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Gleitreduzierter Dichtungswerkstoff

Weißes EPDM mit RFN-Behandlung
Gleitreduzierter Dichtungswerkstoff

Dichtungswerkstoffe für den Einsatz im Hygienebereich sollen möglichst keine Weichmacher oder andere niedermolekulare Bestandteile enthalten. Dadurch erhält man aber fast zwangsläufig sehr „stumpfe“ oder „trockene“ Werkstoffe mit tendenziell größerer Reibung. Mit der RFN-Behandlung (Reduced Friction by Nanotechnology) steht ein Verfahren zur Verfügung, das in sensiblen Bereichen nicht einsetzbaren Methoden der Gleitreduzierung deutlich überlegen ist.

Der Autor: Christian Geubert Technical Support Europe, Freudenberg Process Seals

Neben den teilweise sehr aggressiven Medien, die in der Lebensmittel-, Getränkeindustrie und besonders der Pharmaproduktion eingesetzt werden, tragen auch die immer schärferen Reinigungsbedingungen dazu bei, dass Gummiinhaltsstoffe in messbarer Menge aus der Elastomermatrix migrieren. Die Federal Drug Administration (FDA) verlangt hierzu im Paragraphen CFR 177.2600 Extraktionsversuche in destilliertem Wasser und n-Hexan, je nachdem, ob der Werkstoff in Kontakt zu wässrigen (polaren) oder fetthaltigen (apolaren) Lebensmitteln kommt. Dabei sind diese globalen Migrationsgrenzwerte ungeachtet einer eventuellen Gefährlichkeit der extrahierten Stoffe zu erfüllen. Für den nochmals kritischeren Einsatz in pharmazeutischen Anlagen wird häufig die Konformität nach USP Class VI gefordert, hierbei wird das Material mit verschiedenen Simulanzflüssigkeiten extrahiert und diese Extrakte, im Extremfall sogar die Bauteile selbst, auf ihre Wirkung hin untersucht.
Die Migrationsneigung von Gummibestandteilen wird von ihrer Polarität und Molekül- oder Aggregatgröße beeinflusst. Eine besonders ungünstige Kombination ergibt sich bei niedermolekularen Stoffen, wie Weichmachern oder Gleitwachsen, die aus diesem Grund nur sehr stark eingeschränkt verwendet werden sollten. Um besonders reine Werkstoffe zu erhalten, versucht man vollständig auf diese Stoffe zu verzichten.
Weichmacherfreie Elastomere
Die Werkstoffe der Reihe EPDM 290, 291 und 292 und der neue EPDM 253815 von Freudenberg sind daher weichmacherfrei compoundiert. So können sie in den anspruchsvollsten Bereichen der Lebensmittel- und Getränkeindustrie und der Pharmazie eingesetzt werden. Speziell beim EPDM 253815 kommt die Reinheit auch bei der Farbe zum Ausdruck: Entgegen dem bei EPDM üblichen Schwarz war es hier erstmals möglich, ein weißes EPDM zu schaffen, das zu einer rußgefüllten Mischung vergleichbare Leistungen besitzt (Bild 1). Die üblichen Schwächen weißer EPDMs in Reinigungsmedien konnten wirkungsvoll verringert werden, der EPDM 253815 reicht in seiner Leistungsfähigkeit in gewissen Bereichen an den EPDM 291 heran.
Bei Werkstoffen mit einem geringen Anteil an Weichmachern ergibt sich häufig ein Zielkonflikt mit der für einen Einsatz an dynamischen Dichtstellen geforderten geringen Reibung. So sind diese Werkstoffe vergleichsweise „trockene“ oder auch „stumpfe“ Materialien. Dieser Effekt wird durch den Verzicht auf Weichmacher zugunsten geringster Leach-out-Werte noch verstärkt. Die Zumischung von Gleitwachsen wiederum, die während der Lebensdauer des Elastomerbauteils ausschwitzen, verhindert eine Freigabe nach USP Class VI, sodass in besonders kritischen Anwendungen ein Einsatz dieser reibungsreduzierenden Substanzen ebenfalls nicht infrage kommt.
Neben diesen bereits bei der Mischungsherstellung bestehenden Möglichkeiten der Reibungsreduzierung existieren noch weitere unter Berücksichtigung der Geometrie des Dichtungsbauteils. So lässt sich die Dichtung bei entsprechenden Gegebenheiten so ausführen, dass sich Schmiertaschen für das abzudichtende Medium bilden beziehungsweise deren Bildung wirkungsvoll unterstützt wird. Ein Beispiel ist eine Mikrorillierung. Aber auch zusätzliche aufgetragene Gleitlacke weisen nur geringe Laufleistungen auf und eignen sich daher nur sehr begrenzt zur dauerhaften Reibungsreduzierung an hochbelasteten dynamischen Dichtstellen. Neben diesen rein physikalischen Methoden existiert noch eine Reihe von chemischen Verfahren, wovon die Halogenierung von Elastomeren die bekannteste ist, die aber auch in ihrer Wirkung und Anwendbarkeit begrenzt ist (Bild 2).
Reduced Friction by Nanotechnology
Eine besonders vorteilhafte Variante zur Minimierung des Reibungsverhaltens stellt die von Freudenberg entwickelte RFN-Behandlung dar. Hierbei wird die Elastomeroberfläche im Nanomaßstab so verändert, dass die Kontaktfläche wesentlich verkleinert und verhärtet wird, ohne die elastischen Eigenschaften des Elastomers negativ zu beeinflussen.
Außer der Reibung werden keine anderen Eigenschaften des jeweiligen Basiswerkstoffes verändert, damit bietet sich die RFN-Behandlung auch für die Aufwertung bereits langjährig existierender Dichtungsbauteile an. Eine schnelle und problemlose Umstellung ist durch nanoskalige Behandlung ohne Werkzeuganpassungen möglich.
Die Überlegenheit der RFN-Behandlung gegenüber der traditionellen und in sensiblen Bereichen nur sehr eingeschränkt möglichen Einmischung von Gleitwachsen zeigt sich bei Reibversuchen mit Klappendichtungen. Werden Klappendichtungen mit internen Gleitmitteln längere Zeit mit Dampf bei +130 °C beaufschlagt, so zeigen ihre Drehmomente deutliche Veränderungen, während die Drehmomente der RFN-behandelten Dichtungen stabil und fast auf dem Anfangsniveau liegen (Bild 3).
Diese positiven Beeinflussungen der Reibung durch die RFN-Behandlung lassen sich auch für den Kontakt mit anderen industrieüblichen Reinigungsmedien der Lebensmittel- und Getränkeindustrie sowie der Pharmazie nachweisen. So wurden basische, saure und oxidierend wirkende Reinigungsmedien bei den schärfsten von den Herstellern empfohlenen Bedingungen in ihrer Auswirkung auf den Drehmomentverlauf untersucht (Bild 4). Dabei zeigt erwartungsgemäß der am längsten gelagerte Prüfling ohne RFN-Behandlung den höchsten und über den Gleitweg instabilsten Reibkoeffizienten. Dies kann dadurch erklärt werden, dass nach 300 h Lagerung das aus dem Elastomer austretende Gleitwachs durch die aggressiven Medien abgewaschen wurde und nicht mehr weiter aus dem Materialkern nachdiffundieren konnte. Demgegenüber hat die 168 h lange Lagerung in den aggressiven Prüfmedien noch nicht ausgereicht, das Gleitwachs des Werkstoffes vollständig zu verzehren, wohl aber die Oberfläche und die oberflächennahen Schichten entsprechend abzureichern. Nach einer Einlaufphase mit höherem Reibkoeffizienten sinkt dieser mit Nachdiffundieren des Gleitwachses und zeigt danach einen geringen Anstieg mit zunehmender Laufleistung. Der nicht gelagerte Prüfling zeigt einen ähnlichen Anstieg ohne diese Einlaufphase, da das Gleitwachs direkt zur Verfügung steht. Der Unterschied des Reibkoeffizienten lässt sich durch die bereits durch die Medien erfolgten Angriffe der Oberfläche sowie durch die Differenz an absolut zur Verfügung stehenden gleitaktiven Substanzen erklären.
Demgegenüber sind die Reibkoeffizienten aller mit RFN-behandelten Prüfkörper deutlich geringer und liegen bei ca. der Hälfte des ungelagerten Prüflings. Die Vorteile einer RFN-Behandlung werden aber erst durch den Vergleich mit gelagerten Proben deutlich, je nach Lagerungsdauer beträgt der Reibkoeffizient nur ca. ein Drittel bis ein Fünftel. Speziell für hochreine Werkstoffe bietet RFN entscheidende Vorteile, da bereits existierende Freigaben des Ausgangsmaterials durch die Behandlung nicht verändert werden. Die RFN-Behandlung von hochbeanspruchten Dichtungsbauteilen wie Klappendichtungen liefert somit einen wesentlichen Beitrag zur Energieeinsparung durch Schaltmomentverringerung und Standzeitverlängerung.
prozesstechnik-online.de/cav0613459
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