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Wachstumskonzept für Siebtechnik

Viele Bälle in der Luft halten
Wachstumskonzept für Siebtechnik

Er müsse gerade viele Bälle in der Luft halten, sagt Dr. Reinhard Scholz, der seit 2017 Geschäftsführer der Siebtechnik GmbH ist. Wir sprachen mit dem Mann, der das Traditionsunternehmen aus Mülheim an der Ruhr erfolgreich in die Zukunft führen möchte.

cav: Herr Dr. Scholz, Sie treten in die Fußstapfen von Karl Bongartz und Horst Dietschreit, die in der Branche einen sehr guten Ruf genießen und Siebtechnik über Jahre sehr erfolgreich geführt haben. Ist es nicht schwierig die Nachfolge von einem solchen Erfolgsduo anzutreten?

Dr. Reinhard Scholz: Natürlich habe ich Respekt vor der Leistung meiner Vorgänger und vor der neuen Aufgabe. Aber ich bin als Geschäftsführer nicht allein. An meiner Seite stehen zwei erfahrene Kollegen, die das Unternehmen seit langem führen. Außerdem komme ich ja nicht als Neuling. Ich verfüge über eine mehr als 25-jährige Erfahrung auf dem Gebiet der Fest-Flüssig-Trennung und dem dazugehörigen Anlagenbau. Bereits in der Vergangenheit habe ich durch meine unterschiedlichen Funktionen bei der GEA mit Siebtechnik als Lieferant zusammengearbeitet. Ich kenne also das Unternehmen und seine Marktbegleiter seit vielen Jahren.

cav: Was wollen Sie anders als Ihre Vorgänger machen?

Dr. Scholz: Ich werde den erfolgreichen Weg meiner Vorgänger fortsetzen. Allerdings habe ich mir die Fähigkeit bewahrt, als Außenstehender auf das Unternehmen zu schauen. Das hilft mir, in Diskussionen mit Kollegen kritische Fragen zu stellen und Entwicklungspotenziale für die Zukunft zu erkennen.

cav: Also, es gibt in einigen Punkten Handlungsbedarf.

Dr. Scholz: Wir haben insgesamt 20 strategische Initiativen definiert und priorisiert, die in den kommenden fünf Jahren abgearbeitet werden sollen. Verantwortlich für ihre Umsetzung sind die Abteilungsleiter.

cav: Fünf Jahre sind eine lange Zeit.

Dr. Scholz: Wir rufen ja keine Revolution aus. Allerdings braucht die gewissenhafte Umsetzung der strategischen Initiativen, die ja auch ineinandergreifen, Zeit und muss neben dem operativen Geschäft laufen. Deshalb haben wir uns für fünf Jahre entschieden.

cav: Welche wichtigen strategischen Initiativen beinhaltet Ihr Wachstumskonzept?

Dr. Scholz: Wir müssen als Erstes unsere Außenwirkung ändern. Viele unserer Kunden sehen Siebtechnik lediglich als einen Lieferanten von Zentrifugen. Wir sind aber ein Lösungsanbieter und wollen als solcher wahrgenommen werden. Daran müssen wir arbeiten. Des Weiteren muss Siebtechnik als deutsches Unternehmen auf die sich stetig ändernde globale Kundenstruktur reagieren. Früher waren lokale Unternehmen unser Kunden, die eine Zentrifuge oder einen Dekanter bei uns orderten. Heute werden etwa 60 % der Aufträge im internationalen Anlagenbau über EPC-Kontraktoren vergeben. Diese Engineering-Büros sitzen häufig in Korea, Taiwan oder den USA und realisieren Anlagen irgendwo auf der Welt. Unsere Aufgabe besteht also darin, unsere internationalen Vertriebsaktivitäten auf die Anforderungen der global agierenden EPC-Kontraktoren abzustimmen. Die müssen wissen, wer wir sind, was wir können und wo unsere Stärken im Vergleich zu unseren Wettbewerbern liegen. Eine weitere Initiative beinhaltet die Optimierung unserer Serviceorganisation.

cav: Woran wollen Sie in den kommenden fünf Jahren noch arbeiten?

Dr. Scholz: Siebtechnik ist eine Zentrifugenmanufaktur. Wir haben zehn verschiedene Zentrifugen- und Dekantertypen im Portfolio, die wir genau auf die Bedürfnisse des Kunden zuschneiden. Das ist sehr aufwendig und kostenintensiv. Vor diesem Hintergrund wollen wir – ähnlich wie das in der Automobilindustrie seit Jahren erfolgreich praktiziert wird – die Modularisierung unserer Maschinen über standardisierte Baugruppen vorantreiben, ohne dabei das Alleinstellungsmerkmal einer Zentrifugen-Manufaktur aufzugeben.

cav: Können Sie das bitte an einem Beispiel erläutern.

Dr. Scholz: Zum Siebtechnik-Portfolio gehören verschiedene einseitig gelagerte Maschinen, beispielsweise die Conturbex-Siebschneckenzentrifugen oder die Shortbowl-Dekantierzentrifugen. Hier bietet sich eine Vereinheitlichung des Antriebs an. Wir werden also Lösungen entwickeln, bei denen ein standardisiertes Antriebsmodul mit verschiedenen Zentrifugen kombiniert werden kann. Das erleichtert den Einkauf und die Lagerhaltung und macht die Produktion effizienter, ohne dass wir am kundenspezifischen Charakter der produktberührten Teile der Maschine etwas ändern.

cav: Alle reden von Industrie 4.0 und Digitalisierung. Spielen diese Themen in Ihren strategischen Überlegungen eine Rolle?

Dr. Scholz: Natürlich. Wir prüfen gerade, wie durch die Digitalisierung der Kontakt zu den Kunden optimiert werden kann, und ob sich daraus für uns neue Geschäftsmodelle ergeben. Und ich habe das Ziel, durch die Möglichkeiten der Digitalisierung die Effizienz unserer eigenen Geschäfts- und Produktionsprozesse zu erhöhen.

cav: Außerdem planen Sie, ein neues Technikum zu bauen.

Dr. Scholz: Richtig. Es wird in unmittelbarer Nachbarschaft unseres Zentrifugen-Technologiezentrums entstehen, das wir 2012 in Betrieb genommen haben. Der Neubau versetzt uns in die Lage, unsere zahlreichen Versuchsmaschinen in attraktiven Räumlichkeiten zu betreiben.

cav: Wie hat die Belegschaft auf Ihre strategischen Überlegungen reagiert?

Dr. Scholz: Im Dezember letzten Jahres haben wir dem Verwaltungsrat und der Belegschaft die strategischen Initiativen vorgestellt. Beide haben sehr positiv auf sie reagiert. Es ist eine Wachstumsstrategie, die Siebtechnik organisatorisch und ökonomisch für die Herausforderungen der Zukunft rüstet.

cav: Geben Sie bitte einen Überblick über die Branchen, die Siebtechnik mit Zentrifugen beliefert.

Dr. Scholz: Der globale Markt für Zentrifugen ist riesig. Er beläuft sich nach unseren Schätzungen auf etwa 1,4 Mrd. Euro, wobei die Hälfte davon auf Dekanter entfällt. Folgende Bereiche haben wir als unsere Zielmärkte definiert: Recycling, anorganische Salze, Düngemittel, organische Verbindungen, Polymere sowie Food und Dairy.

cav: In welchen Bereichen sehen Sie Wachstumspotenziale für Siebtechnik?

Dr. Scholz: Beispielsweise in der chinesischen Recyclingwirtschaft. Dort plant man, in den kommenden Jahren 1000 Kraftwerke mit ZLD-Anlagen nachzurüsten.

cav: Wofür steht ZLD?

Dr. Scholz: Für Zero Liquid Discharge. In diesen Anlagen, die eine abwasserlose Produktion zum Ziel haben, übernehmen Schub-, Dekantier- und Siebschneckenzentrifugen wichtige Aufgaben bei der Fest-Flüssig-Trennung. Die genannten Zentrifugentypen haben wir allesamt im Programm. Wir hoffen deshalb, möglichst viele Aufträge aus diesem Bereich für uns sichern zu können. Des Weiteren sehe ich große Wachstumsmöglichkeiten im Bereich der anorganischen Salze und zwar hier bei der Lithium-Gewinnung.

cav: Beziehen Sie sich auf den Lithium-Boom?

Dr. Scholz: Genau, den meine ich. Der Bedarf an leistungsfähigen Batterien steigt stetig. Ein Grund dafür ist die wachsende E-Mobilität. Wichtiger Bestandteil der Batterien ist Lithium. Experten erwarten in den kommenden fünf Jahren eine Vervierfachung des Lithiumbedarfs auf 400 bis 500 t Lithium-Carbonat-Equivalente.

cav: Welche Rolle spielen Siebtechnik-Zentrifugen bei der Lithiumgewinnung?

Dr. Scholz: In der Natur kommt Lithium nur in geringen Konzentrationen und in Kombination mit anderen mineralischen Salzen vor. Seine Gewinnung und Isolation ist sehr aufwendig und ohne leistungsfähige Fest-Flüssig-Trennung nicht machbar. Wir sind in der Lage, entsprechende Maschinen zu liefern.

cav: Und wie sieht es im Bereich Polymere aus?

Dr. Scholz: Hier profitieren wir kurzfristig von dem steigenden Bedarf an HDPE und PVC in Asien. In diesem Bereich ist Siebtechnik mit großen Dekantern sehr erfolgreich. Auch im Bereich der organischen Verbindungen sehe ich interessante Wachstumsmöglichkeiten. Ich meine hier besonders die Gewinnung von Methionin und Threonin. Der Bedarf an diesen Aminosäuren und ihren Salzen, die zum Beispiel als Zusatzstoffe für Lebensmittel genutzt werden, wächst stetig. Hier haben sich unsere Siebdekanter der Turboscreen-Baureihe mit ihrer zusätzlichen Filterstufe bewährt. Ein weiteres wichtiges Anwendungsgebiet für unsere Siebschneckenzentrifugen und Shortbowl-Dekanter bleibt die Lactose-Herstellung.

cav: Lassen Sie uns als Nächstes über den chinesischen Markt sprechen. Dort war Siebtechnik in den zurückliegenden Jahren sehr erfolgreich. Wie wird es in China weitergehen?

Dr. Scholz: Auch wenn sich das Wachstum verlangsamt, ist und bleibt China unser wichtigster Exportmarkt. Dennoch haben wir andere Märkte im Blick, auf die wir uns konzentrieren wollen. Ich denke hier besonders an den amerikanischen Markt, den wir bisher gemeinsam mit unserer US-Vertriebsschwester Tema Systems bearbeiten. Leider verstehen unsere amerikanischen Kunden nicht die Arbeitsteilung zwischen Siebtechnik und Tema. Das zeigt sich beispielsweise daran, dass unsere Maschinen dort als Tema-Zentrifugen bekannt sind. Unsere Aufgabe besteht also darin, für ein einheitliches und transparentes Erscheinungsbild zu sorgen.

cav: Gilt das jetzt nur für Amerika?

Dr. Scholz: Nein. Das gilt weltweit. Die internationalen Aktivitäten mit unseren Vertriebsgesellschaften müssen besser koordiniert werden, sodass wir nach außen als ein Unternehmen auftreten. Das vereinfacht den Kontakt zum Kunden und hilft uns bei der Erschließung der Wachstumspotenziale auf den globalen Märkten.

cav: Kommen wir zum Schluss zur Achema. Welche Neuigkeiten werden Sie auf der Messe präsentieren?

Dr. Scholz: Wir werden eine energetisch optimierte Variante unserer Schubzentrifugen der SHS-Baureihe vorstellen. Diese Maschinen verbrauchen etwa 15 % weniger elektrische Energie. Außerdem werden wir den Fachbesuchern verbesserte Sieborgane vorstellen.

cav: Können Sie das bitte erläutern?

Dr. Scholz: Mithilfe einer speziellen Wasserstrahlschneidetechnik sind wir in der Lage, Siebe zu produzieren, die über eine große, freie spezifische Siebfläche verfügen und gleichzeitig eine hohe Hinterschneidung aufweisen. Letztere sorgt besonders bei klebrigen oder zur Kristallisation neigenden Produkten für eine deutlich längere Standzeit. Und wir wollen die Servicefreundlichkeit unserer Siebkörbe verdeutlichen, die sich aus mehreren Siebsegmenten zusammensetzen. Diese nun patentierte Lösung bietet dem Anwender verschiedene Vorteile bei der Montage- und Demontage, bei der Wartung und auch bei der Lagerhaltung.

cav: Wird auch der neue, einheitliche Unternehmensauftritt Thema auf der Achema sein?

Dr. Scholz: Das böte sich natürlich an. Aber die Zeit bis dahin ist knapp.

www.prozesstechnik-online.de

Suchwort: cav0618siebtechnik

Halle 5.0, Stand C72


Das Interview führte für Sie: Lukas Lehmann

stellv. Chefredakteur


„Unsere Stärke liegt in der Lösung komplizierter Trennaufgaben, die mit Standardzentrifugen nicht bewältigt werden können.“


Zur Person:   Dr. Reinhard Scholz

Dr. Reinhard Scholz wurde am 25. Mai 1962 in Berlin geboren. Nach dem Studium der Verfahrenstechnik an der RWTH Aachen schloss sich eine Promotion auf dem Gebiet der Kristallisation an. Erste berufliche Erfahrungen sammelte er in unterschiedlichen Positionen bei der Messo Chemietechnik, einem Hersteller von Kristallisationsanlagen. Anschließend wechselte er zur Niro Prozesstechnik. Hier bekleidete Dr. Scholz die Funktion des Geschäftsführers. Zusätzlich übernahm er im Jahr 2005 die Geschäftsführung der Duisburger GEA Messo GmbH. 2015 folgte ein weiterer Karriereschritt: Dr. Scholz wurde Senior Vice President Seperation Technologies in der GEA Group. In dieser Funktion verantwortete er technologisch sämtliche Aktivitäten des Konzerns auf den Gebieten Eindampfen, Kristallisation, Destillation, Membranverfahren und Vakuumtechnologien. Seit Januar 2017 ist der langjährige Spezialist auf dem Gebiet der Fest-Flüssig-Trennung neben Dr. Jürg Pollmanns und Christian Steinhaus Geschäftsführer der Siebtechnik GmbH in Mülheim an der Ruhr.

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