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Energiediät für Trockner

Wärmerückgewinnung birgt riesige Einsparpotenziale
Energiediät für Trockner

Alle Welt redet von Energieeffizienz. Doch noch werden längst nicht alle Mittel ausgeschöpft, um mit dem immer kostbarer werdenden Gut auch bewusster und schonender umzugehen. Ein riesiges Einsparpotenzial bergen u. a. die unterschiedlichsten Trocknungsverfahren der chemischen und pharmazeutischen Industrie. Mit der Rückgewinnung der Wärme und deren erneuten Zuführung in den Produktionsprozess können bis zu 80 % der erforderlichen Energie eingespart werden.

Josef Simon

Während in Skandinavien und Holland den Betreibern von lufttechnischen Industrieanlagen Wärmerückgewinnungssysteme in bestimmten Fertigungsprozessen vorgeschrieben werden, läuft in Deutschland die 2007 in Kraft getretene Energiesparverordnung (EnEV) oft noch ins Leere. „Viele Unternehmer und Betreiber solcher Anlagen glauben auch nicht, welche tatsächlichen Einsparmöglichkeiten hinter dieser Technik stecken“, sieht Dipl.-Ing. Norbert Struensee von Klingenburg, einem Komponentenhersteller für Rückgewinnungssysteme, eine Erklärung für das krasse Missverhältnis von Nutzung und Ertrag. Eine durchschnittliche Trocknungsanlage, wie sie überall in der Chemie-, Pharma-, Papier- oder auch Lebensmittelindustrie eingesetzt wird, benötigt bei einer Verdampfungsleistung von 3000 kg/h und einer Ablufttemperatur von 200 °C rund 4,2 MW Energie für ein gefördertes Frischluftvolumen von 20 000 m3/h. Bei einer Betriebszeit von 8000 h/a erzielt ein Wärmetauscher eine Wärmeeinsparung von 7200 MWh und eine Stromeinsparung von 51,2 MWh – was u. a. auch eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes von immerhin 2950 t bedeutet.
Wärmerückgewinnung (WRG) ist nichts Neues. Schon seit rund 30 Jahren wird das bewährte Verfahren zur Wiedernutzbarmachung der thermischen Energie genutzt. In Produktionsprozessen, wo neben der Wärme auch die Feuchte einen wichtigen Part spielt, kommt die WRG ebenfalls zum Einsatz, allerdings hier nur in ihrer rotierenden Form, dem Rotationswärmetauscher (Wärmerad). Das Prinzip der Energierückgewinnung ist hier das gleiche wie bei der zweiten Form, dem Plattentauscher, der die Wärme entweder im Gegenstrom- oder Kreuzstromverfahren zurückgewinnt. Zwei Luftströme unterschiedlichen Zustandes, z. B. warme Innenluft und kalte Außenluft, werden dabei über dünne, speziell strukturierte Platten bzw. wabenartige Rotormassen aneinander vorbeigeführt. Dadurch wird die einströmende Kaltluft vorgewärmt. Die Wärmerückgewinnung kann aber auch gleichzeitig zur Kühlung herangezogen werden.
Platte oder Rotation
Die Entscheidung, Platten- oder Rotationswärmetauscher, richtet sich primär nach dem jeweiligen Volumenstrom und den entsprechenden Prozessanforderungen. Plattentauscher werden im Wesentlichen dort eingesetzt, wo ein Umluftbetrieb nicht gestattet ist und eine hohe Dichtigkeit verlangt wird. Die Luft wird hierbei entweder über Kreuz oder gegeneinander vorbeigeführt. Der Energieaustausch erfolgt entlang einer Vielzahl dünner und parallel angeordneter korrosionsbeständiger Aluminium- oder Edelstahlplatten. Eine Luftvermischung beider Luftströme findet nicht statt. Somit ist ein Übertrag von Feuchtigkeit, Verunreinigungen, Bakterien und Gerüchen durch den Tauscher ausgeschlossen. Die Plattentauscher werden eingesetzt bei Luftmengen von 50 bis 100 000 m³/h.
In der Großindustrie, insbesondere bei den Lackierprozessen der Automobilhersteller, hat die Wärmerückgewinnung längst einen festen Platz. Hier wird allerdings fast ausschließlich auf den regenerativen Rotationswärmetauscher zurückgegriffen, der nicht selten einen Raddurchmesser von 6,2 m (maximale Größe) erreicht. Während hier die Gehäuse meist aus Aluminium oder auch verzinktem Stahl bestehen, werden bei der Trocknung hauptsächlich Edelstahlrotoren eingesetzt. Den Wirkungsgrad beeinflussen die unterschiedlichen Baumaterialien nicht. Die beiden Massenströme werden im Gegenstrom je eine Hälfte einer sich drehenden, zylindrischen und porösen Matrix geführt, der es gestattet, die Wärme des warmen Stromes aufzunehmen und nach seiner Drehung an den kalten Strom wieder abzugeben. Bedingt durch die große Austauschfläche und durch das Gegenstromprinzip werden sehr hohe Austauschgrade erreicht.
Heute werden Rotationswärmetauscher meist aus Metallfolien mit einer Stärke von 0,05 bis 0,15 mm so gefertigt, dass abwechselnd eine glatte und eine gewellte Lage zu einem Rad gewickelt werden. Die entstehenden Kanäle bilden ca. 90 % des Radvolumens und gewährleisten durch ihre Größe und Form einen laminaren Durchfluss. Rotationswärmetauscher dieser Bauart werden mit Durchmessern von 300 bis 6200 mm gefertigt und können für Volumenströme von einigen hundert bis 220 000 m³/h eingesetzt werden.
Beim Filmehersteller Agfa in Belgien wird seit vier Jahren komplett auf die Wärmerückgewinnung gesetzt, wobei die Technik hier auch zur Kühlung genutzt wird. Bei der Produktion von Filmen sind verschiedenste Lösemittel notwendig. Diese Lösemittel werden bei Temperaturen von +150 bis +200 °C aus der Folie ausgedampft. Über ein Rohrleitungssystem wird diese belastete Luft dann abgesaugt. Um sie reinigen zu können, muss dieses Luft-Dampf-Gemisch zunächst auf +50 °C heruntergekühlt werden. Im Gegenzug wird die Frischluft, die wieder in den Trockner eingeblasen wird, auf +120 °C erwärmt.
Der Effekt liegt bei der Aufwärmung der Luft von durchschnittlich +20 auf +120 °C als Wärmerückgewinnung. Für den leitenden Betriebsingenieur Geert Rens ein unschlagbarer Gewinn, nachdem man bei Agfa 2004 auf Wärmerückgewinnung umgestellt hat. „Wir sparen rund 80 % an Energiekosten, was bedeutet, dass sich die Investition schon nach knapp eineinhalb Jahren amortisiert hat.“ In Zahlen liest sich das wie folgt: Der 3,5 m große Edelstahlrotor spart bei einer Betriebszeit von rund 6000 h/a, einer Leistung von 1650 KW und einem Volumenstrom von 48 000 m³/h rund 9900 MWh Wärme und ebenfalls 9900 MWh an Kühlung.
Den gleichen Rotor setzt ein deutscher Waschmittelhersteller in seinem Werk in Guatemala bei der Feuchttrocknung ein, die zur Herstellung flüssiger, aber auch pulverisierter Waschmittel genutzt wird. Dabei wird die sogenannte Suspension in einen Trocknungsturm gesprüht. Im Gegenstrom wird heiße Luft eingeblasen, um einen Großteil des Wassers zu verdampfen. Das Ergebnis ist eine hochkonzentrierte Lösung, das flüssige Waschmittel. Die Abluft aus dem Trocknungsturm wird danach von 250 auf 80 bis 120 °C heruntergekühlt und über den Rotationswärmetauscher ausgeblasen. Die einströmende Luft erwärmt sich und kann so vorgewärmt wieder in den Produktionsprozess zurückgeführt werden. Bei einer Betriebsdauer von ebenfalls 6000 h/a und einem Volumenstrom von 45 000 m³/h erreicht die Anlage aufgrund der unterschiedlichen Verfahrenstechnik zwar nicht die Einsparquoten wie der belgischer Filmehersteller, mit 4380 MWh für die Wärmerückgewinnung steht dem Waschmittelproduzenten aber dennoch ein beachtliches Einsparpotenzial auf der Rechnung.
cav 430

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