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Digitale Bildanalyse

Charakterisierung pharmazeutischer Granulate
Digitale Bildanalyse

Zur Bestimmung der Partikelgröße und -form pharmazeutischer Granulate sog. Retard-Arzneiformen setzt man am Lehrstuhl für Pharmazeutische Technologie der Universität Tübingen das digitale Bildverarbeitungssystem Camsizer ein. Durch die Bestimmung des Oberflächen-Volumen-Verhältnisses gelingt es, die einzelnen Granulatfraktionen exakt zu beschreiben. Die Bildanalysedaten korrelieren mit dem Freisetzungsparameter und ermöglichen eine Vorhersage des Freisetzungsprofils für beliebige Granulatfraktionen.

Stefanie Christian; Dr. Karl G. Wagner

Pharmazeutische Granulate sind, technisch gesehen, Agglomerate, die meist aus einer Mischung von Arzneistoff und diversen Hilfsstoffen bestehen. Die Granulatherstellung kann mit verschiedenen Methoden erfolgen. Eine davon ist die Trockengranulierung, ein einfaches und schnelles Verfahren. Dabei werden wirkstoffhaltige Pulvermischungen mit Tablettenpressen oder Walzenkompaktoren zu großen Einheiten verpresst und anschließend mit Hilfe von Mühlen oder Siebgranulatoren auf die gewünschte Granulatkorngröße zerkleinert. Die unterschiedlich großen Granulatpartikel, die dabei entstehen, sind naturgemäß unregelmäßig geformt. Gebräuchlich ist die Granulation zur Manifestierung einer bestimmten Mischungsgüte sowie zur Verbesserung der Fließ- und Kompressionseigenschaften der Pulvermischung. Ein neueres Einsatzgebiet stellt die Verwendung solcher Trockengranulate als selbstständige Arzneiform dar, die den Wirkstoff über einen gewissen Zeitraum (8 bis 12 Stunden) möglichst gleichmäßig abgibt. Solche so genannten Retard-Arzneiformen haben für den Patienten den Vorteil eines verlängerten Einnahmeintervalls und dementsprechend einer reduzierten Einnahmefrequenz gegenüber herkömmlichen Arzneiformen.
Freisetzungsverhalten des Wirkstoffes
Beispielhaft wird hier mit dem Verfahren der Trockengranulierung das anti-asthmatische Theophyllin zusammen mit Ammonium Methylmethacrylat Copolymer (Eudragit RS PO) und Ethylcellulose (Ethocel Standard 10 FP Premium) granuliert. Dabei haben die zwei letztgenannten Polymere die Aufgabe, eine gegenüber physiologischen Flüssigkeiten inerte Matrix aufzubauen, in die der Arzneistoff Theophyllin eingebettet wird. Die wertbestimmende Eigenschaft der erhaltenen Granulate ist dabei die Menge an Arzneistoff, die pro Zeiteinheit aus den Granulatpartikeln abgegeben wird. Diese Abgabe gliedert sich in zwei Schritte: Zuerst benetzt Wasser den an der Oberfläche befindlichen Arzneistoff und löst diesen auf. Anschließend verlassen die gelösten Arzneistoffmoleküle diffusionsgesteuert das Matrixsystem. Zu Beginn sind die Diffusionswege kurz, da sich der Arzneistoff nahe an der Oberfläche befindet. Im Verlauf der Zeit werden diese Wege aber mit Fortschreiten der Diffusionsfront zum Partikelinneren immer länger, so dass die freigesetzte Menge Arzneistoff pro Zeiteinheit abnimmt. Bild 1 zeigt die Diffusionsfront nach 10 Stunden Freisetzung.
Je größer die Oberfläche im Verhältnis zum Volumen der Einzelpartikel ist, umso schneller wird der Wirkstoff aus der Matrix herausgelöst. Kleine Granulatkörner haben eine große Oberfläche bezogen auf ihr Volumen. Dadurch können, im Vergleich zu großen Granulatkörnern, mehr Lösemittelmoleküle angreifen und der Wirkstoff wird schneller freigegeben. Um Vorhersagen dieses Freisetzungsverhaltens treffen zu können, ist demzufolge die Kenntnis von Oberfläche und Volumen dieser unregelmäßig geformten Granulatpartikel bzw. von deren Verteilungen erforderlich.
Dynamisches Bildanalysesystem Camsizer
Um die Vorhersagbarkeit des beschriebenen Systems zu untersuchen, wird das erhaltene Granulat in fünf verschiedene Fraktionen der Größen: 2 bis 2,8 mm / 1,4 bis 2 mm / 1 bis 1,4 mm / 0,71 bis 1 mm / 0,5 bis 0,71 mm getrennt. Diese werden auf ihr In-vitro-Theophyllin-Freigabeverhalten in Abhängigkeit ihrer Partikelgröße und -form untersucht. Ziel ist es, über die Korrelation dieser Parameter ein Modell zur Vorhersage von Freisetzungsprofilen aus unbekannten Granulatfraktionen zu entwickeln.
Bei den einzelnen Granulatfraktionen handelt es sich um inhomogene Partikelkollektive, die bezüglich ihrer Form und Größe sehr unterschiedlich sind. Daher ist eine Charakterisierung mit einem einfachen Kugelmodell (Kugeldurchmesser = Klassenmitte der Siebfraktion) oder herkömmlichen Bildanalysesystemen nicht möglich. Das dynamische Bildanalysesystem Camsizer (Bild 2) stellt demgegenüber eine leistungsfähige Alternative dar und ermöglicht eine schnelle, nicht invasive Bestimmung der Partikelgröße und -form rieselfähiger Schüttgüter. Beim Camsizer wird das Granulat über eine Förderrinne in einen Freifallschacht geleitet, der eine Lichtquelle und zwei hochauflösende CCD-Kameras mit unterschiedlichem Abbildungsmaßstab enthält. Während des freien Falls der Probe werden die Einzelpartikel der Granulatfraktionen von den Kameras erfasst und in Echtzeit ausgewertet. Es handelt sich dabei um eine zerstörungsfreie Methode, die Messdauer beträgt pro Durchgang circa fünf Minuten. Neben Bildanalyseparametern wie mittlere Teilchengröße, Länge, Breite, Längen-/Breiten-Verhältnis, Rundheit, Symmetrie und Konvexität kann zusätzlich ein Oberflächen-Volumen-Verhältnis (Sv) ermittelt werden. Für die Berechnung des Oberflächen-Volumen-Verhältnisses (Sv) stehen die Berechnungsmodelle Kugel sowie verschiedene Ellipsoide zur Auswahl.
Die Messung und Auswertung der untersuchten Theophyllin-Matrixgranulate ergibt längliche und symmetrische Partikel, so dass zur Berechnung des Oberflächen-Volumen-Verhältnisses ein Ellipsoid zugrunde gelegt wird. Dieses wird für alle Größenklassen bestimmt und repräsentiert die Granulatfraktion hinsichtlich dieser beiden Parameter.
Korrelation mit Freisetzungsparameter
Zwischen der Geschwindigkeit der Wirkstofffreisetzung und dem Oberflächen-Volumen-Verhältnis der Granulate besteht ein mathematischer Zusammenhang. Betrachtet man die kumulativ freigesetzte Theophyllinmenge über die Zeit, ergeben sich für die Größenfraktionen unterschiedliche Freisetzungsprofile. Diese lassen sich mit Hilfe der Weibull-Funktion beschreiben. Der Bezugsparameter (k63,2%) ist der Zeitpunkt, an dem 63,2 % des enthaltenen Wirkstoffs aus dem Granulat freigesetzt sind. Die Freisetzungsprofile und zugehörige k63,2%-Werte sind für die fünf verschiedenen Größenfraktionen in Bild 3 dargestellt. Da die Freisetzung aus großen Partikeln wegen des kleineren Oberflächen-Volumen-Verhältnisses langsamer erfolgt als bei kleinen Teilchen, steigt der Wert für den Parameter k63,2% mit zunehmender Größe der Granulatkörner.
Voraussetzung für die Gültigkeit des Modells ist, dass sich die Oberfläche und das Volumen der Einzelteilchen während der Freisetzung nicht verändern. Dies wird durch die eingesetzten Hilfsstoffe gewährleistet. Durch die Ermittlung des Oberflächen-Volumen-Verhältnisses mit dem Camsizer für die verschiedenen Fraktionen, kann eine Korrelation zwischen dem Freisetzungsparameter k63,2% und den Bildanalysedaten erstellt werden. Es ergibt sich der in Bild 4 dargestellte lineare Zusammenhang zwischen k63,2% und dem Oberflächen-Volumen-Verhältnis. Mit dieser Geraden-Gleichung und der Weibull- Funktion kann das Freisetzungsprofil für beliebige Granulatfraktionen vorhergesagt werden, wenn Größen- und OberflächenVolumen-Verhältnisse bekannt sind.
cav 463

Retsch Technology, Haan, auf der Achema 2006: Halle 5.1, Stand D32-E34
Mehr Informationen zu Camsizer
Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft e.V.
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