Bilfinger begreift die Instandhaltung als integrierter Bestandteil der Wertschöpfungskette und hat dafür die Instandhaltungsservices im Bilfinger Maintanance Concept (BMC) gebündelt. „Das BMC ist ein modulares, standartisiertes Instandhaltungskonzept, das für Industrieanlagen World-Class Maintenance bietet“, erläuterte Oliver Wichmann, Leiter Mobile Solutions der Bilfinger-Tochtergesellschaft, Bilfinger Maintenance GmbH, die Zielsetzung des BMC auf dem Bilfinger-Techniktag in Gersthofen. Das BMC gliedert sich in 16 Module und basiert auf Erfahrungswissen aus mehr als 400 Instandhaltungsanalysen sowie über 100 laufenden Partnerschaftsverträgen. Das Konzept wird passgenau auf die individuellen Kundenwünsche ausgerichtet und verfolgt zwei klare Ziele: Die Zuverlässigkeit der Anlagen zu steigern und gleichzeitig die Instandhaltungskosten zu optimieren.
Papierlose Störungsabwicklung
Im Zusammenhang mit dem BMC stellte Wichmann in Gersthofen eine mobile Lösung zur papierlosen Störungsabwicklung vor. „Unsere mobilen Lösungen bilden komplexe Sachverhalte sehr einfach und intuitiv ab und ermöglichen eine hochwertige Dokumentation in kurzer Zeit“, versprach er den anwesenden Instandhaltern. Ehemals papiergebundene Prozesse der Auftragsplanung und -abwicklung werden über die mobile Lösungsplattform Enginius digitalisiert und anwenderfreundlich gestaltet. Mitarbeiter in der Instandhaltung können damit auftragsbezogene Dokumentationen zeitsparend und lückenlos erstellen. Enginius beinhaltet ein Kundenportal, Planungswerkzeuge und mobile Anwendungen. Auftragsprozesse können unter Einbeziehung des Kunden komplett digital abgewickelt werden. Tritt beispielsweise eine Störung in einer Anlage auf, kann der Kunde dies über das Portal melden. Der verantwortliche Instandhaltungsplaner weist den entsprechenden Auftrag über das Planungswerkzeug einem Techniker zu, der die Störung beheben soll. Dieser erhält in Echtzeit auf seinem Smartphone oder Tablet die zugeteilte Aufgabe mit allen relevanten Arbeitsschritten. Sobald die Arbeit ausgeführt ist, wird dies wiederum in der mobilen Anwendung dokumentiert. Dadurch können sowohl Planer als auch Kunde sehen, dass die Störung behoben wurde.
Durch den Einsatz der mobilen Anwendungen entfallen redundante Arbeitsschritte. Da alle Dokumente im SAP-System hinterlegt werden, können Instandhalter und Kunde gleichermaßen darauf zugreifen. Dies betrifft nicht nur die Dokumentation der Instandhaltungsarbeiten, sondern auch die Dokumentation der Arbeitssicherheitsmaßnahmen. Denn die Apps beinhalten auch Arbeitssicherheitsfunktionen, die Daten aus dem Safety-Bereich zur Verfügung stellen und auf geeignete Schutzmaßnahmen hinweisen. Zudem können Mitarbeiter dort Gefährdungsbeurteilungen erstellen und Vorfälle melden.
Anlagendokumente digitalisieren
Um von den Vorteilen solcher mobilen Lösungen profitieren zu können, müssen die Anlagendaten digital vorliegen. Was bei Neuanlagen Standard ist, stellt sich in Bestandsanlagen oft als große Herausforderung dar. Die Übertragung von Anlagendokumenten ins digitale Format ist kostspielig und zeitraubend. Frank Bollenbach, Bilfinger Digital Next GmbH, stellte in Gersthofen ein Hilfsmittel zur Digitalisierung von R&I-Schemata vor. Die Pidgraph-Software wird vom Industriedienstleister derzeit zur Marktreife entwickelt. In einem ersten Schritt überführt Pidgraph Rohrleitungs- und Instrumentenfließschemata (Englisch: Piping and Instrumentation Diagrams – P&IDs) automatisch in eine intelligente digitale Variante. Ist bislang die erneute manuelle Erstellung der P&IDs nötig, so kann Pidgraph mit dem bereits vorhandenen Material als Basis arbeiten.
Künstliche Intelligenz spart Zeit
Möglich wird die Automatisierung der zeitaufwendigen Aufgabe durch den Einsatz künstlicher Intelligenz: Die Software liest ein R&I-Schema beispielsweise als Bilddatei ein und zerlegt dieses anschließend in sogenannte Knoten und Kanten. Auf Mustererkennung trainierte neuronale Netze identifizieren die verwendeten Symbole und setzen daraus ein digitales Gesamtbild des Schemas zusammen. Pidgraph merkt sich außerdem Korrekturen der Nutzer und passt seine Erkennung entsprechend an. Fehler lassen sich so in kurzer Zeit minimieren.
Die Bedienung erfolgt über eine Web-Oberfläche, in der sich R&I-Schemata als Bilddateien, PDFs und im DWG-Format hochladen lassen. Im Anschluss identifiziert Pidgraph Objekte, Tags und Tabellen und wandelt sie automatisch in XML-Dateien nach Dexpi-Standard um. Das sichert Kompatibilität mit gängigen CAE-Tools, in denen sich das digitale R&I-Schema weiterverarbeiten und bei Bedarf mit zusätzlichen Informationen und Dokumenten verknüpfen lässt.
Intelligente Datenanalyse
Die cloudbasierte Plattform BCAP (Bilfinger Connected Asset Performance) verbindet dann alle bislang isolierten Datenquellen. Informationen aus Engineering, Betrieb und Instandhaltung laufen darin koordiniert zusammen und lassen sich gezielt auswerten. Datenquellen sind etwa das Prozessleitsystem, die Produktionsplanung und Sensoren zur Anlagenüberwachung. Ein solcher Sensor wird auch der in der Entwicklung steckende Bilfinger Cognitive Sensor sein. Er erstellt einen akustischen Fingerabdruck einer Anlage oder Komponente, mit dem sich permantent der Zustand überwachen lässt.
Wissenstransfer per Videokanal
In eine ganz andere Richtung zielt die Wissensplattform Industrial Tube. Diese Plattform von Experten für Experten zielt darauf ab, das Wissen der Mitarbeiter zu bewahren und anderen Mitarbeitern zur Verfügung zu stellen. Das Prinzip ist simpel: Mitarbeiter benötigen lediglich ein Smartphone oder eine Datenbrille für die Aufnahmefunktion sowie die Industrial Tube App. Integrierte Vorlagen, die über die App eingespielt werden, geben ein Drehbuch vor, mit dem die Anwender schrittweise passende Aufnahmen machen. Im Anschluss überträgt die App das Videomaterial in die Cloud von Industrial Tube. Der Pilottest des Systems erfolgt derzeit an ausgewählten Bilfinger-Standorten, bevor die Wissensplattform für alle Nutzer im Konzern freigeschaltet wird. Im nächsten Schritt wird Bilfinger die Prozesskette aus Aufnahme, automatischer Verarbeitung und Bereitstellung in zwei Varianten anbieten. Zum einen als Software-as-a-Service, die Unternehmen ausschließlich für interne Zwecke nutzen können. Ferner ist ein offener Bereich geplant, für den die Nutzer keinerlei Login-Daten benötigen werden. Dann können beispielsweise auch Erstausrüster ihre Wartungsvideos einem breiten, aber nach fachlichem Interesse klar definierten Publikum zugänglich machen.
Suchwort: cav1218bilfinger
Daniela Held
Redakteurin