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Eiskalt eingefangen

Lösemittelrückgewinnung mit flüssigem Stickstoff
Eiskalt eingefangen

Die Chemetall GmbH stellt in Langelsheim Lithiumaluminiumhydrid in Diethyl-ether her. Eine kryogene Kondensationsanlage sorgt dabei für die sichere Einhaltung der Abgasgrenzwerte und gewinnt das Lösemittel Diethylether zurück. Die Betriebskosten sind niedrig, da der zur Kühlung notwendige Stickstoff für andere Applikationen wieder verwendet werden kann.

Andreas Hänke, Bernhard Debbeler, Thomas Kutz, Stefan Terkatz

Die von dem Industriegasehersteller Air Liquide angebotene kryogene Abluftreinigung hat sich in der chemischen und pharmazeutischen Industrie bei kleinen bis mittleren Abgasströmen mit hohen Lösemittelbeladungen etabliert. Das Verfahren wurde im Laufe der Jahre stetig weiterentwickelt und auf eine Vielzahl von speziellen Emissionsquellen abgestimmt. Verfahrensvorteile sind neben der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften (TA-Luft) die geringen Investitions- und Betriebskosten sowie die Zuverlässigkeit der Anlagentechnik aufgrund des relativ einfachen Apparateaufbaus. Häufig ist das kondensierte Lösemittel wieder in der Produktion einsetzbar.
Ein besonderer Einsatzfall für das erfolgreiche Verfahrenskonzept ist die Anlage zur Kondensation von Diethyletherdämpfen bei Chemetall in Langelsheim. Nach umfangreichen Pilotversuchen wurde eine einsträngige kryogene Kondensationsanlage für einen vollkontinuierlichen Betrieb errichtet und in Betrieb genommen.
Die Aufgabe
Chemetall produziert in Langelsheim Lithiumaluminiumhydrid (LAH), ein hochwirksames Reduktionsmittel für die chemische und pharmazeutische Industrie. LAH dient in fester Form oder als Lösung in diversen organischen Lösemitteln zur Reduktion funktioneller Gruppen, meistens Ester- oder Ketogruppen. Hauptanwendung ist die chemische Synthese von Pharmawirkstoffen, zum Beispiel für Antidepressiva oder Cholesterinsenker. Daneben gibt es auch Anwendungen im Bereich spezieller Agrochemikalien sowie bei Duft- und Riechstoffen.
Chemetall synthetisiert LAH in Diethyl-ether. Bei dem mehrstufigen Prozess fällt Abgas an, das mit diesem Lösemittel beladen ist. Es enthält verfahrensbedingt keinerlei Feuchtigkeit. Aufgrund eines Produktionsneubaus war die Anschaffung einer Rückgewinnungs- und Abgasreini-gungsanlage notwendig, die die Lösemittelbestandteile entsprechend den Vorgaben der TA-Luft aus der Abluft entfernen muss.
Hierzu erarbeiteten die Spezialisten von Air Liquide ein Konzept zur Behandlung des Abgasstroms. Anschließend wurden Pilotversuche vor Ort durchgeführt. Auf Basis der Versuchsergebnisse erfolgten dann Konzeption und Bau der endgültigen Anlage.
Die Anlage ist ausgelegt für einen maximalen Abgasvolumenstrom von 100 Nm³/h mit einer maximalen Beladung von 800 g/Nm³ an Lösemittel. Diese Werte sichern eine nahezu vollständige Rückgewinnung. Da der Prozess so gesteuert wird, dass kein Lösemittel unter seinen Schmelzpunkt abkühlt, kann die Anlage nicht vereisen und somit kontinuierlich betrieben werden (Bild 1).
Kryogene Abluftreinigung
Die kryogene Abluftreinigung beruht auf dem Prinzip der Kondensation. Durch Abkühlen des Abgases auf Temperaturen unterhalb des Taupunkts kondensiert der Lösemitteldampf an den Kühlflächen und kann flüssig abgezogen werden. Je tiefer dabei die Temperaturen, desto geringer fallen die Restbeladungen im Gasstrom aus. Dieser Vorgang kann theoretisch an Hand der Dampfdruckkurve des jeweiligen Stoffes beschrieben werden. Bild 2 zeigt die Sättigungsbeladung von Diethylether als Funktion der Temperatur. An diesem Beispiel lässt sich erkennen, dass es notwendig ist, das Abgas auf sehr tiefe Temperaturen abzukühlen, um nennenswerte Rückgewinnungsraten und die Grenzwerte der TA-Luft zu erreichen. Daher ist flüssiger Stickstoff mit einem Siedepunkt von -196 °C als Kältequelle für solche Aufgaben wie geschaffen.
Diethylether ist ein farbloses, hochentzündliches Lösemittel mit einem Gefrierpunkt von -116 °C. Das heißt, unterhalb -116 °C kann Diethylether nicht mehr flüssig kondensiert werden. In diesem konkreten Fall ist eine Kondensation oberhalb des Schmelzpunkts ausreichend, um die angestrebten Rest-Emissionen sicher einzuhalten. Da das Abgas außerdem keine Spuren von Wasser enthält, ist eine Vereisung im Kryokondensator ausgeschlossen.
Das Kondensat wird in einem Sammelbehälter aufgefangen und bei Erreichen eines maximalen Füllstands zurück zur Produktion geführt. Der Rückgewinnungsgrad beträgt etwa 99,9 %.
Die Anlage bei Chemetall
Um so viel Diethylether wie möglich flüssig zu kondensieren, verfügt die Anlage bei Chemetall über einen Wärmeträgerkreislauf zwischen der Kältequelle Stickstoff-flüssig und dem Abgaskondensator, in dem gasförmiger Stickstoff als Wärmeträgermedium dient (Bild 3). Durch diesen Zwischenkreislauf ist es möglich, das Abgas mit kleinen Temperaturgradienten abzukühlen. Kleine Temperaturgradienten reduzieren die Aerosolbildung und damit die Emissionen auf ein Minimum. Sie sorgen durch langsames Abkühlen dafür, dass der Schmelzpunkt des Diethylethers im Wärmeträgerkreislauf nicht erreicht wird. Bei einem Verzicht auf den Zwischenkreislauf und einer direkten Kühlung des Kondensators mit flüssigem Stickstoff würde nahezu das gesamte Diethylether ausfrieren, was die Standzeit der Anlage entsprechend einschränken würde.
Dieses vorsichtige Abkühlen des Abgases mit einer regelbaren Vorlauftemperatur des Kühlkreislaufs oberhalb der Schmelzpunkte der kondensierbaren Bestandteile verhindert somit die Aerosol- und Eisbildung.
Um die vorgeschriebenen Emissionsgrenzwerte einzuhalten, sind in dem hier beschriebenen Fall Reingastemperaturen von rund -110 °C notwendig. Der die Anlage verlassende, gasförmige Stickstoff wird fast vollständig in das vorhandene Werknetz von Chemetall eingespeist und steht so für weitere Anwendungen wie zum Beispiel das Inertisieren von Reaktoren oder Tanklagern zur Verfügung. Diese Doppelnutzung des Stickstoffs macht das Verfahren auch aus wirtschaftlicher Sicht besonders interessant.
Aufbau des Moduls
Die Anlagentechnik der Kondensationsanlage ist modular in einem Rahmengestell aufgebaut. Innerhalb des Moduls wird der Abgaskondensator indirekt über einen geschlossenen Wärmeträgerkreislauf mit gasförmigem Stickstoff als Wärmeträger gekühlt. Ein kleines Gebläse hält den Kreislaufstrom aufrecht. Das Kreisgas wird in zwei Stufen abgekühlt: Zunächst wird der warme Rücklauf im Gegenstrom zum kalten Reingas und dem noch kalten gasförmigen Stickstoff aus dem Stickstoffverdampfer vorgekühlt. Dieser Rekuperator genannte Wärmeüberträger sorgt für eine sehr gute Kälterückgewinnung, so dass sich der Bedarf an Kühlstickstoff auf ein Minimum reduziert. Der zweite Kreisgaskühler wird mit flüssigem Stickstoff gespeist. Der Stickstoff verdampft und gelangt anschließend zum Rekuperator, wo auch noch die Restkälte des gasförmigen Stickstoffs genutzt wird. Um die Eintrittsbedingungen des Abluftstroms in die kryogene Kondensationsanlage konstant zu halten und extreme Rohgasbeladungen zu reduzieren, ist der Kondensation eine kalte Wäsche vorgeschaltet.
Schlüsselfertige Lieferung
Alle Apparate, Pumpen und Rohrleitungen sind in dem Rahmengestell vormontiert. Das Modul wurde schlüsselfertig angeliefert, einschließlich Instrumentierung und Isolation. Der Montageaufwand vor Ort war damit sehr gering. Die Steuerung der Anlage übernimmt ein übergeordnetes Prozessleitsystem. Die Anlage läuft vollautomatisch, auch im Ex-Bereich.
cav 422

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