Startseite » Chemie »

Intensive Mischverfahren

Höhere Mischgüte bei kohäsiven Pulvern
Intensive Mischverfahren

Die meisten Mischvorgänge können zwar mit relativ einfachen Anlagen ausgeführt werden, der Trend geht jedoch generell zu immer komplexeren Mischverfahren. Mischanlagen übernehmen heute beispielsweise auch Beschichtungs- und Granuliervorgänge. Außerdem steigen die Anforderungen an die Mischqualität.

Dr. ir. Peter G. J. van der Wel

Beim Mischen von Pulvern lassen sich zwei Mechanismen unterscheiden, die Neuanordnung der Teile in der Mischung und die Vorgänge auf Teilchenebene. Der häufig als konvektiver Mischvorgang bezeichnete kontinuierlichen Austausch von Teilen bewirkt eine schonende Durchmischung der Bestandteile. Wird eine Mischanlage mit verschiedenen Komponenten befüllt, so ergibt sich eine geschichtete Ordnung: Komponente A ganz unten, Komponente B über Komponente A, usw. Durch Verwendung eines schaufel- oder schneckenförmigen Mischelements wird das Mischgut stetig durch die Mischanlage gefördert, so daß eine weniger geordnete Struktur entsteht. Je nach Dauer des Mischvorgangs, der Fördergeschwindigkeit und dem Wirkungsgrad entsteht ein Gemisch einer bestimmten Qualität.
Die Mischqualität ist also ausschließlich von der Zahl der Partikel einer Komponente in Stichproben der fertigen Mischung abhängig. Zusätzlich zur Dauer des Mischvorgangs wird diese Mischung auch durch die Stichprobengröße bestimmt: je kleiner die Stichprobe, desto größer die Abweichung von der Massenkonzentration.
Normalerweise ist ein konvektiver Mischvorgang bei fließfähigen Pulvern ausreichend. Aufgrund der losen Struktur derartiger Pulver können die Partikel sich miteinander auf Partikelebene vermischen. Manchmal entstehen Probleme, wenn eine oder mehrere Komponenten zum Entmischen neigen. In diesem Fall kann es bei zu langem oder zu raschem Mischvorgang zum Übermischen kommen, d. h. eine der Komponenten scheint sich von den übrigen Komponenten zu separieren. Bei derartigen Fällen bieten langsamlaufende Mischelemente in Verbindung mit genauer Überwachung des Verlaufs des Mischvorgangs die beste Abhilfemöglichkeit.
Nicht fließfähige Pulver
Ein komplexerer Fall liegt vor, wenn das Pulver nicht mehr als fließfähiger Pulverstoff vorliegt, sondern kohäsive Eigenschaften aufweist. Dies bedeutet, daß die Kräfte zwischen den Teilchen so stark sind, daß die Partikel beim Produktumschlag in strukturierter Form zusammengehalten werden. Dabei kann es sich um elektrostatische Kräfte, van der Waalssche Kräfte oder um Brückenbildung in feuchten Stoffen handeln. Beim konvektiven Mischen werden diese Strukturen nicht aufgebrochen, ein Durchmischen findet nur auf makroskopischer Ebene statt. Daher bedarf es zusätzlicher Energie in Form von Prall- oder Scherkräften. Sogenannte intensive Mischverfahren kommen zum Einsatz.
Aufbrechen kohäsiver Strukturen
Die zum Aufbrechen kohäsiver Strukturen erforderliche Energie kann entweder durch Hochgeschwindigkeits-Prallkräfte, z. B. durch Hackmesser, oder durch Scherkräfte in relativ langsamlaufenden Anlagen, z. B. in einem Kollergang, aufgebracht werden. Während die Prallkräfte teilend wirken, deformieren Scherkräfte die Strukturen so stark, daß sie aufbrechen. Prallbewegungen wirken nur örtlich begrenzt an der Stelle, an der das Prallelement auftrifft. Scherkräfte sind wesentlich wirkungsvoller: sämtliche Strukturen im gesamten Scherbereich werden aufgebrochen.
Die meisten industriell genutzten Intensivmischanlagen nutzen Prallkräfte als zusätzliche Energiequelle beim Mischen kohäsiver Stoffe. Hierbei werden herkömmliche konvektive Mischanlagen mit einer zusätzlichen Hackvorrichtung kombiniert, wodurch die konvektive Bewegung des Mischguts durch die Zufuhr hoher lokaler Energie verstärkt und damit eine intensive Durchmischung erzielt wird. Eine derartige Mischanlage zeigt Abbildung 1. In bestimmten Fällen wurden Sondermaschinen für die intensive Durchmischung von Pulvermedien entwickelt. Die konvektive Durchmischung, die grundsätzlich für die Herstellung homogener Produkte notwendig ist, ist auch abhängig von der Auswahl des Mischerwerkzeugs. Die Abbildung 2 zeigt einen typischen schnellaufenden Prallmischer für Pulverstoffe.
Die Wirkungsweise von Scherkräften beim Aufbrechen kohäsiver Strukturen soll hier anhand der besonders intensiv arbeitenden Mechanofusion-Mischanlage erläutert werden. Hier wird das Mischgut in einer rotierenden Kammer zentrifugiert. Durch die hohen Radialgeschwindigkeiten wird das Mischgut an der Wand verdichtet, wobei in diesem verdichteten Mischgut durch ein feststehendes Scherelement extrem hohe Scherkräfte aufgebracht werden.
In Abbildung 3 ist dieser Vorgang schematisch dargestellt. Außerdem erkennt man den Abstreifer, der das verdichtete und abgescherte Mischgut von der Wand abträgt und damit die erforderliche Materialkonvektion bewirkt.
Komplexe intensive Mischprozesse
Die enormen Scherkräfte, die in der Mechanofusion erzeugt werden, bieten zwar annähernd ideale Voraussetzungen für eine intensive Durchmischung des Mischguts, doch sind die Anwendungsmöglichkeiten dieses Verfahrens auf kleinere Losgrößen und spezielle Mischprozesse beschränkt, in denen die Bestandteile durch die extremen mechanischen Kräfte regelrecht mit den übrigen Stoffen verschmolzen werden. Aufgrund baulicher Einschränkungen werden die hohen Scherkräfte nur in einem kleinen Bereich des Produkts aufgebracht, was die Mischleistung insgesamt erheblich verringert.
Werden die Stoffe in einer Wälzbewegung geschert, entsteht eine Wälzbewegung der Partikel, während beim Aufbrechen der Strukturen kohäsiver Komponenten in der Scherzone die Einzelpartikel die größeren Wälzpartikel direkt umschließen. Dies bewirkt einen nahezu idealen Durchmischungszustand. Beim Einwirken von Prallkräften neigen die zerstörten Strukturen nicht dazu, andere Partikel zu umschließen und können problemlos wieder ähnliche Strukturen bilden oder in weniger einheitlicher Schichtung an anderen Partikeln anhaften.
In Kombination
Auf der Suche nach der idealen Intensivmischvorrichtung wurden in letzter Zeit erfolgreiche Versuche durch die Kombination des Prinzips des Intensivmischvorgangs durch Scherkräfte mit den hohen Leistungen herkömmlicher Prallmischanlagen durchgeführt. Ein stationäres, senkrecht stehendes konisches Gefäß wurde mit einer rasch rotierenden Welle mit Rührschaufeln kombiniert, die sich entlang der Wand bewegt. Abbildung 4 verdeutlich diese Mischanlagengeometrie anhand des Intensivmischers Cyclomix. Aufgrund der hohen Umlaufdrehzahlen der Rührschaufeln wird das Mischgut zentrifugal zur Wand gedrängt. An der Wand bildet sich ein rasch rotierender Ring aus Mischgut. Durch die konische Gefäßform wird das Material in diesem Ring allmählich nach oben gefördert. Der zunehmend größere Radius dieses Rings bewirkt zugleich eine konstante Beschleunigung des Mischguts. Im oberen Teil der Mischanlage sind keine Rührschaufeln vorhanden, die Mischgutbewegung verlangsamt sich. Durch die Gestaltung des Behälterdeckels wird das Mischgut in die Mitte der Mischanlage gefördert und fällt dort auf den Boden zurück, wo es erneut beschleunigt wird. Die Auf- und Abwärtsbewegung des Mischguts bewirkt eine rasche Durchmischung. Durch die konstante Beschleunigungs- und Abbremsbewegung in Verbindung mit der hohen Wandreibung wird die notwendige intensive Mischwirkung erreicht. Dieses Prinzip läßt sich am besten als schnellaufendes Schermischverfahren beschreiben. Die Zentrifugalkräfte erzeugen die notwendige Verdichtung des Mischguts, während der schnellaufende, gleichmäßig beschleunigende Mischgutring hohen Scherkräften an der Behälterwand ausgesetzt ist. Eine gewisse Aufprallwirkung auf das Mischgut wird hervorgerufen, wenn das Mischgut auf den untersten Abstreifer in der Mischanlage aufprallt. Allerdings ist dieser Effekt im Mischprozeß von geringerer Bedeutung.
In Experimenten konnte nachgewiesen werden, daß bei dieser intensiven Mischtechnik ähnliche Mischergebnisse wie mit dem oben beschriebenen Mechanofusions-Prozeß erzielt werden und die Produktionsleistungen annähernd die Leistungen industriell eingesetzter Schlagmischer erreichen. Es konnte zwar keine echte mechanische Verschmelzung der Partikel festgestellt werden, doch entstehen durch den schnellaufenden Scherprozeß im Cyclomix ähnlich umhüllte Partikel.
Zu den Anwendungsbereichen dieses kombinierten Verfahrens zählt beispielsweise das Beimischen von Farbstoffen oder Pulverlackzusatzstoffen, wo es besonders darauf ankommt, daß die Komponenten auf der gesamten Oberfläche der Primärpartikel gleichmäßig verteilt werden.
Weitere Informationen cav-297
Unsere Webinar-Empfehlung
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

cav-Produktreport

Für Sie zusammengestellt

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper

Top-Thema: Instandhaltung 4.0

Lösungen für Chemie, Pharma und Food

Pharma-Lexikon

Online Lexikon für Pharma-Technologie

phpro-Expertenmeinung

Pharma-Experten geben Auskunft

Prozesstechnik-Kalender

Alle Termine auf einen Blick


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de