Startseite » Chemie » Automation (Chemie) »

Am Objekt orientiert

XML-basiertes Datenaustauschformat ermöglicht effizientes Leittechnikengineering
Am Objekt orientiert

Die wachsenden Ansprüche an die Funktion, Flexibilität und Zuverlässigkeit von Leittechnik bei gleichzeitig steigendem Kostendruck erfordern eine immer effizientere Planung. Trotzdem steht beim Datenaustausch zwischen verschiedenen Planungswerkzeugen noch immer die Zeichnung im Mittelpunkt. Die nachfolgend vorgestellte Beispielanwendung demonstriert das Potenzial eines objektorientierten Datenaustauschformats für die Leittechnikplanung.

Dr.-Ing. Rainer Drath

Das Anlagenengineering wird durch eine Vielzahl moderner Softwarelösungen, leistungsfähige rechnergestützte Systeme und fortschrittliche Planungs- und Modellierungsmethoden unterstützt. Die Menge der anfallenden Informationen wächst dabei mit der steigenden Komplexität heutiger Anlagen. Der Datenaustausch zwischen verfahrenstechnischer und leittechnischer Planung hingegen erfolgt wie früher zeichnungsorientiert. R&I-Fließbilder sind bis heute die wichtigste Grundlage für die Planung und Errichtung von Prozessleittechnik. Die entstandenen Zeichnungen und Listen werden in Papierform oder in äquivalenter elektronischer Form an den Leittechniker übergeben.
Ein erheblicher Teil der Engineeringkosten entsteht jedoch gar nicht mehr im Engineeringprozess selbst, sondern an den Schnittstellen zu benachbarten Engineeringphasen. Dies umfasst nicht nur die einmalige Datenübernahme von einem Partner, sondern verschärft sich mit der Zahl von Zulieferern und dem Wunsch nach Datenkonsistenz, auch über die Vielzahl an Änderungen hinweg. Die für den menschlichen Betrachter geschaffenen Zeichnungen erfordern eine aufwändige und fehleranfällige Analyse durch die Leittechniker und sind nur mit erheblichem Aufwand durch einen Computer interpretierbar. Zwar haben sich in der Praxis eine Reihe von Workarounds entwickelt, mit denen Daten per Excelschnittstellen, kommaseparierten ASCII-Dateien oder punktuellen Werkzeugkopplungen ausgetauscht werden, aber keiner dieser Ansätze hat sich tatsächlich etabliert.
Neutrales Datenformat
In Zusammenarbeit mit der RWTH Aachen, mit führenden Herstellern und Anwendern sowie ABB wurde ein herstellerunabhängiges Datenformat namens CAEX (Computer Aided Engineering Exchange) entwickelt, das auf dem weltweit akzeptierten Standard XML basiert. CAEX wurde im Rahmen eines Standardisierungsprozesses gemeinsam mit der DKE in die DIN-V-44366 eingebracht.
CAEX wendet moderne objektorientierte Prinzipien an, die eine Abkehr von der zeichnungsorientierten Denkweise ermöglichen. Das Datenformat ist dabei handlich genug für kleine Anwendungen, zugleich aber auch flexibel genug für komplexe Objektmodelle. Anlagenobjekte werden in CAEX als Datenobjekte in einem Objektnetz gespeichert; dies schließt neben den Eigenschaften der Objekte auch ihre Beziehungen zu benachbarten Objekten ein. Die Zeichnung ist lediglich eine von vielen möglichen Sichten auf die zugrunde liegende Objektstruktur.
Praktischer Nutzen
In diesem Forschungsbeitrag soll anhand einer realen technischen Anwendung der praktische Nutzen von CAEX beschrieben werden. Die vorliegende Demo-Anlage selbst ist zwar klein, demonstriert aber die grundlegenden Prinzipien einer verfahrenstechnischen Anlage. Die Anlage besteht aus mehreren Tanks, Sensoren und Aktoren, wobei Störfälle wie Lecks vorgesehen sind. In einem ersten Schritt werden die Informationen der Anlage, die ein Verfahrenstechniker aus dem Bereich Chemie oder Pharma dem Leittechniker zur Verfügung stellt, in einem aktuellen Verfahrensplanungswerkzeug vorkonfiguriert. Als Werkzeug wurde die objektorientierte Software ComosPT von Innotec ausgewählt, die die Abbildung einer Reihe von leittechnikrelevanten Informationen erlaubt. Neben dem klassischen R&I-Fließbild können zusätzlich neutrale Funktionspläne und Schrittketten erstellt werden. ComosPT ist dabei nicht als Ersatz von Leittechnikplanungswerkzeugen zu verstehen – diese können nur vom Leittechnikhersteller geliefert werden, weil nur die Leittechnikhersteller über die hardwarespezifischen Compiler und Regelwerke verfügen. ComosPT bietet dem Verfahrenstechniker Hilfsmittel an, die im R&I-Fließbild erstellten PLT-Stellen mit Signalen auszustatten und diese Signale sogleich in herstellerunabhängigen neutralen Funktionsplänen zu verknüpfen. Dies hilft, den skizzenhaften Charakter der heutzutage vom Verfahrenstechniker üblicherweise erstellten Funktionspläne abzulegen, was für alle Beteiligten gleichermaßen attraktiv ist: der Verfahrenstechniker kann vormals geplante Funktionen multiplizieren, der Anlagenbetreiber kann bei Migrationsszenarien teuer erworbene Leittechniklösungen in neuer Hardware wiederverwenden und der Leittechniker kann die Vorgaben der Verfahrenstechniker leichter umsetzen.
Datenaustausch
Nach Abschluss der Verfahrensplanung mit ComosPT erfolgt der Datenaustausch mit dem Leittechnikplanungswerkzeug. Beide Werkzeuge sind dabei unverkoppelt und besitzen keine speziellen Funktionen zur Kontaktierung des Partnertools. Die Grundidee des Datenaustausches besteht darin, die Daten aus ComosPT herauszulösen und werkzeug- bzw. herstellerunabhängig in CAEX abzuspeichern. Dies erfolgt mit Hilfe eines CAEX-Exporters, der die Strukturen aus ComosPT ausliest und in einer CAEX-konformen XML-Datei speichert. Jedes der ComosPT-Datenobjekte einschließlich der Funktionsbausteine, ihre Eigenschaften und ihre Beziehungen untereinander werden dazu in CAEX abgelegt. Funktionspläne sind aus Sicht von CAEX ebenfalls lediglich Objekte, die miteinander in Beziehung stehen. Dies verdeutlicht, dass CAEX nicht nur reale, sondern auch logische Objekte abbilden kann. Die CAEX-Datenstruktur lässt sich leicht in einer verkoppelten Baumstruktur darstellen, so dass sich der Verfahrensplaner leicht orientieren kann, denn in CAEX werden die ComosPT-Daten quasi gespiegelt. Hierarchische Vater-Kind-Beziehungen, Namen, Bezeichnungen, Attribute und Relationen sind identisch mit der ComosPT-Welt. Der Wert von CAEX besteht darin, dass die mit ComosPT erstellten Engineeringergebnisse nun vom Werkzeug ComosPT entkoppelt vorliegen und demzufolge ohne ComosPT gespeichert, übertragen, archiviert, analysiert und computergestützt weiterverwendet werden können.
Zuordnung der Objekte
Der Datenimport in das Leittechnikwerkzeug erfordert eine Importer-Applikation, die sowohl CAEX als auch das Leittechnikwerkzeug kennt. Dieser Importer muss die CAEX-Objektstrukturen lesen und im vorliegenden Fall auf die ABB-Objektwelt abbilden können. Die Abbildung der Objektwelten erfolgt durch sogenannte Mappings: beispielsweise durch Zuordnung eines Comos-AND-Bausteins zu einem ABB-AND-Baustein. Diese Zuordnung erfolgt vor dem Import und wird separat gespeichert. Die Menge der benötigten Zuordnungen ist dabei vergleichsweise gering – und sie ist wiederverwendbar. Mit Hilfe der Mappings kann der Importer die CAEX-Objektstruktur in eine ABB-Objektstruktur transformieren. Die Zuordnung erfordert folglich keine Änderung der Importer-Applikation. Im vorliegenden Beispiel mussten lediglich Hierarchieobjekte, PLT-Stellenobjekte, Signalobjekte, Hardwareobjekte und Funktionsbausteinobjekte aufeinander abgebildet werden.
Das Ergebnis
Im Ergebnis wird eine Vielzahl leittechnikrelevanter Informationen automatisch übertragen. Die entstehende Zielstruktur erlaubt dem Leittechniker, schneller als bisher seiner eigentlichen Tätigkeit, der Leittechnikplanung, nachzugehen. Dies umfasst die Anlagenhierarchie, die PLT-Stellen, die zugeordneten Signale, die Funktionspläne, aber auch die Kanalbelegung, die ebenfalls mit ComosPT planbar ist. Dies darf jedoch nicht als automatische Leittechnikgenerierung missverstanden werden; es werden lediglich bereits existierende Informationen übertragen. Die resultierende Leittechnik ist üblicherweise nicht uneingeschränkt lauffähig, denn der beschriebene Datenaustausch kann nur die Rohinformationen des Verfahrenstechnikers übertragen, nicht jedoch die detaillierte Planung des Leittechnikers ersetzen. Reglerparameter, Steuerungslogik, Überwachungsfunktionen, Bedienoberflächen und vieles mehr sind nach wie vor vom Leittechniker zu erstellen.
cav 486

Weitere Informationen vom Hersteller
Branchenforum CAD/CAE
Näheres zum XML-Standard
Unsere Webinar-Empfehlung
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

cav-Produktreport

Für Sie zusammengestellt

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper

Top-Thema: Instandhaltung 4.0

Lösungen für Chemie, Pharma und Food

Pharma-Lexikon

Online Lexikon für Pharma-Technologie

phpro-Expertenmeinung

Pharma-Experten geben Auskunft

Prozesstechnik-Kalender

Alle Termine auf einen Blick


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de