Die Nase vorn

In zwei getrennten Produktionsbereichen kann Wülfing Pharma sämtliche Medikamentengattungen produzieren: feste Formen, Parenteralia sowie Sonderformen wie Klistiere und Suppositorien. Doch damit nicht genug: Der Leitsatz von Wülfing Pharma lautet „Alles aus einer Hand“. Um diese Zielvorgabe in die Realität umzusetzen, übernimmt Wülfing die gesamte Auftragsabwicklung für seine Kunden. Der Prozess beginnt mit dem Einkauf der einzelnen Inhaltsstoffe, der Übertragung der Rezeptur auf die Maschinen in einem Einführungsprojekt und Validierung dieser gemäß den jeweils maßgeblichen nationalen und internationalen Rechtsvorgaben. Die Herstellungsphase umfasst die eigentliche Produktion, Qualitätskontrolle, Dokumentation und Chargenrückverfolgung, gefolgt von der Konfektionierung, Prägung und Verpackung des fertigen Produkts. Um die Prozesskette abzuschließen, übernimmt Wülfing Pharma auch die logistische Verteilung der Paletten und auf Wunsch die Rechnungsstellung für die Kunden. Die Auslieferung erfolgt dabei in über 80 Länder – hierbei gilt es, die jeweiligen landesspezifischen Einfuhrbestimmungen und Lieferscheindokumentationen zu berücksichtigen.

Je mehr Kunden das eigenständige Unternehmen gewinnen konnte, umso deutlicher sichtbar wurde, dass das bestehende ERP-System an seine Grenzen stieß. So entschied sich die Geschäftsleitung der Wülfing Pharma, die Systemlandschaft auf Vordermann zu bringen. Das eingesetzte ERP-System war nicht für die Pharmaindustrie validiert. Deshalb konnte die Applikation die Spezifika der Pharmaindustrie nicht standardmäßig abbilden. Um die mangelnden Funktionalitäten der ERP-Engine auszugleichen, musste die proprietäre ERP-Insel mit den für den Herstellungsprozess wichtigen Komponenten wie dem Laborinformationssystem (LIMS), der Finanzbuchhaltung sowie den Logistikanwendungen für die Lagerplatzverwaltung verbunden werden. Dies geschah mittels selbst programmierter Schnittstellen, die jedoch den zunehmenden Anforderungen schlichtweg nicht mehr gewachsen waren. Diese Schwächen wurden erkannt und in Forderungen umformuliert. Demnach musste das neue System hoch integriert und in sich geschlossen sein, die Standardprozesse der Pharmaindustrie bereits abbilden, von Haus aus validierbar sein und von einem Anbieter stammen, der ein hohes Maß an Prozess- und Industriewissen im Pharmasektor verfügt. Der Abschied vom alten System sollte gleichzeitig zugunsten von Windows erfolgen, da die übrigen Applikationen bereits auf dem Microsoftbetriebssystem liefen. Einkauf, Logistik, Produktion, Qualitätsmanagement, Qualitätskontrolle, Verkauf und IT sahen ihre Interessen am besten bei Infor Blending ERP vertreten. Und die Geschäftsführung freute sich, dass die Lizenzierung im Gegensatz zu anderen Angeboten nicht anhand von namentlich genannten und zu bezahlenden Endanwendern abgerechnet wird. Bei Blending ERP kauft man eine Anzahl an Lizenzen, die von unterschiedlichen Mitarbeitern genutzt werden können.

Infor Blending ERP wurde speziell für chargen- und rezepturorientierte Prozessfertiger entwickelt. Im Mittelpunkt stehen die Chargenverwaltung und eine lückenlose Chargenrückverfolgung für die gesamte Wertschöpfungskette. Die Chargenbestandsführung und Materialbereitstellung richtet sich nicht nur nach artikelspezifischen Anforderungen wie beispielsweise Verfallsdaten, sondern auch nach kundenspezifischen Qualitätsstandards. Die ERP-Software ist zudem in der Lage, eine mehrstufige rezepturorientierte Fertigung von Bulks und Halbfertigprodukten abzubilden und zu steuern. Das System beinhaltet hierbei Möglichkeiten zur fertigungsablauforientierten Beschreibung der Rezepturstruktur auf Basis von Ressourcen, zur Verwaltung von Dominanten und Ausgleichsstoffen und zur automatischen Rezepturarchivierung. Mit Blending ERP können qualitative und quantitative Eigenschaften Ressourcen zugeordnet werden. Quantitative Eigenschaften können dabei für den Output über alle Stufen des Verfahrens automatisch vom System ermittelt und zur Verfügung gestellt werden. Lieferantenqualifizierung, Artikelbeurteilung und Zollverwendungsnachweis sind im System integriert.

Die ERP-Software erfüllt die gesetzlichen Validierungsansprüche und ist eine in sich integrierte Suite, die nativ alle wesentlichen Bereiche der Wertschöpfungskette abdeckt. Bei der Implementierung nahezu aller Module hielt sich Wülfing Pharma an den Standard. Der notwendige Validierungsaufwand fiel dabei sehr gering aus. Das liegt daran, dass Infor Blending ERP gemäß der Einstufung nach GAMP einer intergrierten ERP-Lösung der Kategorie 4 entspricht, die auf Basis von Best Practices und den gesetzlichen Bestimmungen entwickelt und konfiguriert wurde. Berücksichtigt werden dabei wichtige gesetzliche Bestimmungen und Empfehlungen wie das Arzneimittelgesetz, die Betriebsverordnung für pharmazeutische Unternehmer, die PIC/S Guidance PI 011 und der EU-GMP-Leitfaden Anhang 11 für computergestützte Systeme. Sowohl bei der Validierungsplanung als auch bei deren Durchführung wurde den Empfehlungen des GAMP-Leitfaden Version 4 (Validierung automatisierter Systeme in der pharmazeutischen Herstellung) gefolgt. Sie vollzog sich in mehreren Arbeitsschritten, von der Definitionsphase über die Umsetzungsphase mit Testdurchführung und Validierungsbericht, bis hin zur Systemfreigabe. Bei der Hardwarequalifizierung wurde eine analoge Vorgehensweise gewählt. Für das Laborinformationssystem entwickelten die Wülfing-Experten zusammen mit Infor auf Basis des bestehenden Blending LIMS eine erweiterte Version, die exakt den Anforderungen in der Praxis entspricht. Dabei standen beispielsweise Erweiterungen wie Merkmalsdefinitionen für Testszenarien und Dissolutionstests, eine durchgehende Stabilitätsverwaltung und eine automatische Prüfauftragsanlage im Mittelpunkt.

Nach Abschluss der Anpassung und der Tests rückte der Tag der Wahrheit näher. An einem Donnerstagnachmittag wurde das alte System gesteuert heruntergefahren und die Weichen gestellt, um Blending ERP in Betrieb zu nehmen. Am Freitag lief die Produktion noch wie gewohnt, allerdings ohne Rückmeldung vom System. Das Wochenende wurde damit verbracht, das alte System auf das neue zu migrieren. Und Punkt acht Uhr am Montag der Folgewoche ging das neue ERP-System ans Netz.

Durch den Einsatz von Blending ERP konnte Wülfing Pharma die Liefertreue optimieren und ist für Kunden sicherer geworden. Die dispositiven Bestandteile des Standards wurden ergänzt durch eine kunden- und artikelorientierte Budgetplanung, die die Daten für die langfristige Produktions- und Beschaffungsplanung bildet. Für die kurz- und mittelfristige Produktions- und Beschaffungsplanung wurde ein Werkzeug entwickelt, das den Anforderungen eines Lohnherstellers in idealer Weise gerecht wird. Die Forecastplanung berücksichtigt dabei die häufige Änderung und Korrektur der vorgegebenen Abnahmemengen der Kunden sowohl hinsichtlich der Menge als auch in Bezug auf die Abnahmetermine und die damit einhergehenden Einflüsse auf die kurz- und mittelfristigen Produktions- und Beschaffungsplanung von Wülfing Pharma. Mithilfe der Forecastplanung können die Plan-Kundenaufträge sehr schnell angelegt und an die sich verändernden Anforderungen angepasst werden. Über die Vergabe verschiedener Planungsstati und Bestätigungskennzeichen in Verbindung mit dem automatischen Mail- und Benachrichtigungssystem werden die aus den Kundenaufträgen abgeleiteten Planaufträge qualifiziert und für die Produktions- und Beschaffungsplanung transparent und kalkulierbar. Durch die Verknüpfung der Kundenaufträge mit den Produktionsvorschlägen und Produktionsaufträgen im Rahmen der auftragsbezogenen Fertigung und der detaillierten Vergabe von aussagefähigen Stati innerhalb des Produktionsplanungs- und Durchführungsprozesses, besteht die Möglichkeit, binnen Minuten exakte Aussagen zu treffen, in welchem Stadium sich eine Produktion gerade befindet. Dabei ist das das Potenzial bei Weitem noch nicht voll ausgeschöpft. Zukünftig will Wülfing Pharma Blending ERP noch stärker für die Planung, Maschinenbelegung und Simulation einsetzen.

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