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Kompakter Siedethermostat

Vereinfacht Aufbau von Miniplantanlagen
Kompakter Siedethermostat

In der chemischen Verfahrensentwicklung ersetzen zunehmend kleine Miniplant-Aufbauten im Labormaßstab aufwendige Technikumsanlagen. Für die nötige Wärmezufuhr zur Untersuchung fluidverfahrenstechnischer Prozesse setzen die Anwender häufig Siedethermostate. Sie bieten eine Reihe apparatetechnischer Vorteile. Ein neuartiges, flexibles Komplettsystem vereinfacht ihren Einsatz erheblich.

Dr.-Ing. Markus Hadley, Dr.-Ing. Ludwig Deibele, Dipl.-Ing. Reinhold Jung, Dipl.-Ing. Heinrich E. Steude

Rechnergestützte Simulationen neuer Produktionsverfahren in der chemischen Industrie reichen nur in Ausnahmefällen, um technische Anlagen funktionssicher auszulegen. Häufig müssen die hierfür notwendigen Daten, beispielsweise über Mengen- und Wärmebilanzen, Nebenproduktanreicherungen, Korrosion und Fouling, durch Experimente an Versuchsanlagen erzielt werden, die jeden einzelnen Verfahrensschritt mit Originalprodukten im kleineren Maßstab vorwegnehmen.
In neuerer Zeit stützt man sich hierzu immer seltener auf aufwendige und teure Technikumsanlagen; an ihre Stelle treten sogenannte Miniplant-Anlagen. Dabei handelt es sich um kleine Versuchsanordnungen, die größtenteils aus Glas gefertigt und für Mengenströme zwischen 0,1 l/h und 10 l/h ausgelegt sind. Die ökonomischen Vorteile liegen auf der Hand: Der durchschnittlichen Versuchsdauer in einer Technikumsanlage von rund drei Jahren (inklusive Planungs-, Genehmigungs- und Erstellungszeitraum) steht im Falle einer Miniplant-Versuchsanlage höchstens ein Jahr gegenüber. Die Anlagekosten können um eine Größenordnung geringer sein [1]. Zudem lassen sich die untersuchten Prozesse schnell und ohne größeren Aufwand modifizieren.
Hohe Ansprüche an die Versuchsanlage
Damit das Verfahrens-Scale-up, also die Übertragung der im Laborversuch gewonnenen Daten in technische Größenordnungen, gelingt, sind an den Versuchsaufbau und die verwendeten Apparate sehr hohe Ansprüche zu stellen. Dies gilt vor allem für die Modellierung fluidverfahrenstechnischer Prozesse, wie sie etwa bei der thermischen Trennung in Destillationskolonnen zum Einsatz kommen. So haben zum Beispiel die Kolonnentemperaturen einen erheblichen Einfluß auf die Güte der Produkte. Lokale Überhitzungen bei Verdampfern, die mit Heizkerzen auf elektrischem Wege beheizt werden, können empfindliche Produkte schädigen und Informationen über Nebenproduktanreicherungen verfälschen. Die Lösung sind Siedethermostate, die die Verbraucher mit dem Dampf einer hochsiedenden, organischen Flüssigkeit (Wärmeträger) heizen. Damit lassen sich hohe Heizflächenbelastungen (Wärmestromdichten) verwirklichen. Bei gutem Wärmeübergang ist die Temperaturdifferenz zwischen Produkt und Heizmittel dennoch gering. Außerdem weist die Heizmitteltemperatur im Vergleich zu anderen Wärmequellen über dem Verbraucher keinen Gradienten auf, sondern ist über die gesamte Fläche konstant.
Allgemeines Funktionsprinzip
Siedethermostate heizen „indirekt“ über den Dampf eines Wärmeträgers. Der Dampfdruck einer reinen Flüssigkeit steht bekanntlich mit der Temperatur in engem Zusammenhang (Abb. 1). Die Einstellung der Heizmitteltemperatur erfolgt beim Siedethermostat daher einfach über die Variation des Betriebsdrucks, der üblicherweise im leichten Unterdruck zwischen 100 mbar und 1000 mbar liegt. Die Menge der transportierten Wärmeenergie hängt von der Menge des Dampfes ab, der im Thermostat zirkulieren kann.
Die benötigte Dampfmenge wird über einen separat betriebenen Verdampfer zur Verfügung gestellt. Der Dampf gelangt schließlich zum Verbraucher und kondensiert dort aufgrund des angelegten Temperaturgefälles aus; dabei gibt er seine Kondensationswärme an den Verbraucher ab. Das Kondensat gelangt schließlich zurück in den Siedethermostat. Der Verbraucher entzieht dem Heizmedium immer nur gerade soviel Wärmeenergie, wie für den Prozeß benötigt wird – bei einer stets konstanten Temperatur. Die im Siedethermostat und in den Rohrleitungen befindliche Wärmeträgermenge (Hold-up) ist vergleichsweise gering. Daher reagiert das System deutlich weniger träge als flüssigkeitsbetriebene Thermostate. Die geringe Füllmenge hat auch sicherheitstechnische Vorteile.
Da sich Drücke im Arbeitsbereich von etwa 100 mbar bis 1000 mbar leicht und mit hoher Genauigkeit einstellen und regeln lassen, können die Arbeitstemperaturen von Siedethermostaten bis auf wenige Bruchteile eines Grads genau eingestellt werden. Somit lassen sich auch geringste treibende Temperaturdifferenzen zwischen Heizmittel und Verbraucher realisieren.
Verwendete Wärmeträger
In der industriellen Praxis wird in den meisten Fällen immer noch Wasserdampf als Wärmeträger verwendet. Sind allerdings hohe Temperaturen gewünscht, können diese bei Verwendung von Wasser nur unter hohem Druck bereitgestellt werden. Um zum Beispiel eine Temperatur von 315 °C zu gewährleisten, muß ein Druck von 110 bar aufrechterhalten werden. Derartige Drücke führen aber zu hohen mechanischen Belastungen der Apparate und Rohrleitungen. Dies schließt Wasserdampf als Wärmeträger im Laborbereich mit seinen Glasapparaturen weitestgehend aus.
Einen Ausweg bieten organische Flüssigkeiten wie Glycole und Kohlenwasserstoffe sowie Wärmeträgeröle wie etwa Diphyl®. Sie haben einen hohen Siedepunkt und können schon bei niedrigen Drücken hohe Heizmitteltemperaturen gewährleisten. Außerdem lassen sie sich bei Prozessen einsetzen, bei denen ein Kontakt mit Wasser aus dem Heiz- bzw. Kühlsystem ein beträchtliches Gefahrenpotential darstellen würde. Für den Einsatz dieser organischen Wärmeträger müssen allerdings die Leitungsquerschnitte des Siedethermostaten angepaßt werden. Zu berücksichtigen sind dabei die im Vergleich zum Wasser niedrigeren Verdampfungsenthalpien, die höheren Molekulargewichte sowie die niedrigeren Betriebsdrücke.
Druckloser Betrieb
Jeder Wärmeträger hat sein ideales Anwendungsfenster dort, wo die Dampfdruckkurve weder zu flach verläuft noch zu steil ansteigt, so daß das System auf eine Druckänderung mit einer praktikablen Änderung der Dampftemperatur „reagiert“. Im Falle des Diphyls etwa können Temperaturen zwischen 150 °C und 250 °C bei Drücken von etwa 100 mbar bis 900 mbar – mithin im Vakuum – realisiert werden. Dies hat den Vorteil, daß damit befüllte Anlagen nicht mehr unter die Druckbehälterverordnung fallen und mit niedrigen Mindestwandstärken ausgelegt werden respektive Glasapparaturen zum Einsatz gelangen können.
Allround-System
Dem sehr guten Leistungsprofil eines Siedethermostaten stand bisher jedoch seine aufwendige Montage entgegen. Für Modellversuche in Miniplant-Anlagen mußten sie immer wieder neu ausgelegt, aus Glasbauteilen zusammengesetzt und geprüft werden. Das hat die Bayer AG, Leverkusen, Ressort Technische Entwicklung, Abteilung Fluidverfahrenstechnik, dazu bewogen, in Zusammenarbeit mit der gwk Gesellschaft Wärme Kältetechnik mbH vielfältig einsetzbare Allzweck-Siedethermostate zu realisieren, die Vakuumdampfheizgeräte der Vacutherm-Reihe (Abb. 2). Die kompakten Geräte sind fertig montiert zum direkten Einsatz und eignen sich sehr gut zur Verfahrensentwicklung im Labor (Abb. 3).
Kernstück des angebotenen Geräts ist ein elektrisch betriebener Verdampfer, der je nach angestrebtem Temperaturbereich verschiedene organische Wärmeträger verdampft. Der Anwender kann die gewünschte Temperatur über eine Bedieneinheit direkt einstellen. Die genaue Kenntnis der Dampfdruckkurve ist nicht nötig: Der intern mit der Temperatur korrespondierende Druck wird über eine Steuerelektronik eingestellt, die zwischen Soll- und Ist-Temperatur ausregelt. Falls der Wärmeträger, etwa infolge beginnender Zersetzung oder Verunreinigung, ein vom Ideal abweichendes Dampfdruckverhalten zeigt, wird der Druck im System automatisch nachgeführt.
Regelkreise sparen Ressourcen
Bei der Konzipierung der Vakuumdampfheizgeräte wurde auch auf Ressourcenschonung großer Wert gelegt. Die Vakuumpumpe, die den geforderten Druck gewährleistet, arbeitet nur, wenn eine Druckänderung notwendig ist. Ein interner Kondensator, der bei konventionellen Siedethermostaten überschüssigen Restdampf verflüssigen muß, konnte wegfallen. Die Steuerelektronik sorgt dafür, daß die elektrische Heizung stets nur soviel Dampf erzeugt, wie benötigt wird, um dem Verbraucher die geforderte Wärmemenge zur Verfügung zu stellen. Eine Kühlung mit Leitungswasser zur Abführung der überschüssigen Wärmeenergie kann hierdurch entfallen. Das Gerät benötigt zum Arbeiten lediglich einen elektrischen Anschluß.
Das Vakuumdampfheizgerät Vacutherm VT 6 bietet eine Heizleistung von 6 kW. Weitere Apparate, die über ein Baukastensystem unterschiedliche Leistungen bis hin zu 60 kW zur Verfügung stellen werden, sind geplant. In der zentralen Entwicklung der Bayer AG haben Prototypen dieser Siedethermostate bereits gute Dienste geleistet. Dort wird davon ausgegangen, daß sich die Investition in ein derartiges Kompaktgerät durch die eingesparten Personal- und Materialkosten innerhalb eines Jahres amortisiert.
Weitere Informationen cav-258
Schrifttum
[1] Steude, H.E.; Deibele, L.; Schröter, J.: Miniplant-Technik – ausgewählte Aspekte der apparativen Gestaltung. Chemie Ingenieur Technik 69, S. 623-631, 1997
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