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Entspannung pur

Stellventile für feststoffbelastete Fluide
Entspannung pur

In der petrochemischen Industrie sind Reaktionen unter hohem Druck und hoher Reaktionstemperatur – womöglich noch unter Zugabe eines Katalysators – an der Tagesordnung. Sofern es sich hierbei um kontinuierliche Prozesse handelt, sind diese immer mit einer Niveau- sowie mit einer Druckregelung für den Reaktionsbehälter und damit auch mit den zugehörigen Regelventilen verbunden, die das Prozessgas aus dem Reaktionsbehälter in die weiterführenden Prozesse über- führen. Geeignet hierfür ist die Garnitur MS von Arca Regler.

Autor Lothar Grutesen Leiter Produkttechnik, Arca Regler

Ein typisches Beispiel für derartige Prozesse ist die Wasserstoffentschwefelung (Hydrodesulfurierung oder auch HDS), bei der Mineralölprodukte durch Hydrierung entschwefelt werden. HDS-Prozesse sind in Raffinerien aufgrund der heutigen strengen Umweltschutzauflagen absolut unverzichtbar, da fast alle wichtigen mineralischen Brenn- und Kraftstoffe wie Dieselkraftstoffe, Heizöl und auch Ottokraftstoffe ausschließlich aus hydrierten Komponenten bestehen.
Das Einsatzprodukt wird zusammen mit gasförmigem Wasserstoff vorgewärmt und in den Reaktionsbehälter eingebracht. Die katalytische Reaktion findet bei Drücken von bis zu 200 bar und Temperaturen von bis zu +370 °C statt. Als Katalysator werden bei HDS-Prozessen vorwiegend Nickel-Molybdän- oder Kobalt-Molybdän-Katalysatoren eingesetzt.
Da die weiterführenden Prozesse bei wesentlich geringeren Drücken (ca. 10 bar) stattfinden, ergeben sich für die Regelventile für die Entspannung des Produkts (also die Ventile der Niveauregelung) sehr hohe Anforderungen:
  • hohes Druckverhältnis x (bis x = Dp/p1 = 190 bar/200 bar = 0,95)
  • Kavitation und teilweise Ausdampfung des Produkts bedingt durch die hohe Temperatur und das Druckverhältnis
  • Korrosionsbeständigkeit gegenüber den durch die Hydrodesulfurierung entstandenen H2S- und Ammoniak-Anteile im Produkt
  • Resistenz gegenüber Verstopfung durch Feststoffpartikel im Produkt, insbesondere gegenüber dem Katalysator
Aufgrund des hohen Druckabfalls sind für diesen Einsatz Mehrstufenventile unabdingbar. Idealerweise werden hierbei die einzelnen Regelstufen so ausgelegt, dass an jeder Regelstufe das gleiche Druckverhältnis xi vorliegt.
Bei der genannten Entspannung von 200 bar auf 10 bar würde sich bei einer 4-stufigen Entspannung für die einzelnen Stufen rechnerisch ein Druckverhältnis je Stufe von xi = 0,527 ergeben; der gesamte Druckabfall von 190 bar würde sich also über 4 Drosselstufen wie folgt aufteilen: 200 bar –> 94,6 bar –> 47,0 bar –>
21,1 bar –> 10 bar
Idealisiert, d. h. ohne Berücksichtigung von Durchflussbegrenzung und eventuell entstehenden Gasanteilen im Produkt, ergeben sich für ein Ventil mit dem Durchflusskoeffizienten KVs = 1,0 m3/h und mit 4-stufiger Entspannung für die einzelnen Drosselstufen die folgenden KVs-Werte:
KVs1 = 1,34 m3/h
KVs2 = 1,95 m3/h
KVs3 = 2,84 m3/h
KVs4 = 4,13 m3/h
Diese unterschiedlichen KVs-Werte für die einzelnen Stufen bedingen zwar einen höheren Aufwand bei der Auslegung sowie der Bearbeitung der Ventilgarnitur, zahlen sich aber hinsichtlich der Lebensdauer und Betriebssicherheit des Stellventils aus.
Auf keinen Fall verstopfen
Zusätzlich zu der reinen strömungstechnischen Auslegung der Ventilgarnitur ist bei HDS-Anwendungen jedoch auch die Feststoffbelastung des Prozessfluides zu beachten, d. h. das Ventil darf durch die im Produkt enthaltenen Feststoffe auf keinen Fall verstopfen.
Als Maß für die Durchlässigkeit eines Ventils gegenüber Feststoffen kann die maximale Größe eines kugelförmigen Partikels angesetzt werden, das (geometrisch betrachtet) sämtliche Engstellen des Ventils passieren kann.
Die kritische Engstelle eines Mehrstufenventils ist immer die Drosselstelle der 1. Regelstufe; im dargestellten Beispielventil also die Drosselstelle mit KVs1 = 1,34 m3/h. Aus diesem KVs-Wert kann der Querschnitt der Drosselstelle errechnet werden. Dieser hängt zwar in gewissem Maße von der Geometrie der Drosselstelle und des Ventils ab, kann jedoch unter der Annahme, dass in der Drosselstelle die gesamte potenzielle Energie des Fluides in kinetische Energie umgesetzt wird, in erster Näherung aus der Bernoullischen Druckgleichung abgeschätzt werden:
p + r/2 · v2 = const.
Zusammen mit der Definition des KVs-Wertes (Durchflussmenge in m3/h bei 1 bar Differenzdruck und Dichte r = 1000 kg/m3) ergibt sich für eine Drosselstelle mit KVs = 1 m3/h ein Querschnitt von 27,8 mm2. Demnach wäre beim Beispielventil der Querschnitt der ersten Drosselstufe mit KVs1 = 1,34 m3/h also 37 mm2.
Die optimale Form einer Drosselstelle hinsichtlich der Durchlässigkeit gegenüber Feststoffen ist ein kreisförmiger Querschnitt – für 37 mm2 Fläche ergibt sich ein Durchmesser und damit auch eine maximale Partikelgröße von 6,9 mm.
Mehrstufiges Regelventil
Die Arca-Garnitur MS, bei der je Stufe ein Durchflusskanal in Form eines Halbkreises in eine mehrfach geführte Kegelstange gefräst ist (Bild 1), setzt diese Anforderungen optimal in eine robuste und funktionssichere Mehrstufen-Garnitur um. Entsprechend dem KVs-Wert der jeweiligen Drosselstufe wird der jeweils verwendete Fräser festgelegt und somit die Form der Drosselstelle bei 100 % Ventilöffnung optimiert (Bild 2). Die eigentliche Kennlinie des Ventils, die einer idealen gleichprozentigen Kennlinie sehr nahekommt, wird durch die CNC-gesteuerte Frästiefe (Eintauchkurve des Fräsers) der einzelnen Drosselstufen erzeugt.
Die maximale Partikelgröße für die erste Stufe des Beispielventils mit KVs1 = 1,34 m3/h bzw. einer Fläche von 37 mm2 beträgt bei optimaler Auslegung 6,2 mm. Im Vergleich dazu wäre die maximale Partikelgröße bei einem herkömmlichen Mehrstufen-Parabolkegel (durchgehende Kegelstange von 12 mm Durchmesser) gerade einmal 0,9 mm.
Konstruktion des Dichtsitzes
Neben der Auslegung und Form der Regelstufen ist die Konstruktion des Dichtsitzes, also dem Bereich, der bei geschlossenem Ventil eine geschlossene Linie zwischen Drosselelement und Sitzring und damit die eigentliche Abdichtung des Ventils bildet, für die Lebensdauer des Ventils von besonderer Bedeutung. Für diesen Bereich gelten die folgenden Anforderungen:
  • Die Dichtkanten von Drosselelement und Sitzring müssen gegen Beschädigung durch Kavitation und Erosion besonders geschützt werden.
  • Der Dichtsitz selber darf hinsichtlich der Durchlässigkeit für Feststoffe nicht den Engpass im Ventil bilden, d. h. die maximale Partikelgröße des Dichtsitzes muss größer sein als die der ersten Regelstufe.
Beide Eigenschaften werden durch einen Überhub des Ventils erreicht. In der Geschlossenstellung (Bild 3a) bildet sich eine geschlossene Dichtlinie zwischen Sitzring und Ventilkegel – die erreichbare Leckrate entspricht IEC 60534-4 Klasse V. Die Drosselöffnungen der einzelnen Regelstufen öffnen sich erst nach Überschreiten des Überhubs (Bild 3b). In diesem Moment beträgt der freie Strömungsquerschnitt am Dichtsitz jedoch bereits ein Mehrfaches des Querschnittes der ersten Drosselstufe. Damit ist der Druckabfall und die Strömungsgeschwindigkeit am Dichtsitz so gering, dass eine Beschädigung der Dichtkanten weitgehend ausgeschlossen ist.
Sofern der Überhub des Ventils größer ist als die maximale Partikelgröße der ersten Regelstufe, ist auch automatisch sichergestellt, dass der Dichtsitz nicht den Engpass für Feststoffe im Ventil bildet. Bei Verwendung eines intelligenten Stellungsreglers kann dieser Überhub durch geeignete Programmierung eines Dichtschließbereiches überbrückt werden, sodass für die eigentliche Regelung der komplette Signalbereich von 4…20 mA zur Verfügung steht.
Aufgrund der relativ einfachen Geometrie von Drosselkörper und Sitzring können MS-Garnituren in allen Werkstoffen bis hin zu Hartmetall oder Keramik gefertigt werden – damit ergibt sich ein weites Einsatzspektrum in allen kritischen Entspannungsprozessen.
prozesstechnik-online.de/cav0215422
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