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Der Weg ist das Ziel

Eine anforderungsgerechte Qualifizierung von Wirkstoffanlagen minimiert den Aufwand
Der Weg ist das Ziel

Der Weg ist das Ziel
Bild 1: Wirkstoffanlagen besitzen eine Vielzahl von Maschinen und Apparaten mit mehreren hundert Mess- und Regeleinrichtungen. Sie sind durch ein komplexes Rohrleitungssystem verbunden. Dieser Tatsache muss Rechnung getragen werden, auch in Bezug auf die Qualifizierung. Bild 2: Beispiel für eine tabellarische Risikoanalyse
Um eine GMP-gerechte Herstellung von pharmazeutischen Wirkstoffen sicherzustellen, sind die Validierung der zugehörigen Verfahren und die Qualifizierung der Ausrüstung, Gebäude und Räumlichkeiten unumgänglich. Der Aufwand für die Qualifizierung gestaltet sich hierbei sehr zeit-, personal- und damit kostenintensiv. Mit der richtigen Planung lässt sich der Aufwand jedoch eingrenzen.

Dipl.-Ing. (FH) Peter Bappert

Die Qualifizierung einer Wirkstoffanlage gilt es in erster Linie anforderungsgerecht unter Beachtung aller relevanten Bedingungen zu planen und durchzuführen. Zahlreiche GMP-Anforderungen gelten nur für bestimmte Anwendungsfälle, z. B. spezielle Produkte (Parenteralia, Solida, Liquida), bestimmte Verfahren (Sterilisation, Reinigung) oder besondere Anlagen (Wassersysteme, RLT-Anlagen). Außerdem sind nicht alle GMP-Regeln in der Praxis für Wirkstoffanlagen anwendbar. Anlagen zur Herstellung von pharmazeutischen Wirkstoffen sind in aller Regel mit Fertigarzneimittelanlagen nicht zu vergleichen. Es gibt teilweise sehr große Unterschiede. Dies betrifft beispielsweise die Produktionsmaßstäbe (Chargengrößen von mehreren Tonnen), die Verfahren (komplexe chemische Synthesen und aufwändige Aufarbeitungstechniken, teilweise kontinuierliche Betriebsweise), die Maschinen und Apparate (Behälter mit mehreren m³) und die Technologien (pneumatische Förderung, CIP). Nicht selten handelt es sich bei Wirkstoffanlagen um große Chemieanlagen mit mehreren tausend Quadratmetern Grundfläche, verteilt auf mehreren Geschossen, einer Vielzahl von Maschinen und Apparaten, ausgerüstet mit mehreren hundert Mess- und Regeleinrichtungen, verbunden mit komplexen Rohrleitungsverbindungen und mit allen erdenklichen Betriebsmedien verbunden. Dieser Tatsache muss Rechnung getragen werden, auch in Bezug auf die Qualifizierung. Und dies betrifft alle Ebenen einer Qualifizierung, beginnend mit dem grundsätzlichen Qualifizierungskonzept, dem Masterplan, der Prüfplangestaltung, dem Formalismus, der Chronologie, dem Umfang und der Tiefe der einzelnen Prüfungen.
Planung der Validierung
Neben Design und Ausführung der eigentlichen Anlage wird auch der Qualifizierungsaufwand bereits im Basic Design einer Anlage sehr stark beeinflusst. Ein Qualifizierungskonzept für Wirkstoffanlagen sollte sich zwingend am typischen Anlagenaufbau und dem Verfahrensablauf orientieren. Bei Neuanlagen ist die möglichst frühe Einbindung und Berücksichtigung der Qualifizierung innerhalb der Basis-Planung wichtig. Aus GMP-Sicht ist es in dieser Phase von Bedeutung, die zentralen GMP-Anforderungen in Form einer GMP-Einstufung einzugrenzen und entsprechend systematisch zu dokumentieren. Bei Altanlagen wird eine solche GMP-Einstufung ergänzt um einen Soll-Ist-Vergleich. Das Produkt wird dabei zunächst eingestuft in Bezug auf GMP, d. h. abhängig von der Verwendung, den Anwendungsbereichen, der Verfahrensstufe bzw. der weiteren Verarbeitung und des Vertriebsbereiches des Produktes oder der Produkte. Die relevanten Regelwerke werden ermittelt und zusammengefasst, ggf. werden Begründungen geliefert, weshalb bestimmte Regelwerke nicht relevant sind. Im nächsten Schritt wird das Produkt im Hinblick auf die chemischen, physikalischen und mikrobiologischen Eigenschaften und Risiken eingestuft. Anschließend erfolgt die Beschreibung der Konzepte für Verfahren, Anlage, Gebäude und Räumlichkeiten sowie der Dokumentation.
Validierungsmasterplan
Nachdem die Rahmenbedingungen ermittelt und in der GMP-Einstufung dokumentiert wurden, sollte spätestens der Validierungsmasterplan erstellt werden. Hier gibt es zahlreiche Wege, in welcher Form oder Systematik ein solcher Masterplan ausgeführt wird. Es muss sich hierbei nicht zwingend um ein einziges, entsprechend ausführlich gestaltetes, Dokument handeln, um z. B. konform mit den Forderungen des PIC/S-Dokumentes PI 006 zu sein. Bei komplexen Wirkstoffanlagen stellt sich die Frage, ob die geforderten Inhalte eines Validierungsmasterplanes nicht besser in mehreren verschiedenen, chronologisch aufeinander aufbauenden Dokumenten aufgeführt und in einem Ordner, einem so genannten Validierungsmasterordner, zusammengefasst werden. Dies reduziert in aller Regel zumindest den Änderungsaufwand. Ein alles umfassender Masterplan muss nicht bei jeder Änderung revidiert werden. So könnten die Festlegung der Verantwortlichkeiten (Validierungsteam) und die Eingrenzung des Validierungsumfanges in einem eigenen Dokument (max. 2 bis 3 Seiten) zusammengefasst werden.
Betreiberanforderungen
Im nächsten Schritt werden alle relevanten Anforderungen aus Betreibersicht beschrieben und dokumentiert. Dies erfolgt in den URS (User Requirement Specifications) bzw. dem Betrieblichen Lastenheft. Hierin müssen die aus Betreibersicht relevanten, einzuhaltenden Anforderungen fixiert werden. Dabei muss die Beschreibung einerseits so genau und detailliert als möglich erfolgen, also dort, wo aus GMP-Sicht notwendig, andererseits aber auch mit möglichst vielen Freiräumen für das Engineering, das in aller Regel mit der Detailbeschaffung der Ausrüstungsgegenstände betraut wird. So sollte ein Betreiber beispielsweise durchaus festlegen, dass bestimmte produktberührte Oberflächen hochwertig ausgeführt werden (z. B. Ra = 0,8 µm), er sollte aber z. B. Freiräume für eine Gestaltung von Sekundärkreisen ohne Produktberührung einräumen. Das Betriebliche Lastenheft dient der Beschreibung des gesamten Anlagenkonzeptes, d. h. alle Gewerke müssen hier integriert werden, zumindest immer dann, wenn es relevante GMP-Anforderungen gibt, die beim Design der Anlage berücksichtigt werden müssen.
Risikoanalysen
Die Durchführung von Risikoanalysen wird zunehmend stärker von behördlicher Seite gefordert und ist ebenso immer häufiger auch gefordert in den GMP-Regelwerken (u. a. PIC/S PI 006 oder ICH Q7a). Risikoanalysen sind mittlerweile integraler Bestandteil der Qualifizierungsaktivitäten. Der Zeitpunkt zur Durchführung der Risikoanalysen sollte möglichst früh sein. Es empfiehlt sich, die Risikoanalyse nach der Erstellung des ersten Entwurfs oder der ersten Version des Betrieblichen Lastenheftes durchzuführen. Ziel der Risikoanalyse ist die Identifikation und Beurteilung der für die Produktqualität kritischen Aspekte und die Festlegung von Maßnahmen zu deren Beherrschung. Im GMP-Umfeld münden diese in der Regel in drei Kategorien von Maßnahmen: Designanforderungen (umzusetzen im Lastenheft), organisatorische Maßnahmen (umzusetzen in SOPs) und Prüfmaßnahmen (umzusetzen in Qualifizierung/Validierung, Kalibrierung, In-Prozess-Kontrollen). Bei einer komplexen Wirkstoffanlage können die Aspekte und Maßnahmen verschiedenen Ursprungs sein. Um diese einerseits systematisch zu erfassen und andererseits zu deren Diskussion auch immer die richtigen Fachspezialisten zu integrieren, empfiehlt es sich, das Thema Risikoanalysen in vier verschiedene Risikoanalysenthemen zu unterteilen: Herstell- und Reinigungsverfahren, Herstellungsanlage sowie Automatisierung.
Betriebliches Lastenheft und Risikoanalysen müssen in einem iterativen Prozess entwickelt werden. Zunächst wird ein Anlagen- und Verfahrenskonzept benötigt, z. B. die Version 1 des Betrieblichen Lastenheftes. Auf dieser Basis werden die Risikoanalysen durchgeführt. Ermittelte Maßnahmen aus den Risikoanalysen wiederum müssen unmittelbar in z. B. die Version 2 des Betrieblichen Lastenheftes eingearbeitet werden. Es gibt verschiedene Methoden, Risikoanalysen durchzuführen. Bekannte Methoden sind u. a. die FMEA, HACCP oder Fehlerbaumanalyse. Bewährt haben sich bereits mehrfach tabellarische Risikoanalysen.
Durchführung der Qualifizierung
Um den dokumentarischen Aufwand für die Qualifizierung einerseits zu minimieren, aber andererseits auch die Vollständigkeit aller notwendigen Qualifizierungsmaßnahmen sicherzustellen, wird die Qualifizierung abschließend innerhalb eines Qualifizierungsprojektplanes unterteilt. Dazu werden alle Qualifizierungsaktivitäten in sinnvolle Teilpakete untergliedert. Eine Orientierung an einzelne Apparate und Maschinen macht bei komplexen Wirkstoffanlagen keinen Sinn, der Aufwand nur für die Erstellung der Qualifizierungsprüfpläne wäre enorm. Vielmehr macht es Sinn, eine Unterteilung in Verfahrens- und Anlagenabschnitte und verschiedene einzelne Gewerke vorzunehmen. Eine Unterteilung der Qualifizierungsprüfpläne in Verfahrensabschnitte, orientiert anhand der R&I-Schemata und den Gebäudezonen oder Gewerken, hilft, die Anzahl der zu erstellenden Qualifizierungsprüfpläne auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren.
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