende, jedoch voll kompatible Profibus-Technologien verfügbar sein. Das ist mit z. B. Profisafe zur Bearbeitung normaler und sicherheitsrelevanter Aufgaben am gleichen Bus oder durch erweiterte Diagnosemöglichkeiten bereits heute abzusehen.
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