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Ist weniger Komplexität wünschenswert?

Stahlfermenter versus Disposable
Ist weniger Komplexität wünschenswert?

Edelstahlfermenter bewähren sich in der Biotechnologie seit vielen Jahren. Sie sind ausbaufähig und können Produktionsprozesse nachhaltig kreativ verbessern. Einwegbioreaktoren bringen schnelle Ergebnisse. Sind sie die Zukunft oder reflektieren sie nur den Anachronismus Wegwerfgesellschaft? Derzeit erhitzen sich die Gemüter an der Frage, ob Einwegbioreaktoren aus Plastik das Potenzial haben, die altbewährten Edelstahlfermenter langfristig vom Markt zu verdrängen.

Dr. Karin Koller

Bei Einwegfermentern sind die Investitionskosten viel geringer als bei Stahlfermentern. Da keine aufwendigen Rohrleitungen verlegt und verschweißt werden müssen, reduziert sich die Installationszeit signifikant. Der Wegfall von SIP- und CIP-Prozessen verringert den Verbrauch an Wasser, Energie und Chemikalien und erleichtert die Validierung. Der Prozess scheint sich erheblich zu vereinfachen. Nachteilig sind die durch Einwegplastikbeutel erzeugten hohen Betriebskosten und Müllberge, die mögliche Abgabe von Extractables in die Kulturbrühe und reduzierte Möglichkeiten zur Prozesssteuerung.
Oberflächlich betrachtet scheinen die Vorteile zu überwiegen. Betrachtet man die Entwicklungen in der Biotechnologie, ist es nicht mehr so klar, ob eine Reduktion der Komplexität wirklich zeitgemäß ist.
Modular zur Kreativität
Biotechnologische Entwicklung soll naturgemäß dafür sorgen, dass ein Prozess möglichst hohe Ausbeuten mit möglichst geringem Aufwand liefert. Ein Ansatz dafür ist die Verbesserung der Produktbildung durch Schaffung von optimalen Bedingungen für Bakterien- und Zellkulturen. Das kann zum Beispiel mit Feedbackregelung, Zusatz von Inducern oder kontrollierter Prozessführung erfolgen.
Ein weiterer Ansatz ist die Verwendung von produktiveren Organismen. Extremophile und marine Mikroorganismen haben vielversprechende Ergebnisse geliefert von der Erzeugung von Waschmittelenzymen bis hin zur Entwicklung von Drug-Delivery-Systemen. Genetisch veränderte Bakterien schaffen entweder direkt hohe Produktausbeuten oder in Form von Inclusion bodies, die nach Rückfaltung sehr reine Produkte liefern. Ist korrekte Glycosylierung der Proteine erforderlich, können genetisch veränderte Hefen die produktivere Alternative zur Zellkultur sein.
Ein dritter Ansatz ist die Biotransformation zur Herstellung von hochwertigen Molekülen und Bulk-Produkten, die bisher nur über einen aufwendigen mehrstufigen chemischen Syntheseweg herstellbar waren.
Jeder dieser Ansätze benötigt spezielle, genau definierte Kulturbedingungen und, um diese zu schaffen, spezielle Anlagenkomponenten und Regelsysteme. Ein biotechnologischer Entwicklungsreaktor aus Edelstahl wird genau für die Bedürfnisse der im Labor entwickelten Prozesse konzipiert und soll dann viele Jahre hindurch arbeiten – einige Bioengineering-Anlagen sind seit über 30 Jahren in Betrieb. Wenn der Reaktor angeschafft wird, ist jedoch oft nicht voraussehbar, wie sich die biotechnologische Prozessführung und das eigene Produktportfolio entwickeln werden. Es besteht die Gefahr, dass die erworbene Anlage nach einigen Jahren Betriebszeit veraltet ist und der geplante Prozess nicht in ihr ausgeführt werden kann.
Um dieses Problem zu verhindern, baut Bioengineering alle Anlagen, vom Kleinlabor- bis zum Produktionsmaßstab, mit modularen Komponenten auf. Das bedeutet, dass jede Neuentwicklung als Modul aufgebaut ist, das sich nahtlos in eine bestehende Anlage einfügen kann. Beispiele für solche Module sind der Rotorfilter für die Perfusion von Zellkulturen, der Festbetteinsatz für adhärente Zellen oder ein Methanolregelsystem für die Proteinexpression bei methylotrophen Hefen. Für die Rückfaltung von Inclusion bodies und zur Kultivierung von marinen Mikroorganismen können in den Glasfermentern von Bioengineering alle Stahlteile durch PEEK-Komponenten ersetzt werden.
Ebenso modular wie die Anlagenkomponenten ist auch die Software BioScada von Bioengineering aufgebaut. Von der einfachen Visualisierung des Prozesses bis zur vollständigen Automatisierung der Anlage kann BioScada je nach Bedarf stufenweise erweitert werden.
Die Modularität von Hardware und Software in Edelstahlfermentern ermöglicht eine flexible Anpassung der Anlage an den Prozess. Sie lässt der Kreativität freie Hand und hebt dadurch Prozesse auf ein neues Niveau. In Einwegbioreaktoren hingegen sind nicht nur Durchmischung, Belüftung und Regeltechnik äußerst limitiert, sondern es gibt auch so gut wie keine Möglichkeiten, Komponenten zur Steigerung der Produktivität in den Prozess einzubeziehen.
Komplexe Produktion
Nach der Entwicklung im Labor muss der Prozess auf den Produktionsmaßstab umgesetzt werden. Auch hier stößt das Einwegbioreaktorsystem an seine Grenzen. Für das Upscaling in Edelstahlfermentern wurden über Jahrzehnte Erfahrungswerte erarbeitet. Aufgrund der homogenen Kesselgeometrie, der an den Maßstab angepassten Komponenten und der gleich zu bedienenden Software kann der Prozess relativ unproblematisch und ohne Verzögerung vom Labor- in den Produktionsmaßstab geführt werden.
Mit Einwegbioreaktoren ist das Upscaling aufgrund von Faktoren wie inadäquater Massen- und Wärmeübertragung nicht immer reibungslos. Fehlende Mess- und Regelsysteme können den Prozess unkontrollierbar machen. Mitunter scheitert das Up-scaling bereits daran, dass die Einwegsysteme nicht in den für den Produktionsprozess benötigten Volumina verfügbar sind.
Es ist richtig, dass Einwegbioreaktoren den Prozess stark vereinfachen, sie arbeiten aber auch mit stark vereinfachter Prozesstechnologie. Automatisierte Edelstahlbioreaktoren verfügen über eine hochentwickelte, komplexe Regeltechnik mit Datenanalyse, Feedbackregelung und individueller Prozessführung. Die Kombination mit Komponenten, die auf den Prozess zugeschnitten sind, oder zum Teil sogar für den Prozess entwickelt wurden, ermöglicht die Steigerung der Produktausbeute. Ein hoher Automatisierungsgrad verringert gleichzeitig den Arbeitsaufwand der Betreiber und durch menschliche Fehlmanipulationen verursachte Fehler.
Jeder Prozessschritt wird in einer Operation der Software definiert und kann per Knopfdruck nach Vorbereiten der Anlage gestartet werden. Die Software steuert nun den Prozess, überwacht alle relevanten Parameter, alarmiert den Betreiber bei jeder Abweichung und dokumentiert den gesamten Prozess lückenlos inklusive aller Manipulationen, Prozesswerte und Alarme. Ein gut entwickelter Prozess mit durchdachter Automatisierung macht den Betrieb von hochkomplexen, exakt definierten Prozessen selbst im großindustriellen Maßstab völlig unkompliziert. Dabei werden keine Kompromisse eingegangen bei der Komplexität der Prozesstechnologie und der Funktionalität der Komponenten.
Mit Nachhaltigkeit zur Effizienz
Die Notwendigkeit von Sterilisation, CIP und Validierung verbleiben gegenüber Einwegbioreaktoren als Nachteil. Der Verbrauch von Ressourcen und das Restrisiko von Kreuzkontaminationen in Mehrzweckanlagen werden als Hauptargumente gegen Edelstahlfermenter in die Diskussion geworfen.
CIP-Systeme werden normalerweise vollständig automatisiert. Die Reinigung erfolgt also per Knopfdruck mit geringstem Personalaufwand. Der Chemikalienverbrauch wird durch Zirkulation gering gehalten. Die im Kreislauf geführten Reinigungslösungen werden mit Sonden auf ihren Verunreinigungsgrad geprüft und entsprechend der Spezifikationen ausgewechselt. Dies reduziert nicht nur die Menge an benötigten Chemikalien, sondern auch die Probenahmezeit und den Aufwand der Herstellung. Spülzeiten und Wasserverbrauch werden mit ausgeklügelten Einbauten wie der rotierenden CIP-Lanze RotaCIP minimiert.
Vollautomatisierte, effiziente Reinigung ist bei Bioengineering im Labormaßstab ebenso selbstverständlich wie im Produktionsmaßstab. Das mobile, automatisierbare CIP-System CIP-Mobil wird mit einigen einfachen Handgriffen an den Bioreaktor und die benötigten Energien angeschlossen und nach der Reinigung platzsparend gelagert.
Die Sterilisation wird in allen in situ sterilisierbaren Anlagen von Bioengineering automatisiert und vollständig dokumentiert durchgeführt. Das Medium wird üblicherweise mit dem Kessel mitsterilisiert. Dadurch werden nachträgliche Eingriffe in das sterile System minimiert und die Kontaminationsgefahr reduziert. Obwohl bei Einwegbioreaktoren der Reaktorbeutel bereits vorsterilisiert ist, muss dennoch das Medium steril eingefüllt werden. Probleme können sowohl durch Verstopfung der Sterilfiltrationsanlage als auch durch Einschleppung von Fremdkeimen bei Filterdefekt oder unsachgemäßem Anschluss der Schlauchleitungen auftreten.
CIP und SIP stellen in der Tat einen zusätzlichen Validierungsaufwand dar. Validierung ist jedoch nicht nur Aufwand, Validierung ist auch der eindeutige Beweis, dass der Prozess bestimmungskonform ablaufen kann. Durch die Validierung kann der Hersteller dokumentieren, dass der Prozess in einem vollständig gereinigten und sterilen Reaktor geführt wird. Im Zusammenspiel mit der Software werden nicht nur Sterilisation und Reinigung sondern der gesamte Prozess dokumentiert. Durch fälschungssichere Dokumentation aller während des Prozesses getätigten Manipulationen mit Zeitstempel und Benutzernamen wird für jede Produktcharge die ordnungsgemäße Produktion festgehalten.
Alle Bioengineering-Anlagen werden individuell für den spezifischen Prozess zusammengestellt. Wünsche und Bedürfnisse der Kunden sind der Motor für die Entwicklung innovativer Komponenten, mit denen kreative Prozesse auch technologisch auf den neuesten Stand gebracht werden. Diese Zusammenarbeit wird nicht mit der Übergabe der Anlage beendet, sondern besteht aufgrund des Modulsystems über viele Jahre. Kundenspezifische, erweiterbare Anlagen repräsentieren mit Nachhaltigkeit den Fortschritt durch Weiterentwicklung und nicht wie Einwegbioreaktoren die Vereinfachung durch Weglassen essentieller Komponenten.
Nachhaltigkeit bedeutet nicht notwendigerweise nur die Vermeidung von Wegwerfprodukten. Nachhaltigkeit bedeutet auch, das Neue zu erarbeiten, die Produktqualität zu gewährleisten, die Produktausbeute zu steigern und damit den wirtschaftlichen Erfolg zu sichern.
Online-Info www.cav.de/1009474
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