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Erdgas unter der Lupe

Messtechnik sichert Energieversorgung
Erdgas unter der Lupe

In der Anladestation Lubmin werden riesige Mengen Erdgas aus Russland gemessen und für den Transport über Pipelines aufbereitet. Vorrangiges Kriterium für die Messtechnik ist ein Höchstmaß an Zuverlässigkeit. Für den Bereich der Feldinstrumentierung entschied sich Gascade daher für die Zusammenarbeit mit Endress+Hauser.

Autoren Ralf Hartmann Projektleiter EMSR, Gascade Gastransport Andreas Schmidt Branchenmanager Öl&Gas, Endress+Hauser

Am Lubminer Ostseestrand schlägt das automatisierungstechnische Herzstück der größten europäischen Energie-Infrastrukturinvestition der letzten Jahre. Hier, an der Küste Mecklenburg-Vorpommerns, erreicht die Nord- Stream-Pipeline deutschen Boden und liefert pro Stunde bis zu 6,6 Mio. m3 russisches Erdgas zur neuen Anlandestation Lubmin bei Greifswald. In dieser Anlage wird das im 1200 Pipeline-Kilometer entfernten russischen Wyborg in die Nord Stream eingespeiste Erdgas aufbereitet und gemessen, bevor es durch die Pipelines „OPAL“ (Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung) nach Süden bis in die Tschechische Republik sowie „NEL“ (Nordeuropäische Erdgasleitung) nach Westen in Richtung des Speichers Rehden weitergeleitet wird.
Hohe Zuverlässigkeit gefordert
In Lubmin müssen nicht nur zwei Prozesse – Gas und Warmwasser – mit großer Präzision parallel geregelt werden. Die Anlage soll wegen ihrer sehr großen Bedeutung für die Versorgungssicherheit in Deutschland und Europa auch ein Höchstmaß an Zuverlässigkeit aufweisen. Aus diesem Grund sind die Ausrüstungen und Rohrleitungssysteme hoch verfügbar aufgebaut, und das gilt natürlich auch für die Feldinstrumentierung. Rund 850 Sensoren, mehr als 2400 Ventile und 420 elektrische Antriebe wurden installiert. Die aktuelle Generation der Automatisierungs- und Messtechnik wird eingesetzt.
Eine der Hauptaufgaben besteht darin, das im Winter mit Minusgraden ankommende Gas konstant auf notwendige Plusgrade hinter der Druckreduzierung zu halten. Zu diesem Zweck hat Gascade ein Versorgungsgebäude für das Wärmesystem errichtet, in dem sich drei große erdgasbetriebene Wasserkesselanlagen mit einer Leistung von jeweils 40 MW befinden. Nur mit Kenntnis der genauen Gasmenge und des korrespondierenden Drucks ist ein optimierter Betrieb des Wärmesystems möglich. Dabei gilt es auch die 280 km lange Strecke bis zur nächsten Verdichterstation im brandenburgischen Radeland zu berücksichtigen, denn die Wasserkessel müssen ausreichend Wärme für den Gastransport liefern.
Optimale Messtechnik projektiert
Teil dieser Gesamtanlage ist auch eine Gasturbine, die nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) funktioniert. Der dort erzeugte Strom wird ins Netz eingespeist und die Abwärme der Gasturbine zusätzlich genutzt, um das Erdgas in der Anlandestation zu erwärmen. Durch das sehr umfangreiche Portfolio im Bereich der Feldinstrumentierung konnte von Endress+Hauser für unterschiedlichste Messaufgaben die jeweils optimale Messtechnik projektiert und eingesetzt werden. Im Vordergrund standen die Hauptparameter Füllstand, Dichte, Durchfluss, Prozessdruck, Differenzdruck, Temperatur und Energiemengenmessung. Neben standardmäßigen Druck- und Temperaturmessungen für die Überwachung und Regelung von Gasdruck und Gastemperatur im komplexen Rohr- und Warmwassersystem, wurden auch spezielle Aufgabenstellungen gelöst.
Im Bereich der Gasvorwärmung ist es wichtig, die Kessel des Warmwassersystems (Niederdruck) vor überhöhtem Druck aus dem Gasnetz (Hochdruck) zu schützen. Das Wärmetauschersystem ist deshalb mit einem Dichte-Liqui-phant FTL51 und Auswerterechner FML621 ausgerüstet. Die Verwendung des altbewährten Vibrationsprinzips Liquiphant erlaubt eine sehr kostengünstige Dichtemessung im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren. Der kompakte direkte Einbau erleichtert die Montage und Inbetriebnahme. Die Schwinggabel des Liquiphant erkennt bereits geringste Gasleckagen und schützt das Wärmetauschersystem durch ein entsprechendes Grenzsignal vor einer größeren Beschädigung.
Weiterhin sind für die exakte Regelung des Wärmesystems hochpräzise Energiemengenmessungen erforderlich. Die Energiemenge des mit der Abwärme der Gasturbine erzeugten Warmwassers wird mit einer Genauigkeit von 0,2 % erfasst. Dafür sorgen als Durchflussgeber das magnetisch-induktive Durchflussmessgerät Promag 53. Eine ECC-Schaltung zur Verhinderung von Magnetitablagerungen sorgt für den sicheren Messbetrieb. In Kombination mit gepaarten Temperaturfühlern Omnigrad TR13 und dem Bildschirmschreiber Memograph RSG40 liefert die komplette Messanordnung zuverlässige Werte für den Anlagenbetrieb. Die Auswertung der Wärmemengenmessung aus Durchfluss sowie Vor- und Rücklauftemperatur erfolgt mit manipulationssicherer Registrierung und einem Datenexport nach Excel. Die Anbindung an das Leitsystem erfolgt per Profibus DP und Ethernet.
Auf Sicherheit ausgelegt
Eine weitere Herausforderung bestand in der Projektierung der Temperaturhülsen im Rauchgaskanal der Gasturbine. Diese Hülsen nehmen die Temperaturfühler zur Messung des Abgasstromes auf und müssen für die extremen mechanischen und thermischen Belastungen mit hoher Sicherheit ausgelegt werden. Ein spezielles Schutzrohrberechnungsprogramm von Endress+Hauser dient dazu, die Merkmale der Konstruktion festzulegen. Als Ergebnis darf bei einer Fließgeschwindigkeit des Rauchgases von 40 m/s die Schutzhülse nur maximal 125 mm in den Prozess reichen. Damit das Schutzrohr auch im Anschlussstutzen nicht vibriert, muss zusätzlich noch ein Stützring auf die Schutzhülse aufgeschweißt werden. Die Applikation ist somit optimal ausgelegt für sicheren Betrieb und genaueste Messung. Zur Überwachung der Bespannung der Gasabsperrarmaturen wurde ein Differenzdruckmessumformer der Serie Deltabar PMD75 gewählt. Durch das Quick-Setup-Menü erfolgt die schnelle Inbetriebnahme. Der Messumformer verfügt über umfangreiche Diagnosefunktionen und ist von der Messzelle bis zur Elektronik funktionsüberwacht. Diese Funktionen unterstützen den reibungslosen Ablauf von Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten an den Armaturen.
Besondere Zulassung
Der in hohen Stückzahlen eingesetzte Drucktransmitter Cerabar S PMP71 kommt zusätzlich auf den Pipelines mit der innerstaatlichen Bauartzulassung der PTB zum Einsatz. Dem Gerät wurde seitens der PTB die bestmögliche Messperformance von 0,2 % (Eichanforderung) auf den Momentanwert im Temperaturbereich von -20 bis +50 °C bestätigt. Das Standardgerät wie auch das zugelassene Gerät verwenden die gleichen Komponenten, z. B. Elektronik. So kann auf gleiche Ersatzteile zurückgegriffen werden. Alle Geräte sind bei Bedarf über das selbsterklärende Bedienmenü sehr einfach abzugleichen und gegebenenfalls zu justieren.
Neben dem eichfähigen Druckmessumformer Cerabar S bietet Endress+Hauser den Gasdurchflusszähler Promass 84F sowie den Temperaturfühler Omnigrad S als Komponenten in einem eichamtlichen System an. Der nach dem Coriolis-Prinzip messende Promass gilt als fortschrittliches Verfahren gegenüber mechanischen Gaszählern. Er arbeitet ohne bewegliche Teile und ist somit wartungsfrei. Bei Planung und Montage brauchen keine Ein- und Auslaufstrecken berücksichtigt zu werden. Im Vergleich zu Ultraschallzählern ist das Messsystem unempfindlich gegenüber Pulsationen und Druckschlägen im Prozess. Der Promass ist hier zur Überwachung der Erdgasmenge an der Gasturbine eingesetzt.
Die betrieblichen Durchflussmessungen im Warmwassersystem der Anlandestation wurden mit dem Prosonic Flow 93 realisiert. Das Ultraschall-Clamp-on-System ermöglicht eine genaue und kostengünstige Durchflussmessung von außen, ohne Prozessunterbrechung. Die Montage erfolgt benutzerfreundlich durch einfache Menüführung. Die Messung verursacht keinerlei Druckverluste und spart somit hydraulische Leistungsverluste. Die variable Einbaumöglichkeit erlaubt bereits in der Vorplanung Kosteneinsparungen durch möglichen Verzicht auf Flansche.
Mit dem umfangreichen Leistungsspektrum von Endress+Hauser konnte die gesamte Bandbreite der Kundenanforderungen, von der Standard- bis zur Spezialanwendung, gelöst werden. Durch die einheitliche Projektdokumentation sowie ein einheitliches Bedien- und Toolingkonzept für die unterschiedlichen Messumformer wurde bereits im Vorfeld die Voraussetzung für optimales Instandhaltungsmanagement im späteren Anlagenbetrieb geschaffen. Die große Lieferbreite des Feldinstrumentierungsspezialisten eröffnete Gascade in der Projektabwicklung den Vorteil der Schnittstellenminimierung. In der Betriebsphase können durch die reduzierte und passgenaue Auswahl der Prozessmesstechnik die Wartungs- und Instandhaltungskosten verringert werden.
prozesstechnik-online.de/cav0914463

Die Hälfte des deutschen Gases kommt aus Wyborg

Wissenswert

Während die KWK-Anlage im Sommer 2013 in Betrieb genommen wurde, arbeiten beide Röhren der Nord-Stream-Pipeline seit Oktober 2012, sodass die Gasmenge von ursprünglich 3,3 auf 6,6 Mio. m3/h gesteigert werden kann. 4,1 Mio. m3/h davon können über die OPAL weitergeleitet werden, 2,5 Mio. über die NEL. Bei voller Auslastung fließen über die Anlandestation dann rund 55 Mrd. m3 Erdgas pro Jahr. Rechnerisch entspricht dies rund der Hälfte des jährlichen deutschen Erdgasverbrauches – ein wesentlicher Beitrag zur Sicherung der zukünftigen Energieversorgung.
Gascade befördert Erdgas und betreibt deutschlandweit Fernleitungen von rund 2300 km Länge. Das Pipeline-Netz im Herzen Europas verbindet fünf Länder. Die Gascade Gastransport GmbH mit Sitz in Kassel beschäftigt rund 350 Mitarbeiter und trägt zur Versorgungssicherheit in Deutschland und Europa bei. Gascade ist ein Gemeinschaftsunternehmen von BASF
und Gazprom.
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