Startseite » Chemie »

Die Autonomen

Drahtlose Temperatursensoren nutzen Energy Harvesting
Die Autonomen

Energy Harvesting löst ein zentrales Problem von drahtlosen Sensorknoten: Der regelmäßige Austausch von Primärzellen ist nicht mehr erforderlich, dies senkt auch die Gesamtbetriebskosten. Die Technik eignet sich sicher nicht für alle Sensoren unter allen Umständen, dennoch stellt sie eine praktikable Versorgungsmöglichkeit für viele dar. Zudem tragen vollständig autonome Geräte dazu bei, industrielle Prozesse besser zu verstehen und somit rentabler zu gestalten.

Die Autoren: Horst Schwanzer Global Product Manager Temperature Products, ABB Process Automation Tilo Merlin Technology Manager Temperature Products, ABB Process Automation

Drahtlose Kommunikation ist aus dem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken. Jedoch müssen auch die modernsten Tablets oder Smartphones regelmässig an die Steckdose bzw. an das Ladegerät. Batteriegestützte Drahtlos-Technologie im industriellen Umfeld ist nur eine Teillösung. ABB zeigt, dass nicht nur eine Kommunikation ohne Kabel möglich ist, sondern entwickelt auch energieautarke Messgeräte. Erste Praxiserfahrungen liegen vor und noch in diesem Sommer wird ein erstes Produkt auf den Markt kommen.
Energy Harvesting
Durch den regelmäßigen Austausch von Batterien werden die durch den Einsatz drahtloser Geräte erzielten Einsparungen – je nach Konfiguration der Anlage – schnell relativiert. Eine mögliche Lösung zur Realisierung von vollständig autonomen Geräte bietet die Methode des Energy Harvesting. Dabei wird Energie aus der Prozessumgebung in nutzbare elektrische Energie umgewandelt, die wiederum zur Versorgung drahtloser Geräte genutzt wird. Zu den typischen Energiequellen gehören heiße und kalte Prozesse, Sonnenstrahlung, Vibrationen sowie die kinetische Energie von fließenden Medien oder sich bewegenden Teilen.
Die gängigsten Wandlermechanismen
Obwohl die Photovoltaik heute eine robuste und etablierte Technologie darstellt, ist ihr Einsatz im Innenraumbereich nur beschränkt möglich. Während im Freien Bestrahlungsstärken von rund 1000 W/m² erreicht werden können, liegen die Werte im Innenraumbereich typischerweise bei 1 W/m², d. h. die nutzbare Energiemenge ist eher begrenzt.
Thermoelektrische Generatoren (TEG) nutzen den Temperaturunterschied zwischen heißen oder kalten Prozessen und der Umgebung, um Wärmeenergie mithilfe des Seebeck-Effekts1 in elektrische Energie umzuwandeln. Der Wirkungsgrad von TEGs ist zwar recht niedrig (tmeist >1 %), doch die Technologie ist recht robust und stabil. Besonders in der Prozessindustrie stehen häufig große Temperaturreservoire und damit große Wärmemengen zur Verfügung. Die von handelsüblichen TEGs bereitgestellte Leistung reicht aus, um eine Vielzahl von drahtlosen Sensorknoten in unterschiedlichen Szenarios zu versorgen.
Die direkte Umwandlung von mechanischer Bewegung, z. B. in Form von Vibrationen, in elektrische Energie kann mithilfe verschiedener Mechanismen erreicht werden. Elektromechanische Mechanismen nutzen eine flexibel gelagerte Spule, die sich im statischen Magnetfeld eines kleinen Permanentmagneten bewegt. Dadurch wird gemäß des Faraday‘schen Gesetzes eine Spannung induziert.
Piezoelektrische Wandler basieren auf piezoelektrischen Materialien. Durch kinetische Bewegung wird eine seismische Masse verschoben, die wiederum eine mechanische Belastung auf das piezoelektrische Material ausübt.
Elektrostatische Wandler basieren auf einem geladenen einstellbaren Kondensator. Werden mechanische Kräfte auf den Kondensator ausgeübt, so wird gegen die Anziehungskraft der entgegengesetzt geladenen Kondensatorplatten Arbeit verrichtet. Durch die Veränderung der Kapazität wird in einem geschlossenen Stromkreis ein Stromfluss induziert.
Alle diese Prinzipien basieren auf einem mechanischen Resonator. Die Systeme können nur dann eine angemessene Leistung liefern, wenn die Resonanzfrequenz des Geräts der externen Erregungsfrequenz entspricht. So ist etwa die Nutzung von vibrationsbasierten EH-Systemen (sogenannten Vibrations-Harvestern) beim Einsatz von Frequenzumrichtern innerhalb des Prozesses nur beschränkt möglich.
Systemkomponenten und -architektur
Energy Harvesting kann ein diskontinuierlicher Prozess sein: Bei photovoltaischen Anwendungen im Freien führen Tag- und Nachtzyklen zu einer schwankenden Versorgung. Anlagenstillstände können die Prozesstemperaturen und somit die Energieabgabe von TEGs beeinflussen, und Frequenzumrichter können sich auf den Energieertrag von Vibrations-Harvestern auswirken. Andererseits kann es Zeiten geben, in denen die EH-Systeme mehr Energie liefern als tatsächlich benötigt wird.
Das Verbrauchprofil von typischen drahtlosen Sensorknoten ist ebenfalls diskontinuierlich: Abhängig vom Arbeitszyklus und der Aktualisierungsrate des Sensors können Spitzenlasten auftreten, die gepuffert werden müssen, da die EH-Systeme nicht in der Lage sind, die kurzzeitigen hohen Ströme zu unterstützen. Grundsätzlich benötigt jedes EH-System einen Puffer, um Zeiten zu überbrücken, in denen der Wandler nicht genügend Energie für den Sensorknoten liefern kann. Typische Puffer sind:
  • Spezielle Super- oder Hybridschichtkondensatoren, die hohe Spitzenströme tolerieren
  • Wiederaufladbare Sekundärzellen
  • Herkömmliche Primärzellen, die zwar keine überschüssige Energie vom EH-System speichern können, aber die Versorgung sicherstellen, wenn das System dazu nicht in der Lage ist
  • Typische industrielle Primärzellen, sie besitzen eine lange Haltbarkeit mit einer geringen Selbstentladung
Herkömmliche Sekundärzellen auf Lithium-Ionen-Basis können nur einer begrenzten Anzahl von Lade-/Entladezyklen unterzogen werden.
Für eine wirklich autonome Stromversorgung benötigen EH-Geräte und Puffer ein geeignetes Energiemanagementsystem. Dessen Hauptfunktionen sind das Anpassen der Ausgangsspannung und des Stroms vom EH-System an die Anforderungen des Verbrauchers und das nahtlose Umschalten zwischen den Puffersystemen und den verschiedenen EH-Quellen.
Komplett energieautark
Die ABB-Forschung hat einen komplett autonomen Temperaturmessumformer mit einem vollständig integrierten EH-System auf der Basis von thermoelektrischen Generatoren entwickelt. Die TEGs wurden so in das Gerät integriert, dass die Handhabung, Stabilität und der Formfaktor des Messumformers unverändert bleiben, während die Lebensdauer und Funktionalität erheblich verbessert werden. Das Gerät verfügt außerdem über eine intelligente Pufferlösung, die die Versorgung sicherstellt, wenn die Prozesstemperatur einmal nicht ausreicht, um genügend Energie zu liefern.
Aufgrund der vorgegebenen Größe des gewählten Temperaturmessumformers war eine Integration herkömmlicher TEGs, die normalerweise eine Größe von 10 bis 20 cm² haben, nicht möglich. Stattdessen wurden mikrothermoelektrische Generatoren (sog. Mikro-TEGs) eingesetzt, die in einem waferbasierten Fertigungsverfahren hergestellt werden. Die größte Herausforderung bei der Integration beider Geräte bestand darin, die Stabilität und Robustheit des Messumformers zu erhalten.
In den meisten Fällen ist der Prozess wärmer als die Umgebungsluft, sodass die „heiße“ Seite der TEGs mit möglichst optimaler thermischer Leitfähigkeit an den Prozess gekoppelt werden muss. Um den Wärmestrom durch die TEGs zu maximieren, wurden umfangreiche numerische Simulationen durchgeführt. Die andere (kalte) Seite muss gekühlt werden und ist daher über einen Kühlkörper mit der Umgebungsluft gekoppelt. Um Anwendungen gerecht zu werden, in denen das Prozessrohr von einer dicken Isolierung umgeben ist, muss der Kühlkörper in ausreichendem Abstand positioniert werden. Bei einem Mindesttemperaturunterschied zwischen dem Prozess und der Umgebung von etwa 30 K ist das System in der Lage, genügend Energie sowohl für die Messtechnik als auch die drahtlose Kommunikation zu liefern. Bei Temperaturgefällen von mehr als 30 K wird mehr Energie gewonnen als benötigt wird. Dieser Überschuss könnte zum Beispiel genutzt werden, um schnellere Aktualisierungsraten zu ermöglichen.
prozesstechnik-online.de/cav0613449
Unsere Webinar-Empfehlung
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

cav-Produktreport

Für Sie zusammengestellt

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper

Top-Thema: Instandhaltung 4.0

Lösungen für Chemie, Pharma und Food

Pharma-Lexikon

Online Lexikon für Pharma-Technologie

phpro-Expertenmeinung

Pharma-Experten geben Auskunft

Prozesstechnik-Kalender

Alle Termine auf einen Blick


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de