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Erfolg in Asien sichern

Krisenmanagement und langfristiges Engagement sind notwendig
Erfolg in Asien sichern

Das Finanzdesaster in einigen Ländern Asiens ist auch am chemischen Anlagen- und Apparatebau nicht spurlos vorübergegangen. Gleichwohl belegt eine differenzierte Betrachtung, daß zahlreiche deutsche Anbieter dieser Branche gestärkt aus der Krise herauskommen können.

Dr. Dieter Steinborn

Angesichts der aktuellen Finanzkrise in einigen asiatischen Ländern stellen sich für die Planungsebene des Chemieanlagenbaus ebenso wie für Geschäftsführer von kleineren und mittleren Unternehmen des verfahrenstechnischen Maschinen- und Apparatebaus Fragen in bezug auf die Chancen und Risiken eines weiteren Engagements in dieser Region. Die nachfolgende Einschätzung des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) von Geschäftsentwicklung, Problemfeldern sowie Perspektiven dieses Wirtschaftszweigs kann dazu beitragen, die Entscheidungsfindung zu erleichtern.
Erfreuliche Geschäftsentwicklung im asiatisch-pazifischen Raum
Der deutsche Chemieanlagenbau konnte 1997 ein Auftragsvolumen von 3040 Mio. DM erzielen. Fast 30 % dieser Bestellungen, 874 Mio. DM, kamen aus Ländern des asiatisch-pazifischen Raumes. Wichtigste Orderländer waren
• China mit 246 Mio. DM
• Malaysia mit 167 Mio. DM und
• Taiwan mit 150 Mio. DM.
Der überwiegende Teil des Auftragsvolumens entfiel mit 817 Mio. DM auf die organische Chemie, 28 % mehr als im Vorjahr (636 Mio. DM). 57 Mio. DM sind der anorganischen Chemie zuzurechnen, das sind mehr als doppelt soviel wie in der Vorperiode (26 Mio. DM).
Der Wert des akquirierten Volumens im Anlagenbau hätte 1997 sogar noch höher sein können, wären nicht einige abschlußreife Projekte Opfer der gegen Jahresende heraufziehenden Krise in Südostasien geworden. Dieser Erfolg beruht auf nachhaltiger Tätigkeit der Unternehmen des Großanlagenbaus in dieser Region. Er macht aber auch deutlich, wie intensiv und plötzlich weltpolitische Entwicklungen diese Branche beeinflussen können.
Bisher profitierten auch mittelständisch ausgerichtete Unternehmen von der Dynamik Asiens. So konnten deutsche Anbieter in den ersten drei Quartalen des Jahres 1997 verfahrenstechnische Maschinen und Apparate allein in den ASEAN-Staaten und Südkorea für 170 Mio. DM absetzen, das waren 50 % mehr als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum (133 Mio. DM). Dieser deutlich über dem Marktwachstum liegende Zuwachs impliziert, daß die deutschen Anbieter zu Lasten ihrer ausländischen Konkurrenten Lieferanteile hinzugewinnen konnten. Wesentliche Abnehmer waren die Chemie, speziell die Petrochemie, Pharmazie und Kosmetik, aber beispielsweise auch die Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie.
Asien-Boom allenfalls gedämpft
Welche Bereiche von der Finanzkrise zurückgeworfen werden, ist maßgeblich von der belieferten Kundenbranche abhängig. Wie unterschiedlich das Gefährdungspotential ist, zeigt eine detaillierte Betrachtung am Beispiel des Großanlagenbaus. Dieser beliefert zum einen beispielsweise die Stahl- oder Zementbranche, die in hohem Maße mit heimischen Anteilseignern den lokalen Bedarf decken. Auf diese Sparten schlug der Niedergang ihrer Volkswirtschaften durch, was zu einem weitgehenden Stop der Investitionen in Anlagen geführt hat. Hier ist der Markt in Südostasien über Nacht weggebrochen. Anders sieht es in denjenigen Industriezweigen Südostasiens aus, die stärker exportorientiert sind, wie die Bereiche Öl, Gas oder Chemie. Hier treffen die Anbieter von Industrieanlagen häufig internationale Anteilseigner, die vor dem Hintergrund steigender Wettbewerbsfähigkeit der Produktionsstandorte in Südostasien Vorhaben in Anlageninvestitionen eher beschleunigen.
In jedem Falle steht insgesamt eine Durststrecke bevor, über deren zeitliches Ausmaß sich trefflich streiten läßt. Dauer wie Intensität auch davon abhängig sein, inwieweit es China und Japan gelingen wird, weiterhin stabilisierend auf diese Region zu wirken.
Absehbare Entwicklung aus der Sicht des Chemieanlagenbaus
Nach Ansicht deutscher Chemieanlagenbauer wurde in einzelnen ostasiatischen Staaten das Wachstum der Märkte unterbrochen und der Ausbau von Raffinerien und petrochemischen Kapazitäten gebremst. Verschiebungen entscheidungsreifer Projekte und Sistierung von Aufträgen bestimmen das Marktgeschehen. Jedoch sind die Länder differenziert zu betrachten.
In Thailand und Indonesien wurden zum Ende des Jahres 1997 nahezu alle geplanten und beschlossenen Projekte sowohl von staatlichen als auch von privaten Energie- und Chemieunternehmen eingestellt. Hingegen führen in Malaysia und Singapur trotz der Wirtschaftskrise staatliche und private Unternehmen die Projektierung einzelner großer Chemie- und Petrochemiekomplexe weiter, wobei die Investitionsbeteiligung internationaler – auch deutscher – Chemiekonzerne die Realisierungschancen erhöht. Im harten internationalen Wettbewerb bieten sich hier für die bundesdeutschen Anlagenbauer gute Möglichkeiten, die Marktposition weiter zu stärken.
In China war trotz des von deutschen Unternehmen akquirierten Volumens von einer Viertel Milliarde DM im vergangenen Jahr auf dem Gebiet des chemischen und petrochemischen Anlagenbaus eine Zurückhaltung bei der Auftragsvergabe zu beobachten. Die Projekte im Rahmen des neunten Fünfjahrplans sind zwar weiterhin aktuell, sie werden sich jedoch unter dem Einfluß der jetzigen Wirtschaftsreform verzögern und verändern. Vorrangig sollen die meist überproportionalen Kapazitätserweiterungen der bestehenden Petrochemie- und Düngemittelkomplexe realisiert werden. Es bleibt Ziel Chinas, langfristig etwa 30% des inländischen Bedarfs an Chemie- und Petrochemieprodukten zu importieren, um am weltweiten Marktgeschehen teilhaben zu können.
Globalisierung trotz Risikenunvermeidbar
Um sich optimal auf die asiatischen Märkte einstellen zu können, bedarf es sehr viel mehr als der Fähigkeit, von Deutschland aus Importnachfrage zu bedienen. Partner vor Ort einzubinden, ist für deutsche Großanlagenbauer längst Routine. Das kann bedeuten, daß sie Lizenzen vergeben, mit nationalen Unternehmen Joint-ventures eingehen, Kooperationen schließen oder gar Produktionsstätten vor Ort betreiben. Dabei sind Technologietransfers und Forschungskooperationen keine Seltenheit. Das kann aber auch heißen, daß die Anbieter Beistellungen der heimischen Industrie hinnehmen (müssen), um Local-content-Forderungen zu genügen.
Die steigenden Verlagerungsaktivitäten belegen, daß es zur Globalisierung der Geschäfts-tätigkeit im Anlagenbau keine Alternative gibt. Deutsche Zulieferer werden sich diesem Trend nicht entziehen können. Sie dürfen nicht in ihren Bestrebungen nachlassen, diesen Weg gemeinsam mit dem Anlagenbauer zu gestalten. Dabei bleibt es unbestritten, daß die jeder Auslagerung anhaftenden Risiken erheblich sind.
Bei der Bewältigung dieser Aufgaben müssen sich Großanlagenbauer ebenso wie kleine und mittlere Unternehmen starken japanischen Wettbewerbern stellen, die Asien als ihren Heimatmarkt ansehen. Diese profitieren von ihrer räumlichen Nähe zu den Absatzmärkten, aber auch von politischer Unterstützung, die sie etwa seitens des MITI erfahren. Überdies müssen sich deutsche Anbieter fortlaufend vor ungewolltem Know-how-Transfer schützen. Sie treffen bei einigen asiatischen Kunden auf die Forderung, Aufträge im Joint-venture abzuwickeln, wobei das Ansinnen der „anderweitigen“ Know-how-Verwendung augenscheinlich ist. Einige Kunden ordern eine Referenzanlage einzig aus Gründen des Erlangens technologischer Fähigkeiten, andere erwarten, sie oder heimische Institute in Bestellungen Dritter einzubinden und damit eine Wissensübertragung zu ermöglichen. Diesen Ansinnen kann sich der Anbieter nicht immer entziehen, denn er ist auf das Mitwirken lokaler Partner angewiesen, um einen reibungslosen Ablauf mit Behörden und staatlichen Institutionen zu gewährleisten.
Auftraggeber konfrontieren ihre Kunden oft mit inakzeptablen Forderungen hinsichtlich der Konditionen. Die Vertragsrisiken, die der Nachfrager aufgrund seiner Marktmacht einseitig dem Anlagenbauer aufzubürden versucht, stehen oft in keinem Verhältnis zum Auftragsvolumen. Exemplarisch dafür stehen einige chinesische Kunden, die erhebliche Auftragsteile direkt an lokale Anbieter vergeben und vom deutschen Anlagenbauer verlangen, auch für den von ihm nicht bereitgestellten Part zu haften.
In einigen Ländern Südostasiens treffen ausländische Investoren auf erhebliche Restriktionen bei Firmenübernahmen oder -gründungen. Kulturelle Barrieren, gepaart mit der mangelnden Bereitschaft qualifizierter Mitarbeiter der Stammhäuser zu längeren Auslandsaufenthalten, tragen dazu bei, ein längerfristiges Engagement im asiatischen Raum als Abenteuer auf den Weltmärkten erscheinen zu lassen.
Durch die Einschaltung eigener Auslandsgesellschaften versuchen die Unternehmen des Großanlagenbaus, soweit wie möglich der Forderung nach erhöhtem local content nachzukommen und gleichzeitig der Schnittstellenproblematik und dem Abfluß von Know-how zu begegnen. Die Chancen der Zulieferer sind maßgeblich von ihrem Vermögen abhängig, den Anbieter von Industrieanlagen partnerschaftlich zu begleiten. Dabei ist es unbestritten, daß sich kleine und mittlere Unternehmen bei dieser Aufgabe völlig neuen Herausforderungen stellen müssen.
Normalisierung auf dem asiatischen Markt absehbar
Die Turbulenzen in Südostasien werden auch am chemischen Anlagen- und Apparatebau nicht spurlos vorübergehen. In der Summe besteht jedoch Anlaß zu der Annahme, daß sich die meisten Länder in absehbarer Zeit wieder erholen werden, denn den derzeitigen kurzfristigen Schwächen stehen ihre langfristigen Stärken wie gute Ausbildung, Flexibilität der Volkswirtschaften, maßvolles Lohnniveau und hohe Technikakzeptanz gegenüber. Und selbstverständlich wird die drastische Abwertung einiger Währungen die Wettbewerbsfähigkeit der asiatischen Exporteure kurzfristig verbessern – was unmittelbar Investitionen anstoßen kann. Das Tempo der wirtschaftlichen Erholung wird letztlich maßgeblich durch das Krisenmanagement der jeweiligen Regierungen bestimmt werden. Länder wie Hongkong, Singapur und Taiwan sind bereits auf dem Weg der Besserung.
Spätestens wenn die Krise überwunden sein wird, müssen die dortigen Industrieunternehmen massiv Investitionen tätigen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Das bietet gerade für deutsche Anbieter aufgrund ihrer technologischen Spitzenstellung ein ordentliches Absatzpotential. Die Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus sollten ihre langfristig aufgebauten Kundenbeziehungen gerade jetzt pflegen, um sich ihren strategischen Vorteil zu erhalten.
Der diese Branche vertretende Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) unterstützt auf diesem Weg seine Mitglieder auf vielfältige Art und Weise. Dazu gehören das Vorhalten einer Handelsvertreterdatenbank ebenso wie die Vermittlung kooperationswilliger Unternehmen. In deutschen Industrie- und Handelszentren, z. B. in Shanghai, Singapur oder in Yokohama, können Mitgliedsfirmen Räumlichkeiten, aber auch Beratungs- und Servicetätigkeiten nutzen. Die Marktbeobachtung vor Ort leistet die VDMA-Verbindungsstelle in Singapur. Hinzu kommen die Organisation von Messen und Symposien und die fachliche Begleitung der deutschen Anbieter auf diesen.
Die in Peking stattfindende ACHEMASIA’98 unterstreicht das hohe Interesse der deutschen Industrie an diesem Markt. Auf dieser internationalen Fachausstellung für Ausrüster der Prozeßindustrien präsentieren sich im Mai dieses Jahres rund 160 Aussteller aus Deutschland, ein Drittel davon nutzt den VDMA-Gemeinschaftsstand.
Ökonomisch orientierte Außenwirtschaftspolitik ist notwendig
Eine politische Flankierung könnte diesen auch volkswirtschaftlich relevanten Wirtschaftszweig bei seinen Bemühungen unterstützen. Berechtigte Erwartungen der deutschen Industrie an die Politik stellen in erster Linie darauf ab, daß jede exportorientierte Branche eine ökonomisch orientierte Außenwirtschaftspolitik benötigt. Eckpunkte der Außenwirtschaftspolitik müssen Transparenz, Ausrichtung auf Wachstumsmärkte und Mittelstandsorientierung sein. Speziell die Deckungspraxis im Rahmen des Hermes-Instrumentariums muß im Interesse der Berechenbarkeit von sachfremden Erwägungen frei bleiben. Eine Politisierung des Außenhandels kann sich die Exportnation Deutschland schon wegen wahrscheinlicher Retorsionsmaßnahmen nicht leisten. Politik und Tarifpartner sind aufgefordert, vergleichbaren Wettbewerbsbedingungen am Standort Deutschland Geltung zu verschaffen.
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