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Den Prozess im Blick

Einsparungen durch ganzheitliche Betrachtung
Den Prozess im Blick

In der Mischerbeschickung schlummern noch erhebliche Einsparpotenziale. Insbesondere bei Investitionsvorhaben lohnt es sich, nicht nur die einzelnen Funktionen, sondern den Gesamtprozess zu analysieren. Auf diese Weise lässt sich für jeden Betrieb ein individuelles Bereitstellungskonzept entwickeln.

Der Autor: Dr. Walter Kokeisl Geschäftsführer, Kokeisl Schüttguttechnik

Die Probleme beim Bereitstellen einzelner Komponenten in der schüttgüterverarbeitenden Industrie beginnen schon mit der Begrifflichkeit: Einwägen, Dosieren, Rezeptieren, Rezepturzusammenstellung oder gar Componenting? Oft werden auch betriebsinterne Begriffe kreiert wie SMH (Small Ingredient Handling) oder PK (Pulverkomponentenverwägung). Meistens wird von Groß-, Mittel- oder Kleinkomponentendosierung gesprochen.
Bei der Suche nach Kosteneinsparpotenzialen oder bei geplanten Neuinvestitionen sind diese Begriffe jedoch irreführend, da oft zu schnell über Lösungen diskutiert wird, bevor die eigentliche Aufgabenstellung geklärt ist. Fehlinvestitionen, nur punktuelle Lösungen, nicht optimaler Ressourceneinsatz und mangelnde Flexibilität sind die Folge.
Es lohnt sich also, zu überlegen, worum es wirklich geht: Mitentscheidend für die Qualität jeder Mischung ist die vorgelagerte, richtige Zusammenstellung der benötigten Komponenten. Diese werden aus einer Gesamtmenge (Rohstoffe) aufgrund von (Misch-)Aufträgen ausgewählt. Prinzipiell ist dieser Vorgang ein logistischer Prozess, der richtige Begriff dafür wäre also „Kommissionieren“. In der Automobil-, Maschinen- und Elektroindustrie hat sich diese Begrifflichkeit etabliert und es wurden in den letzten Jahren bedeutende Kostenersparnisse erzielt. Die Schüttgüter verarbeitende Industrie steht hier erst am Anfang.
In der Bereitstellung vor dem Mischprozess wird meistens Stückgut zu Schüttgut umgewandelt. Durch schlechtes Fließverhalten der Schüttgüter wird dieser Prozess häufig zusätzlich erschwert. Ein weiteres Problem: Das Denken in Funktionen und nicht in Prozessen verhindert in der Regel die für den individuellen Betrieb optimale Lösung. Prozessorientierung in der Schüttgüter verarbeitenden Industrie ist häufig nur eine „Pseudo-Prozessorientierung“, da die Optimierungsüberlegungen bei der Palette oder beim Stückgut Sack enden. Dies führt dazu, dass in Betrieben viele nicht wertschöpfende Tätigkeiten wie ein- und auspacken, transportieren, zwischenlagern, entnehmen, portionieren, dosieren, verwägen, zuführen und entsorgen mehrmals ausgeführt werden müssen.
Ein Beispiel aus einem Betrieb für Oberflächentechnik, das aber problemlos auch auf andere Branchen übertragen werden kann, zeigt die Problematik, das Vorgehen und die Lösung. Aus Vertraulichkeitsgründen wurde es leicht abgewandelt.
Praxisbeispiel
Für die Oberflächenbearbeitung von Werkstücken werden diese, zusammen mit einer Mischung aus verschiedenen Pulvern, je nach Rezept in unterschiedlichen Mengenverhältnissen, in einem definierten Behältnis einem Ofen zugeführt. Nach erfolgter Reaktion im Ofen wird das Werkstück dem Behältnis entnommen; die Pulvermischung kann anschließend unter Beimischung neuer Rohstoffe wiederverwendet werden. Die benötigten Rohstoffe werden aus dem Lager per Hubstapler als Sackware an einen Arbeitsplatz gebracht (ca. Tagesbedarf). Dort wird die Mischung händisch in das Behältnis eingewogen und für die Zuführung zum Ofen mittels Handwagen bereitgestellt.
Nach dem Ofen musste viel Kontrollaufwand getrieben werden, der Ausschuss war hoch aufgrund mangelnder Qualität, die Mischungen waren nicht zuverlässig genau verwogen. Die Verantwortlichen haben aufgrund dieser Problemstellung entschieden, die Funktion des Wiegevorgangs zu verbessern: Es wurde in eine neue Waage mit Rezeptverwaltung und bildschirmgeführter Mischungserstellung investiert (funktionsorientierter Lösungsversuch).
Von der Funktion zum Prozess
Nach Inbetriebnahme musste festgestellt werden, dass das Ziel, die Qualität zu verbessern und den Ausschuss zu verringern, nicht erreicht wurde. Die Verantwortlichen entschieden, mit einem Projektteam, bestehend aus den involvierten Mitarbeitern und einem externen Begleiter von Kokeisl, das Problem erneut, diesmal jedoch systematisch, anzugehen. Es wurde festgestellt, dass Einsparpotenziale bei der Beschaffung, bei der Bereitstellung und bei der Zuführung der Rohstoffe sowie bei der Mischungserstellung bestehen. Bei der Analyse wurden der hohe administrative Aufwand, die aufwendigen Transporte und Bereitstellungen sowie die hohen Rohmaterialbestände und die hohen Entsorgungskosten als Problem identifiziert. Auch die hohen Konzentrationsanforderungen an die Mitarbeiter (zuverlässige Genauigkeit) und die große körperliche Anstrengung der Tätigkeit fielen bei der Analyse negativ auf. Ebenfalls nicht optimal ist der hohe Kontrollaufwand und der entstehende Ausschuss.
In einem anschließenden Workshop wurden Ziele aufgelistet sowie der Prozess der Bereitstellung und Zuführung analysiert. Das generelle, theoretische Ziel wurde schnell formuliert: Richtige Bereitstellung und Zuführung (Menge, Zeitpunkt, Qualität) der Mischung bei gleichzeitig geringeren Beschaffungs- und Bereitstellungskosten wie Einkaufspreis, Administrationsaufwand, Lager-, Transport- und Handlingkosten sowie Kosten für Leergut und Entsorgung.
Erfolgreiche Problemlösung
Basierend auf dem gebündelten Wissen aller Beteiligten wurde schließlich folgende Lösung entwickelt: Die Hauptkomponenten werden lose in IBCs (Container) nach dem Kanban-System beschafft und direkt der Entnahmestation zugeführt. Mit den gleichen IBCs werden auch die ausgebrachten Mischungen gehandhabt. Die weiteren Komponenten werden fallweise bei C-Lieferanten in unterschiedlichen Gebinden (meist Säcke) beschafft und in stationäre Behälter bei der Entnahmestation entleert. Die Container sowie die Behälter sind mit dem Kokeisl (Austragen und Dosieren mit Schwerkraft) ausgerüstet, sodass die zuverlässige, flexible und präzise Direktentnahme gewährleistet ist. Die benötigten Chargen bzw. Mischungen werden vollautomatisch mittels fahrbarer Waage rezeptgesteuert direkt in die Behältnisse eingewogen. Die Zuführung der Anliefergebinde und die Zuführung der befüllten Behältnisse zum Ofen erfolgen nach wie vor mittels Hubstapler bzw. Handwagen.
Nach Projektabschluss wurde in einer Nachkalkulation bestätigt, dass aufgrund des ganzheitlichen bzw. prozessorientierten Vorgehens deutliche Einsparungen bei der gesamten Bereitstellung der Rohstoffe erzielt werden konnten.
prozesstechnik-online.de/cav1211436
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