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Eigenes Kraftwerk im Haus

Bessere Nutzung der Energie durch Mikro-Kraft-Wärme-Kopplung
Eigenes Kraftwerk im Haus

Der Energiebedarf für thermische Anwendungen in der Industrie liegt bei rund 120 TWh. Aktuell schöpfen Unternehmen diese Potenziale bei Weitem nicht aus: Die KWK-Stromerzeugung liegt erst bei etwa 26 TWh. Doch dieser Anteil könnte demnächst mithilfe der Mikro-Kraft-Wärme-Kopplung rasch steigen.

Der Autor: Dietmar Cordts Bereichsleiter Energie, TIG Group

Energiewandlung mit KWK ist die gleichzeitige Erzeugung von Strom und Nutzwärme oder auch mechanischer Energie und Nutzwärme. Dadurch erreicht eine derart betriebene Anlage einen wesentlich höheren Wirkungsgrad als herkömmliche Verfahren. Zusätzlichen Anreiz bieten zahlreiche staatliche Förderprogramme. Mit der Änderung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes am 19. Juli 2012 wurden die Zuschlagsätze erneut angehoben und neue Fördertatbestände eingeführt. Nicht nur große Unternehmen können KWK-Anlagen einsetzen. Mit der technologischen Entwicklung der Mikro-Kraft-Wärme-Kopplung können auch Industrieunternehmen mit vergleichsweise geringem Bedarf an Prozesswärme die Vorteile durch Einsatz dieser Technologie genießen. Während das Potenzial im Bereich größerer GuD-Anlagen und industrieller KWK-Anlagen zumindest teilweise ausgenutzt ist, steckt die Mikro-KWK mit einer elektrischen Leistung pro Anlage mit weniger als 1000 kW noch in den Anfängen.
Aufgaben für Mikro-KWK-Anlagen
Um Prozess- und Heizwärme optimal zu nutzen, muss die Stromerzeugung zur konsequenten Umsetzung der KWK in räumlicher Nähe der Wärmeverbraucher erfolgen. Eine weitgehende Ausnutzung des Potenzials ist nur bei Umsetzung für alle wirtschaftlich sinnvollen Anlagengrößen möglich.
Je geringer die Abgastemperatur ist, desto optimierter fällt der Gesamtwirkungsgrad der Anlage aus. Bei Nutzung von Erdgas ergeben sich diesbezüglich aufgrund der Abgaszusammensetzung keine Begrenzungen nach unten. Aufgrund der deutlichen Wirkungsgradverbesserung sollten Möglichkeiten zur Abgaskondensation genutzt werden. Hierzu muss ein Medium wie beispielsweise Brauch- oder Prozesswasser auf entsprechend niedrigem Temperaturniveau vorhanden sein.
Weiterhin wichtig ist die möglichst vollständige Ausnutzung des Sauerstoffgehalts der Turbinenabgase. Dies lässt sich durch eine optimale Anpassung der Turbinenbaugröße an die Wärmeleistung der Kesselanlage erreichen. Ein bestmöglicher wirtschaftlicher Nutzen stellt sich bei Kesselanlagen mit einer hohen jährlichen Betriebsdauer ein. Die thermische Leistung einer Mikro-KWK-Anlage sollte daher so gewählt sein, dass möglichst ein ganzjähriger Betrieb im Leistungsbereich zwischen 80 und 100 % möglich ist.
Konzept einer Kesselanlage
Die KWK-Anlage wird mit einem konventionellen Industriedampfkessel aufgebaut. Sondereinbauten wie beispielsweise zusätzliche Rauchgaszüge sind nicht erforderlich. Das ist insbesondere bei der Umrüstung vorhandener Kessel vorteilhaft. Am Kessel ist ein spezieller Gasbrenner mit Gasarmaturenstrecke angebaut, dem die Turbinenabgase direkt und vollständig zugeführt werden. Über einen Bypass können die Turbinenabgase direkt in den Kamin geleitet werden. Dadurch wird die Turbine auch bei Stillstand des Kessels betrieben. Bei Stillstand der Turbine kann der Brenner mit Frischluft als Sauerstoffträger betrieben werden. Zur Verringerung der Stickoxid-Emissionen wird in dieser Betriebsart Rauchgas in die Verbrennungsluft zurückgeführt. Dem Kessel nachgeschaltet sind ein Economiser zur Abwärmenutzung durch Vorwärmung des Speisewassers, ein Saugzuggebläse zur Förderung der Rauchgase und des Turbinenabgases sowie ein Wärmetauscher zur Abgaskondensation (Brennwertnutzung) durch Aufheizung von Brauchwasser. Die Steuerung der Kesselanlage erfolgt über eine sicherheitsgerichtete speicherprogrammierbare Steuerung.
Mit Mikrogasturbine und Gasbrenner
Die Mikrogasturbine von Capstone wurde ursprünglich Mitte der 90er-Jahre als kompakter Stromerzeuger für den militärischen Einsatz konstruiert. Nach der Weiterentwicklung wird sie heute vornehmlich in der dezentralen Erzeugung von Strom und Wärme eingesetzt.
Alle drehenden Teile der Turbine liegen auf einer Welle. Durch die Luftlagerung werden keine Kühl- und Schmierflüssigkeiten benötigt. Der in der Welle angeordnete Permanentmagnet erzeugt einen hochfrequenten Wechselstrom. Im Gegensatz zu Industriegasturbinen erfolgt die Leistungsregelung über die Drehzahl. Der Wechselstrom wird über die Leistungselektronik gleichgerichtet und anschließend in Wechselstrom 50 Hz gewandelt. Durch die Rekuperatortechnik können elektrische Wirkungsgrade von bis zu 33 % erzielt werden. Durch die Vorwärmung der Luft wird in der Brennkammer weniger Brennstoff zum Erreichen der Betriebstemperatur benötigt. Daher sind höhere elektrische Wirkungsgrade erreichbar.
Der Erdgasbrenner stellt die zur Dampferzeugung zusätzlich benötigte Wärme zur Verfügung. Als Sauerstoffträger für die Verbrennung wird alternativ Turbinengas oder Frischluft verwendet. Der Brenner ist speziell für den Betrieb mit Turbinenabgas mit einer Temperatur von +280 °C und einem O2-Gehalt von 18 % ausgelegt. Das Abgas wird in jedem Betriebszustand vollständig über den Brenner geleitet. Der Brenner ist in dieser Betriebsart auf möglichst geringen Druckverlust optimiert. Bei Stillstand der Turbine kann dieser mit Frischluft betrieben werden. Durch ein spezielles Klappensystem werden die Querschnitte im Brenner bedarfsgerecht reduziert.
Anwendungsbeispiel
In einem mittelständischen Betrieb der chemischen Industrie wird für die Produktion in einem Industriekessel kontinuierlich circa 10 bis 20 t/h Sattdampf erzeugt. Als Brennstoff dient Erdgas. Der Kessel ist bereits mit einem Economiser zur Vorwärmung des Speisewassers ausgestattet. Der Wirkungsgrad der Kesselanlage liegt insgesamt bei circa 93 %.
Zur Verbesserung der Energieeffizienz und Absicherung der Stromversorgung soll der Kessel durch Nachrüstung einer Mikro-Gasturbine auf Kraft-Wärme-Kopplung umgestellt werden. Die Turbine wird mit einer elektrischen Leistung von 400 kW so ausgelegt, dass der Bedarf des Werks mit elektrischer Energie vollständig gedeckt werden kann.
Die Abwärme der Turbine wird in der Kesselanlage genutzt. Mithilfe des neu installierten Gasbrenners kann die Dampfleistung flexibel angepasst werden. Da der Kessel in der Regel im Leistungsbereich zwischen 50 und 100 % betrieben wird, wird der Sauerstoffgehalt der Turbinenabgase energetisch optimal ausgenutzt. Durch eine Optimierung des Economisers wird die Abgastemperatur zur Steigerung des Gesamtwirkungsgrads der Anlage weiter abgesenkt. Ergebnis ist die kombinierte Erzeugung des Eigenbedarfs an elektrischer und thermischer Energie mit einem Wirkungsgrad von rund 95 %.
Ausblick
Das Verfahren der Kraft-Wärme-Kopplung entlastet nicht nur die Umwelt, es können auch mittelfristig Kosten für die Energie gesenkt werden. Speziell durch Einsatz von Mikrogasturbinen lassen sich auch kleinere Industriedampfkessel mit Kraft-Wärme-Kopplung ausrüsten. Dies ist sowohl bei neu zu installierenden Kesseln als auch bei der Nachrüstung vorhandener Kessel möglich. Zur Optimierung der Gesamtanlage sollten neben der Installation einer Mikrogasturbine Maßnahmen zur Wärmerückgewinnung und dadurch Absenkung der Abgastemperatur getroffen werden. Insbesondere die Abgaskondensation ergibt hierbei einen deutlichen zusätzlichen ökonomischen und ökologischen Nutzen. Gegenüber der konventionellen Erzeugung von elektrischer und thermischer Energie in getrennten Anlagen lässt sich der Nutzungsgrad der Primärenergie um rund 35 % steigern.
prozesstechnik-online.de/cav1212403
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