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Wartung in Balance

Verbesserte Blitz- und Überspannungsschutztechniken erlauben einen niedrigeren Wartungsaufwand
Wartung in Balance

Steht die Anlage, lässt sich kein Geld verdienen. Aus diesem Grund haben in den letzten Jahren in der Prozess- und Anlagentechnik Strategien zur verfügbarkeitsorientierten Instandhaltung Einzug gehalten. Betroffen hiervon sind auch die Maßnahmen zum Blitz- und Überspannungsschutz. Je nach Anlage muss allerdings die richtige Wartungsstrategie gewählt werden. Nur so lässt sich aus Kostensicht die Balance zwischen Wartungsaufwand und Sicherheitsrisiko halten.

Dipl.-Ing. (FH) Thomas Weiß

Blitz- und Überspannungsableiter schützen Anlagen und Geräte vor Störung oder gar Zerstörung durch Überspannungen. Dabei ist jedoch eine zerstörte Anlagenelektronik oft nicht das teuerste. Häufig liegen die Kosten dafür im Promille- oder Prozentbereich der Investition. Das Kostspieligste daran ist die fehlende Verfügbarkeit der Anlagen. Eine durch einen Blitzteilstrom getroffene Anlage kann hierbei schon einmal mehrere Stunden oder Tage ausfallen. Kaum ein Unternehmen kann sich das leisten. Wichtige Anlagen sind heutzutage erfahrungsgemäß bereits mit Überspannungsschutz gesichert. Jedoch wird bei kleineren Anlagen der Zeitwert der Anlage oft mit der zu tätigenden Investition für einen adäquaten Überspannungsschutz verglichen. Somit werden ältere Anlagenteile oft nicht geschützt, weil im Falle einer Zerstörung durch Überspannung „endlich“ die Investition in eine modernere Anlage realisiert werden kann. Es wird jedoch nicht bedacht, was es bedeutet, falls nach einem Gewitter am Wochenende die Mitarbeiter am Montagmorgen an ihren Arbeitsplatz zurückkehren und die Anlage funktioniert nicht. Die termingerechte Auftragsabwicklung ist nun in Gefahr, ggf. gilt es sogar hohe Regressforderungen zu vermeiden. Auf alle Fälle ist der gute Ruf und die langjährig aufgebauten Kundenbeziehungen bedroht. Leidgeprüfte Unternehmen haben dann die Lektion begriffen, die Verfügbarkeit einer Anlage ist viel höher zu bewerten, als ihr eigentlicher Wert.
Mit der Verwendung eines passenden Überspannungsschutzes ist bereits ein großer Schritt getan. Transiente Überspannungen werden nicht nur durch Blitze erzeugt. Viel häufiger sind Schaltvorgänge und Netzrückwirkungen im Stromnetz der Grund. Elektromagnetisch koppeln diese Störungen auch auf Datenleitungen beispielsweise die der MSR-Technik ein. Dies ist jedoch kein Problem für den Überspannungsschutz, denn der leitet diese permanenten Störungen zuverlässig ab. Die Energie von Blitzen ist ungleich höher. Diese hohe Energie koppelt jedoch kapazitiv oder induktiv in alle in der Nähe befindlichen Leitungen ein. Sie wird von den Blitzstromableitern (SPDs) mehrmals sicher beherrscht. Jedoch vermögen es wiederholte Blitz- und Überspannungsableitvorgänge, die außerhalb der Gerätespezifikation liegen, dass SPDs in informationstechnischen Systemen überlastet werden. Um Schutz und Verfügbarkeit der Anlagen sicherzustellen ist es deshalb notwendig, die Funktion von Ableitern zu überwachen. Im energietechnischen Bereich werden SPDs mit einer Funktionsanzeige ausgestattet. Man erkennt sofort, ob ein Ableiter noch funktionsfähig ist oder nicht. Mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand ist diese optische Anzeige bei informationstechnischen Ableitern leider nicht zu realisieren. Hierbei gilt es, andere Strategien anzuwenden.
Schadensorientierte Wartung
Bei der sogenannten schadensorientierten Wartung verwendet man vor allem Ableiter mit einem Fail-Safe-Verhalten. Wird ein Ableiter durch entsprechende Überspannungsereignisse zerstört, erzeugt dies normalerweise einen Kurzschluss auf der Signalleitung. Das heißt, dass weitere Überspannungen auch entsprechend kurzgeschlossen werden und sich in der Regel nicht negativ auswirken. Natürlich ist das Signal auf der Leitung auch kurzgeschlossen und die Anlage fällt erst einmal aus.
Bei der schadensorientierten Ableiterwartung werden teilbare Ableiter eingesetzt. Diese bestehen jeweils aus einem Ableitmodul, das die entsprechenden Ableitvorgänge durchführt und im o.g. Fall zerstört wird. Dazu noch ein Basisteil, das den Kontakt zwischen Ableitmodul und Datenleitungen herstellt. Entscheidend ist, dass dieses Basisteil auch mit einem unterbrechungsfreien Schaltkontakt ausgestattet ist. Im Falle des Fehlens des Ableitmoduls verbindet der Schaltkontakt die Eingangsseite der Datenleitung mit der Ausgangsseite. Somit ist eine Datenübertragung auch ohne eingestecktes Ableitmodul möglich. Um wie im oben beschriebenen Fall des ausgefallenen Überspannungsschutzmoduls die Verfügbarkeit wiederherzustellen, genügt es das Modul aus dem Basisteil zu ziehen. Natürlich besteht bis zur Erneuerung des Schutzmoduls kein Überspannungsschutz, aber die Verfügbarkeit der Anlage wurde wieder hergestellt. Es ist dem Betreiber der Anlage bewusst, dass er zur Wiederherstellung des Schutzes ein neues Ableitmodul einzustecken hat. Diese schadensorientierte Wartungsstrategie eignet sich vor allem für Anlagen und Systeme, an denen ein kurzfristiger Ausfall unproblematisch ist und der Betreiber das Risiko eines kurzzeitigen Fehlens des Blitz- und Überspannungsschutzes zu tragen bereit ist.
Vorbeugende Wartung
Die vorbeugende Wartung bietet dagegen einen höheren Grad des Schutzes und der Verfügbarkeit, allerdings mit einem etwas höheren Aufwand.
Die EN 62305-3 schreibt Wiederholungsprüfungen und Wartungsintervalle für ein Blitzschutzsystem vor. Je nach Blitzschutzklasse werden Sichtprüfungen in Intervallen von 1 bis 3 Jahren und vollständige Prüfungen in Zeiträumen von 2 bis 6 Jahren vorgeschrieben. Sichtprüfungen bei informationstechnischen Ableitern durchzuführen ist sinnlos, da man den Geräten in der Regel den Zustand nicht ansehen kann. Somit ist eine andere Vorgehensweise zu wählen. In der Vergangenheit ist man mit entsprechenden Messgeräten den Ableitern entgegengetreten. Diese Messungen erforderten viel Zeit, ausreichende Fachkompetenz und waren in der Regel wenig aussagekräftig. Seit einigen Jahren gibt es jedoch auch Geräte mit Lifecheck. Diese Funktion ermöglicht es, den Zustand des Ableiters mithilfe der RFID-Technologie zu ermitteln. Ein Transponder im Ableiter überwacht permanent die Schutzschaltung auf unzulässige Überlast durch thermische Überhitzung oder elektrische Stoßstrom-Ereignisse. Um die Information auszulesen, benötigt man ein entsprechendes Handlesegerät. Dieses beinhaltet den Reader, eine RFID-Leseeinheit. Sie überträgt berührungslos Energie zum Transponder im SPD, liest dessen Zustand aus und zeigt ihn an. Die Information ist einfach: „Ableiter OK“ oder „Ableiter tauschen“. Das ist eine unkomplizierte Prüfung, sie funktioniert sekundenschnell und ohne Ausbau des SPDs. Außerdem kann man sie jederzeit im laufenden Betrieb durchführen, weil sie die Signalübertragung nicht stört. Sie erkennt zuverlässig die thermische und elektrische Überlastung aller Bauelemente, in der Regel noch bevor der Ableiter ausfällt und die Verfügbarkeit der zu schützenden Einrichtung eingeschränkt ist. Zudem sind für diese Prüfung keine besonderen Fachkenntnisse nötig. Das Lesegerät erleichtert auch noch die Dokumentation der Prüfung, die ebenso nach EN 62305-3 vorgeschrieben ist.
Die Prüfdaten (Datum, Zeit, Ergebnisse) aller Ableiter werden gespeichert und können per USB-Schnittstelle an einen PC zum Drucken oder zur Speicherung übertragen werden. Somit erreicht die vorbeugende Wartung mit Lifecheck einen höheren Schutz und eine höhere Verfügbarkeit, weil sie bereits eine Überlastung von Bauelementen erkennt, bevor der Schutz versagt.
Condition Monitoring
Es gibt jedoch Bereiche, in denen man den höchsten Grad an Verfügbarkeit von Anlagen und Einrichtungen sicherstellen will. In sicherheitsrelevanten, technischen Anlagen (Kerntechnik, Chemieanlagen, Bahntechnik, Luftfahrtsicherungstechnik) oder in Anlagen großer wirtschaftlicher Bedeutung (Produktionsanlagen), muss man sicher gehen, dass ein ununterbrochener Schutz gegeben ist. Hierbei ist Condition Monitoring die richtige Strategie. Was früher undenkbar war, ist heute auf Basis der Lifecheck-Technologie mit RFID relativ einfach möglich geworden. Anstatt ein Handlesegerät zum Auslesen des Transponders zu verwenden, wird ein im Schaltschrank integrierter RFID-Reader verwendet. Der Dehnrecord MCM XT ist ein Hutschienengerät, das bis zu zehn BXT-Ableiter (bis zu 40 Adern) gleichzeitig drahtlos überwachen kann. Für größere Installationen können auch mehrere Condition-Monitoring-Module zusammengeschaltet werden. In der größten Ausbaustufe können 150 BXT-Ableiter, das entspricht einer Anzahl von 300 Doppeladern, fortwährend überwacht werden. Der Zustand kann einerseits mit einem Blick in den Schaltkasten durch die optische Anzeige erkannt werden. Alternativ besteht die Möglichkeit, die Fehlermeldung über einen potenzialfreien Fernmeldekontakt an ein vorhandenes, übergeordnetes Steuerungssystem weiterzuleiten. Auch lässt sich mit serieller Datenübertragung per RS485 der detaillierte Status aller Ableiter unter Verwendung einer kostenfrei zur Verfügung gestellten Software, auf einem gewöhnlichen PC anzeigen. Auch kann diese Information per Gateway über Profibus oder ein anderes vorhandenes Bussystem auf die Leitwarte übertragen werden, um von dort aus die notwendigen Maßnahmen zu steuern. Jedoch braucht man nach Erhalt der Nachricht nicht gleich in hektische Betriebsamkeit zu verfallen. Wie oben beschrieben, hat man von der Fehlermeldung bis zum tatsächlichen Ausfall des überlasteten Ableiters in der Regel noch Zeit. Diese kann genutzt werden, um bei nächster Gelegenheit den Ableiter zu tauschen, damit für die Zukunft der Schutz und die Verfügbarkeit weiterhin sicher gestellt sind.
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Online-Info www.cav.de/0409432
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