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Wasserstoff mit Rot-Grün-Schwäche

Post 2: Roter und grüner Wasserstoff von Dr. Bernd Rademacher
Fossilfreier Wasserstoff mit Rot-Grün-Schwäche

Fossilfreier Wasserstoff mit Rot-Grün-Schwäche
Beim Thema roter und grüner Wasserstoff ist ein heftiger Positionskampf entbrannt Bild: kmls – stock.adobe.com
Wasserstoff ist einer der Bausteine unserer Zukunft. Das farblose Gas besitzt im Gegensatz zu vielen anderen farblosen Gasen gleich mehrere farbige Zustände – von blau bis grau und von türkis bis grün, je nach Herstellungsweg. Manche dieser Farben sind klar definiert, andere nicht. So gibt es eine ausgesprochene Rot-Grün-Schwäche, die die Gemüter bewegt.

Ein Freund von mir besitzt eine kleine Sehschwäche. Er hat Probleme, die Farben Rot und Grün zu unterscheiden. Bei der sogenannten Rot-Grün-Blindheit handelt es sich um eine Störung der Farbwahrnehmung, von der etwa 9 % aller Männer betroffen sind. Bei Frauen sind es nur 0,8 %. Hervorgerufen wird die vererbbare Sehschwäche durch einen Gendefekt auf dem X-Chromosom.

Die Auswirkungen im Alltag sind überschaubar. Rot-Grün-Blinde kommen mit den alltäglichen Szenarien ganz gut zurecht. Das liegt natürlich auch daran, dass wir die Farben häufig in unterschiedlicher Form darstellen. Ein typisches Beispiel ist die Ampel: Das rote Männchen steht, das grüne geht. Das kann ein Rot-Grün-Blinder gut unterscheiden. Schwieriger wird es da am Spieltisch. Viele Brettspiele benutzen gleichartige rote und grüne Holzklötzchen. Das führt zu manch skuriler Situation, da der Rot-Grün-blinde Spieler gelegentlich die falschen Klötze bewegt und für Verwirrung auf dem Spielbrett sorgt.

Rot-Grün-Schwäche ist aber nicht nur ein Problem beim Sehen, sie tritt auch in anderen Formen auf. So wird auch unsere Wasserstoff-Zukunft von einer Rot-Grün-Schwäche begleitet.

Roter oder grüner Wasserstoff?

Was ist er denn nun, fragen sich die Menschen allerorts. Ist der grüne Wasserstoff jetzt rot mit einem grünen Mantel oder ist er tatsächlich durch und durch grün? Eine Frage, die nicht nur in der EU für Streit sorgt. Auch die Industrie ist sich in dieser Frage nicht ganz grün.

Aber gehen wir einen Schritt zurück: Worum geht es eigentlich. Wasserstoff ist einer der Bausteine, um in Zukunft klimaneutral agieren zu können. Er wird in Elektrolyseuren mit Strom produziert und erlaubt es z. B. der chemischen Industrie, ihre Prozesse fossilfrei – also ohne Nutzung fossiler Brennstoffe – zu betreiben. So weit, so gut. An der Frage, welcher Strom zum Einsatz kommt, scheiden sich aber die Geister. Ist es grüner Strom aus erneuerbaren Energien oder ist es Strom aus Atomkraftwerken, der zweifelsfrei auch fossilfrei ist und allgemein als roter Strom bezeichnet wird. Je nach verwendetem Strom entsteht also grüner oder roter Wasserstoff. Auf diese Weise sind mittlerweile zwei Lager entstanden, die unterschiedliche Interessen verfolgen.

Beide Lager haben sich positioniert

Auf der einen Seite finden wir die Atom-Lobby, die für sich proklamiert, dass ihr Strom genauso grün sei, wie der aus erneuerbaren Energien – was aus einem bestimmten Blickwinkel sogar stimmt. Auf der anderen Seite haben wir die Sonnen- und Windanbeter der Green Energy, die zurecht darauf hinweisen, dass der rote Strom aus den AKWs doch einen klitzekleinen Nachteil hätte gegenüber ihrem sauberen Strom aus erneuerbaren Energien – radioaktiver Abfall, der mit der Sonne um die Wette strahlt.

Beide Lager haben sich mittlerweile positioniert und in Gruppen vereint. Die Anhänger der Atomenergie haben sich Mitte 2022 zur Nuclear Hydrogen Initiative zusammengeschlossen. Sie wollen den roten Wasserstoff nach vorne bringen. Über 50 Unternehmen, NGOs und Forschungsinstitute sind der Organisation bereits beigetreten. Ihre Argumente: Kernenergie ist fossilfrei, liefert stabil Strom und verbraucht weniger Landressourcen.

Der Gegenspieler ist der Verband der Erzeuger grünen Wasserstoffs aus erneuerbaren Energien, oder kurz Renewable Hydrogen Coalition. Hier haben sich viele verschiedene Unternehmen zusammengefunden, die entweder Technologien zur Herstellung grünen Stroms oder grünen Wasserstoffs anbieten – oder einfach dem Klimagedanken folgen.

Und die Politik mischt kräftig mit

Die Unternehmen können sich dabei auf die Politik in Europa stützen. Das rote Lager hat mit Frankreich einen Top-Unterstützer. Das grüne Lager sieht nach dem Abschalten der letzten AKWs Deutschland hinter sich.

Das ist allerdings nur eine Momentaufnahme. Regierungen können wechseln, und damit auch die Klimapolitik. Jüngstes Beispiel: Schweden. Vor 40 Jahren sind die Skandinavier aus der Atomenergie ausgestiegen und haben ganz auf erneuerbare Energien gesetzt. Jetzt hat die Mitte-Rechts-Regierung den Weg für neue Atomkraftwerke frei gemacht. Sie hat Mitte Juni das Ziel von „100 % erneuerbaren Strom“ auf „100 % fossilfreien Strom“ geändert. Bleibt abzuwarten, ob weitere Länder diesem Gedanken folgen.

Ist der Wasserstoff jetzt rot oder grün?

Was uns zu unserer ursprünglichen Frage zurückbringt. Ist der Wasserstoff der Zukunft jetzt rot oder grün? Wohl eher eine Mischung aus beidem, das wäre dann gelb. Damit hätten wir dann eine Rot-Grün-Gelb-Schwäche – wo habe ich das denn schon mal gehört? Es ist wie verhext. Je mehr man über die Farben sinniert, desto mehr brummt einem der Schädel. Manchmal beneide ich meinen Kumpel um seine Sehschwäche. Dann wäre alles einfach grau – allerdings ist das im Falle des Wasserstoffs auch keine Alternative.

Lesen Sie mehr zum Thema Wasserstoff

Wie ist Ihre Meinung? Sollen wir in Zukunft roten Wasserstoff einsetzen? Oder nur den wirklich grünen? Schreiben Sie mir eine Mail an bernd.rademacher@konradin.de oder nutzen Sie das untenstehende Formular. Ich bin auf Ihre Antworten gespannt.

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