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KI optimiert Prozesse in der Schüttguttechnik

Moderne Kameratechnik mit KI-basierter Analysesoftware
KI optimiert Prozesse

KI optimiert Prozesse
Dr. Thomas Plankenbühler ist Geschäftsführer bei Prosio Vision Bild: Kurt Fuchs
Unternehmen mit optimal laufenden Prozessen haben einen klaren Wettbewerbsvorteil. Dieser lässt sich durch den Einsatz neuer Technologien wie künstlicher Intelligenz und Data Analytics noch verstärken. cav sprach mit Dr. Thomas Plankenbühler, Geschäftsführer bei Prosio Vision, und Philipp Pahl, Produktmanager bei der Maschinenfabrik Eirich, über digitale Lösungen für die Prozessindustrie.

Herr Dr. Thomas Plankenbühler, Sie sind Geschäftsführer der Prosio Vision GmbH. Können Sie bitte Ihr Unternehmen in zwei Sätzen kurz vorstellen?

Dr. Thomas Plankenbühler: Im Frühjahr 2022 haben der Experte für Misch- und Aufbereitungstechnologie Eirich und das Start-up für Energie- und Prozessengineering Prosio Engineering das Joint Venture Prosio Vision gegründet. Es ist das Zentrum für künstliche Intelligenz der Eirich-Gruppe und soll produzierende Unternehmen im Bereich der Schüttguttechnik an die intelligente Regeltechnik heranführen und Lösungen auf Basis künstlicher Intelligenz und Data Analytics bieten.

Wo sind die Vorteile digitaler Technologien wie künstliche Intelligenz oder Data Analytics in der täglichen Arbeit?

Dr. Plankenbühler: Künstliche Intelligenz oder Data Analytics können Entscheidungen im täglichen Fertigungsprozess unterstützen. So kann beispielsweise die Arbeit der Anlagenführer deutlich erleichtert und Fachkräfte können entlastet werden. Durch die fortlaufende Analyse von Produktionsdaten kann KI dazu beitragen, Prozesse zu optimieren. Sie identifiziert Engpässe, ineffiziente Abläufe und Verbesserungsmöglichkeiten. Produzierende Unternehmen können auf diese Weise ihre Effizienz steigern und Ressourcen effektiver nutzen.

Andererseits geht es darum, immer komplexere Produkte wirtschaftlich herzustellen. Dazu müssen alle Teilprozesse optimal miteinander vernetzt werden. Assistenzsysteme und die smarte Datenanalyse sind essenziell und ermöglichen eine Anpassung an aktuelle Betriebszustände.

Wo liegt aktuell ihr Fokus?

Dr. Plankenbühler: Unser Fokus liegt derzeit auf der berührungslosen Inline-Messung. Sie hat den Vorteil, dass man keinen Teilstrom des Produktes abzweigen muss. Eine herkömmliche Qualitätssicherung bestimmt Eigenschaften von Schüttgütern meist erst im Nachhinein oder mit Verzögerung. Die digitale Prozessanalyse erlaubt die Messung und Informationslieferung in hoher zeitlicher Auflösung. Eine Aufdeckung von Abweichungen der produzierten Chargen findet also in Echtzeit statt und kann sofort korrigiert werden.

Herr Pahl, welche Produkte bieten Sie auf Basis künstlicher Intelligenz und Data Analytics an?

Philipp Pahl: Wir setzen bei unseren digitalen Lösungen für die Prozessoptimierung auf autonome Analysetools, KI-basierte Prozessassistenz und ganz neu auch auf Produktcharakterisierung mit Deep Learning. Eirich und Prosio Vision haben dazu zwei Systeme zur optischen Qualitätsbeurteilung von Granulaten entwickelt, den Qualimaster VC1 und den Qualimaster VC2.

Was zeichnet die beiden Messsysteme aus?

Pahl: Sie verbinden modernste Kameratechnik mit KI-basierter intelligenter Analysesoftware. Damit können wesentliche Kenngrößen von Granulaten wie Partikelgrößenverteilung, Kornform und Kornoberfläche gemessen werden. Die so gewonnenen Daten bilden die Basis für vielfältige Möglichkeiten in der Steuerung komplexer Produktionsanlagen.

Wie funktioniert der Qualimaster VC1?

Pahl: Unser Qualimaster VC1 ist mit einer Spezialkamera ausgestattet, die kontinuierlich Bilder vom Produktförderband aufnimmt, verarbeitet und analysiert. Dabei werden zahlreiche Parameter und Produkteigenschaften aus den Bildern identifiziert und berechnet. Die Bewertung der Qualitätsparameter kann entweder durch den Bediener oder intelligente Steuerungsalgorithmen erfolgen.

Die Partikel lassen sich über verschiedene Algorithmen erfassen. Die Erkennung der einzelnen Partikel aus den Bildaufnahmen erfolgt dabei über einen Deep-Learning-Ansatz auf Basis künstlicher Intelligenz. Das Gerät besitzt mehrere vortrainierte Modelle, die für ein breites Spektrum an Schüttgütern geeignet sind. Ein Training anwenderspezifischer Modelle ist möglich und kann auf Basis von Testaufnahmen erfolgen.

Und der Qualimaster VC2?

Pahl: Der Qualimaster VC2 besitzt ein universelles Kamerasystem zur automatischen Trenderkennung mithilfe KI-basierter Bildanalyse und ist somit ein Universalinstrument in der Qualitätsbeurteilung für Materialien in jeder Art und Konsistenz. Das smarte Qualitätssystem nimmt Bilder vom Produkt auf dem Förderband direkt nach dem Mischer auf. Anhand der Bilder wird entschieden, ob das Material im perfekten Zustand ist oder ob die Materialeigenschaften in eine falsche Richtung tendieren.

Worin unterscheiden sich die beiden Systeme?

Pahl: Im Gegensatz zum VC1 misst der VC2 keine konkreten Werte und Parameter aus den Bildern, sondern vergleicht die tatsächlichen Ergebnisse mit Referenzbildern mittels Deep Learning, einem Teilbereich des maschinellen Lernens. Möglich machen dies beispielsweise sogenannte neuronale Netze, eine Form selbstlernender Algorithmen. Je umfassender die neuronalen Netze auf die relevanten Eigenschaften eines Musters trainiert werden, desto präziser werden die Detektionsergebnisse. Die Qualitätskontrolle profitiert so von einer zuverlässigen und konsistenten Klassifizierung der untersuchten Produkte. Das ermöglicht die Analyse der Materialien im Prozess. Die so gewonnenen Daten dienen als Grundlage für intelligente Regelprozesse, die sich selbst optimieren können.

Herr Dr. Plankenbühler, die Qualimaster VC1 und VC2 zeigen, welche Möglichkeiten digitale Technologien bieten. Was ist Ihrer Meinung nach in Zukunft möglich und sinnvoll?

Dr. Plankenbühler: In den nächsten Jahren wird der Einsatz von KI zu erheblichen Prozessverbesserungen führen. Einige Bereiche haben schon heute großes Potenzial. Dazu gehört zum Beispiel die Störungsfrüherkennung. Hier fehlen aktuell zuverlässige Systeme, die unerwünschte Betriebszustände oder sich anbahnende Störfälle in der Praxis frühzeitig erkennen können. Obwohl solche Systeme in der Theorie oder im Labor existieren, sind sie im normalen Betrieb noch nicht weit verbreitet. Angesichts der Vielzahl von außerplanmäßigen Störungen, die selbst mit etablierten Wartungsplänen nicht behoben werden können, birgt der Einsatz von KI in Form von „Unsupervised Learning“ für das Condition Monitoring erhebliches Potenzial.

Sehen Sie weitere Einsatzmöglichkeiten?

Dr. Plankenbühler: Ein weiterer Bereich sind sogenannte Assistenzsysteme für Bediener. Je nach Schichtpersonal oder Schichtführer werden in nahezu jeder Anlage unterschiedliche Key Performance Indicators (KPI) erfasst. Dies kann verschiedene Gründe haben, wie unterschiedliche Betriebsphilosophien, individuelle Motivationen und Wissensstände. Häufig stehen mehrere Freiheitsgrade zur Verfügung, um den Prozess anzupassen. Bei Mischern beispielsweise können Parameter wie Korngröße sowohl durch die Mischzeit als auch durch die Flüssigkeitsmenge beeinflusst werden. Durch den Einsatz von Datenanalyse und KI-basierten Assistenzsystemen können nicht nur optimale Betriebspunkte identifiziert werden, sondern auch Vorschläge für Parameteränderungen gemacht werden. Hier sind auch Large Language Models, LLM, (wie ChatGPT oder Ähnliche) in hochspezialisierter Form als „digitaler Schichtführer“ oder zumindest als Unterstützer und Hinweisgeber bald keine Utopie mehr.

Sie haben gerade ChatGPT erwähnt. Worin liegt der wesentliche Vorteil solcher LLMs?

Dr. Plankenbühler: Durch den Einsatz von LLMs müssen Logs nicht mehr zwingend nach starren oder strikten Regeln verfasst werden. Stattdessen können automatisch Zusammenfassungen von Ereignissen während einer Schicht generiert, interpretiert und in leicht verständliche Formate für Menschen übertragen werden, etwa als kurzer Text oder Fazit der letzten Schicht. Dies könnte dazu führen, dass herkömmliche Laufzettel und ähnliche Dokumentationsformen der Vergangenheit angehören und sogar Besprechungen zur Schichtübergabe ersetzen.

Worauf sollten Unternehmen achten, die den Einsatz von KI und anderer Technologien in Betracht ziehen?

Dr. Plankenbühler: Bei all den Möglichkeiten, die digitale Technologien heute bieten, gilt es abzuwägen, was zur jeweiligen Unternehmensstrategie passt und welche digitalen Tools schrittweise eingeführt werden können.

Maschinenfabrik Gustav Eirich GmbH & Co KG, Hardheim


Das Interview führte für Sie: Dr. Bernd Rademacher

Redakteur


„In den nächsten Jahren wird der Einsatz von KI zu erheblichen Prozessverbesserungen führen. Einige Bereiche haben schon heute großes Potenzial.“

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