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PFAS - Verbieten oder nicht verbieten?

Post 4: PFAS - Verbieten oder nicht verbieten? / von Dr. Bernd Rademacher
Pannenfall im Pfannenfall nicht erwünscht

Pannenfall im Pfannenfall nicht erwünscht
Teflonbeschichtete Pfannen findet man in fast jedem Haushalt. Teflon oder PTFE gehört zu der Stoffgruppe PFAS, die sich derzeit in deutschen Böden und Gewässern anreichern. Ein Generalverbot soll helfen. Bild: Max – stock.adobe.com
Am Samstag spülte ich nach dem Abendessen wie üblich meine Teflonpfanne. Wegen der Beschichtung soll man ja das Arbeitsgerät nicht in die Spülmaschine packen. Da muss demnächst eine Neue her, dachte ich so beim Putzen. Aber was für eine? Teflon gehört doch zur neuerdings in Ungnade gefallenen PFAS-Stoffgruppe, die auch auf Initiative von Deutschland demnächst in der EU komplett verboten werden soll. Aber macht das Sinn? Die Meinungen sind verschieden.

PFAS ist eine Abkürzung und steht für die Stoffgruppe der per- und polyfluorierten Kohlenwasserstoffe. Diese Verbindungen kommen nicht natürlich vor und werden erst seit den späten 1940er-Jahren produziert. PFAS bestehen aus verschieden langen Kohlenstoffketten, bei denen die Wasserstoffatome vollständig (perfluoriert) oder teilweise (polyfluoriert) durch Fluoratome substituiert sind. Nach letzten Schätzungen umfasst diese Gruppe mehr als 10 000 chemische Verbindungen, die für allerlei Nützliches eingesetzt werden, z. B. für die berühmte Beschichtung in Pfannen. Im Pfannenfall handelt es sich um Teflon oder korrekter ausgedrückt um ein linear zusammengesetztes Polymer namens Polytetrafluorethylen (PTFE). In jüngster Zeit ist die PFAS-Stoffgruppe allerdings in Verruf geraten. Denn: Im Pannenfall soll die Beschichtung nämlich umwelt- und gesundheitsschädlich sein. Dies gilt im Übrigen auch für Vorstufen, aus denen in der Umwelt schwer abbaubare perfluorierte Stoffe entstehen können.

VCI: Pauschalverbot von PFAS ist keine Lösung

Im Pfannenfall kann man sich mit Großmutters gußeisernen Pfanne oder einem Edelstahlmodell behelfen. Das ist vielleicht nicht mehr ganz so komfortabel und spülfreundlich, aber eine Alternative. In der Industrie sieht die Sache ganz anders aus: In vielen Fällen sind PFAS aus dem Anlagenbau oder der Prozesstechnik nicht mehr wegzudenken. Vor allem Technologien, die den Klimawandel im Visier haben, benötigen PFAS. So kommen die Verbindungen beispielsweise in Membranen von Brennstoffzellen oder bei der Polymerelektrolytmembran(PEM)-Elektrolyse zum Einsatz. PEM-Elektrolyseure bilden einen wichtigen Baustein der Zukunftstechnologie Wasserstoff. Ein pauschales Verbot sei keine gute politische Lösung, meint Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer und Mitglied des VCI-Präsidiums. Es beträfe viele tausende Verbindungen, die überhaupt noch nicht vollständig auf ihr Gefahrenpotenzial hin untersucht seien.

Doch genau das haben Deutschland, Dänemark, Norwegen, Schweden und die Niederlande jetzt vor. Sie haben gemeinsam einen Beschränkungsvorschlag bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) eingereicht, mit dem diese Stoffgruppe auf einen Schlag verboten werden soll. Dass dieser Vorschlag die chemische Industrie nicht begeistert, ist verständlich. „PFAS werden nach wie vor dringend für viele industrielle Anwendungen und für den Bau sicherer und prozessoptimierter Industrieanlagen gebraucht, wofür es Stand heute trotz intensiver Forschung leider noch keinen Ersatz gibt“, sagt Große-Entrup. Vielmehr befürchtet er „eine Abwanderung unserer Industrie in weniger streng regulierte Regionen“.

BUND: Jahrhundertgift ist fast überall

Der BUND sieht die Sache natürlich ganz anders und ist der Meinung, dass die EU PFAS unbedingt verbieten muss. Das Jahrhundertgift sei fast überall, titelt die PFAS-Seite des BUND im Internet und zitiert eine Recherche von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung, die zeigt, wie weit PFAS bereits in Deutschland verbreitet sind. Der Untersuchung zufolge konnten an 1500 Orten in Deutschland PFAS-Verschmutzungen mit teils erheblichen Belastungen nachgewiesen werden.

Das Problem: PFAS sind teilweise extrem langlebig. Daher können sie sich über Jahre in der Umwelt anreichern. Über die Nahrungskette gelangen sie in unsere Fleischtheken und Kühlregale. Bei Verzehr reichern sich PFAS dann in unserem Körper an. Das hatten bereits Studien zwischen 2014 und 2017 an deutschen Kindern gezeigt. In manchen Gegenden hat das dazu geführt, das Blutkonserven wegen zu hoher Belastung abgelehnt wurden.

Gefährliche Belastung mit PFAS

PFAS, in diesem Fall PFOS (Perfluoroktansulfonsäure) und PFOA (Perfluoroktansäure), stehen im Verdacht, krebserregend zu sein. Erwiesen ist das bisher noch nicht, aber es lässt sich aufgrund von Studien vermuten. PFAS sind damit in guter Gesellschaft: Übermäßiger Alkoholgenuss, zuviele Zigaretten, verbrannte Grillwürstchen – hier ist die krebserregende Wirkung bereits bewiesen. Die zugrunde liegenden Stoffgruppen sind Alkohole, polyzyklische aromatische Verbindungen (PAK) und Nitrosamine.

Doch wie soll man vor diesem Hintergrund jetzt mit den PFAS umgehen? Komplett verbieten oder nicht? Wer hat Recht in diesem Politikum? Der VCI und viele andere Lobbyverbände oder der BUND und die Naturschutzlobby?

Vorgehen analog zur F-Gas-Verordnung

Der Ansatz, PFAS pauschal zu verbieten, ist nachvollziehbar und sicherlich positiv für die Umwelt. Die ganze Produktklasse der PFAS aber pauschal zu verbieten, macht aus meiner Sicht als Chemiker keinen Sinn. Da gehe ich mit dem VCI d‘accord. Und auch beim VDI ist man ähnlicher Meinung. Ich könnte mir eher vorstellen, dass man sich auf ein ähnliches Verfahren wie bei den F-Gasen einigt. Die F-Gas-Verordnung soll die Emissionen des Industriesektors bis zum Jahr 2030 um 70 % gegenüber 1990 zu verringern. Die Emissionsreduktion fluorierter Treibhausgase wird durch drei wesentliche Regelungsansätze erreicht:

  • Schrittweise Beschränkung,
  • Erlass von Verwendungs- und Inverkehrbringensverboten, wenn technisch machbare, klimafreundlichere Alternativen vorhanden sind,
  • Regelungen zu Entsorgung und Kennzeichnung.

Durch die F-Gas-Verordnung wird in erster Linie ein Anreiz zur Verwendung von Alternativen geschaffen. Dies könnte analog bei PFAS funktionieren. Für die Zukunft gilt es jedenfalls, weitere Belastungen mit PFAS so schnell wie möglich zu vermeiden. Die Industrie sollte daher dort, wo es wirtschaftlich sinnvoll und möglich ist, PFAS zeitnah durch Alternativen aus anderen, ungefährlicheren Stoffklassen ersetzen. Ist dies nicht möglich, muss auf jeden Fall verhindert werden, dass weitere PFAS-Verbindungen in die Umwelt gelangen. Dafür bedarf es neuer Technologien, z.B. bei der Abwasserreinigung. Hier gibt es erste Ansätze, wie das Beispiel des Fraunhofer-Instituts IGB zeigt. Ganz unterdrücken lässt sich die Exploration von PFAS in nächster Zeit sicherlich nicht, aber einschränken sollte allemal möglich sein.

Bleibt noch die Frage, wie man die Regionen, die bereits mit PFAS stark belastet sind, saniert? Und wer das bezahlt? Dies zu klären, wird schwierig. Aber die Frage muss geklärt werden, denn aufgrund der Langlebigkeit werden die Verbindungen in diesen Gebieten so schnell nicht verschwinden.

Wie ist Ihre Meinung? Sollen wir in Zukunft PFAS verbieten oder nicht? Schreiben Sie mir eine Mail an bernd.rademacher@konradin.de oder nutzen Sie das untenstehende Formular. Ich bin auf Ihre Antworten gespannt.

*“ zeigt erforderliche Felder an

 

Kommentar von Johannes Hangl, Sr. Director Solution Consulting bei e2open

„Mit dem geplanten PFAS-Verbot ist eine weitere Regulierungsmaßnahme in einer immer länger werdenden Liste verbotener Chemikalien auf die Agenda der Europäischen Union gesetzt worden. Mit den bestehenden Regelungen auf europäischer Ebene und in den einzelnen Mitgliedsstaaten sind bereits zahlreiche aufwändige und kostenintensive chemische Material- und Produkttests an der Tagesordnung.

Für Unternehmen bedeutet das in erster Linie, dass sie immer über die neuesten Testprotokolle informiert sein müssen und auch neue Regelungen schnell in ihre Materialprüfung integrieren müssen. Denn die Europäische Chemikalienverordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), die RoHS-Richtlinien zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten, der GB-Standard sowie das US-amerikanische Consumer-Product-Safety-Gesetz (CPSIA) nutzen verschiedene grenzübergreifende Maßnahmen, um die Einhaltung der Regulierungen zu überprüfen und durchzusetzen. Die Zollbehörden überprüfen die digitalen Testergebnisse und führen manuelle Stichproben von Sendungen durch, um so zu kontrollieren, ob die entsprechenden Standards eingehalten werden.

Die Besonderheit des EU-PFAS-Verbots liegt in seiner Verknüpfung mit dem European Green Deal und anderen Nachhaltigkeitsinitiativen der EU. Sie sollen Unternehmen in der EU ermutigen, ihre Bemühungen, um eine nachhaltige Lieferkette über die Messung von Treibhausgasen oder die Einsparung von Wasser hinaus auszuweiten. Einfacher gesagt als getan – und die Hauptverantwortung für die Überprüfung von Lieferanten und Materialien liegt bei den Fachkräften, die für die Einhaltung der Handelskontrollen zuständig sind.

Was muss also getan werden? Unternehmen sind in der Pflicht, ihre Materialprüfungen auf den jeweiligen Zielmarkt abzustimmen und sicherzustellen, dass nur Waren in die EU gelangen, die keine PFAS enthalten – und das beginnt schon bei der Auswahl ihrer Zulieferer. So verfügen beispielsweise Stoff-, Teile- und Komponentenlieferanten über die Materialdaten in der Stückliste – diese Informationen müssen jedoch auch abgeglichen werden. Mit entsprechenden Lösungen zur Einhaltung von Materialvorschriften können diese kritischen Daten erfasst und dann in den Zollanmeldungen verwendet werden, um sicherzustellen, dass grenzübergreifende Verzögerungen vermieden werden und die Waren wie geplant ankommen.“

Kommentar von Holger Kaufmann, Head of Department Quality & Mgmt. Systems | Environment Mgmt., Gemü

Ich arbeite in einer Firma, in der PTFE, PVDF, PFA nicht wegzudenken sind. Unsere Ventile und die damit verbundenen Dichtwerkstoffe werden weltweit in Anlagen verbaut. Lebensmittel und Getränke aber auch jegliches Medikament fließt durch unsere Ventile. Die chemische Industrie und vor allem die Halbleiterindustrie benutzt unsere Ventile aus PVDFA, PFA. Sollte das verboten werden, gibt es keine Halbleiter mehr, kein Medikament mehr, gar nichts. Ich hoffe, das ist den politischen Verantwortlichen bewusst.

Das Schlimme dabei ist: es gibt keine Alternative. Und wenn es sie geben würde, wäre sie dann besser?

Was machen diese Werkstoffe so interessant?

  • Sie sind resistent gegen alle Chemikalien und Lebensmittel, Getränke, etc.
  • Je nach Ausprägung ist er dynamisch/flexibel
  • Hält Temperaturen im Bereich von -200 bis +300 °C aus

Wenn man schon etwas verbietet, sollte man eine Alternative im Hintergrund haben, bei der eine Substitutionsprüfung gemacht wurde.

Denn so ist die Tür geöffnet, dass man den Teufel mit dem Beelzebub austreibt. Denn wenn ein Stoff gegen alles Mögliche resistent ist, dann ist es auch logisch, dass er schlecht abbaubar ist und er sich dadurch auch anreichert. Also egal mit welchem Werkstoff man arbeitet, erfüllt er die Eigenschaften wie beschrieben, dann lässt er sich auch nicht so einfach abbauen.

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