Startseite » Chemie »

Kühle Haut für heiße Eisen

Moderne Beschichtungen schützen Anlagen im Brandfall
Kühle Haut für heiße Eisen

Nach dem Ingenieurbau verlangen immer häufiger auch ganze Industriezweige wie z. B. die Petrochemie nach besonders sensibler Brandschutzarbeit mit neuen Materialien. Diese sorgen nicht nur für höhere Widerstandszeiten, sondern erfüllen auch moderne Anforderungen an Ästhetik im Baubereich. Das Gelsenkirchener Unternehmen PeinigerRöRo verfügt als einer von nur wenigen Dienstleistern über eine Zertifizierung zur Verarbeitung der speziellen Brandschutzbeschichtungssysteme Thermo-Lag und Chartek. cav sprach mit Thomas Pahle, Standortleiter für Brand- und Korrosionsschutz bei PeinigerRöRo in Gelsenkirchen.

cav: Was umfasst der Begriff Brandschutztechnik eigentlich alles?

Pahle: Wir unterscheiden zuerst einmal zwischen passivem oder baulichem und aktivem oder bekämpfendem Brandschutz. Im baulichen Bereich wird dann erneut unterschieden zwischen bautechnischen Schutzmaßnahmen wie etwa Brandschutztüren oder Sprinkleranlagen und der Brandschutzbeschichtung oder -isolierung. Wir bieten verschiedene Brandschutzbeschichtungssysteme für Stahl, Holz und Beton an, die wir vor Ort oder stationär in unseren Werkstätten applizieren.
cav: Wie viele Arten von Beschichtungssystemen gibt es denn?
Pahle: Es gibt einmal die intumeszenten Systeme und die sublimierenden Systeme. Intumeszent heißt, dass sich bei Hitzeeinwirkung bestimmte Stoffe aufblähen und eine zeitlich begrenzte, schützende Schale bilden. Sublimation ist ein Prozess, in dem ein Stoff – in diesem Fall die Beschichtung – unter Einwirkung großer Hitze von der festen direkt in die gasförmige Phase wechselt. Bei diesem Prozess wird die Beschichtung Schicht für Schicht verbraucht und der Grundwerkstoff wird vor einer unzulässigen Erwärmung geschützt. Der Vorteil: Nach einem Brand müssen lediglich die fehlenden Schichten erneuert werden.
cav: Nach welchen Kriterien werden diese Systeme angewendet?
Pahle: Im Ingenieurbau schützt man sich zumeist gegen Zellulosebrände mit einer relativ niedrigen Wärmeenergie. Hier dürfen laut DIN 4102 nur Materialien verwendet werden, die eine allgemein bauaufsichtliche Zulassung haben, und das sind hauptsächlich intumeszente Systeme. Die Eignungsprüfung erfolgt hier nach der so genannten Einheitstemperaturkurve. Weitaus anspruchsvoller sind Kohlenwasserstoffbrände, die im Bereich der Chemie, Petrochemie oder auf Offshore-Anlagen vorkommen können. Bei dieser Art von Brand entstehen sehr viel höhere Temperaturen und die baulichen Voraussetzungen sind fast immer andere. Hier setzen wir hauptsächlich sublimierende Systeme ein.
cav: Dann werden in der Chemieindustrie also hauptsächlich Beschichtungssysteme für den Brandschutz verwendet?
Pahle: Leider nein. Gerade dort, wo es am nötigsten wäre, sind herkömmliche Ummantelungen aus kurzfristigen Kostengründen noch Standard. Dabei stellen Fachleute die Fähigkeit dieser Art des Brandschutzes für die speziellen Anforderungen der Industrie längst in Frage. Zum Beispiel bei der Belastung durch ein so genanntes Jet-Fire, das beim Austreten von unter hohem Druck stehenden Gasen oder Flüssigkeiten entstehen kann, entwickelt sich eine ganz andere Art von Wärmeenergie. Hier muss der Brandschutz auch großen Druck und punktuelle Belastung aushalten können. Dazu kommen noch eventuell auftretende Explosionen und mechanische Schäden am Bauteil.
cav: Gibt es neue Entwicklungen auf dem Gebiet des Brandschutzes?
Pahle: Wir sind in Deutschland exklusiver Anbieter für ein amerikanisches Schichtsystem, das Feuerwiderstandszeiten von mehr als 90 Minuten erlaubt. Das System trägt den Namen Thermo-Sorb und ist eine einkomponentige Dünnfilm-Brandschutzbeschichtung, die intumeszent und sublimierend zugleich wirkt. Sie haben also den Vorteil einer harten, beständigen und dabei ästhetisch aussehenden Deckschicht, die sich an die vorhandene Form des Stahlprofils harmonisch anpasst. Vom selben Hersteller stammt übrigens auch das Brandschutzsystem Thermo-Lag, für das wir ebenfalls einer der ganz wenigen zertifizierten Anbieter in Deutschland sind. Thermo-Lag ist ein Produkt aus der Raumfahrt und wurde dort ursprünglich für Hitzeschilde entwickelt. Der Name steht für eine ganze Gruppe von sublimierenden, hitzeblockierenden Materialien, die je nach Schichtdicke bis zu 240 Minuten Brandwiderstand erlauben. Thermo-Lag sublimiert wie Trockeneis, aber auf höherem Temperaturniveau (~250 °C). Bei diesem Prozess werden massive Mengen an Wärmeenergie verbraucht, wodurch die Wandungstemperatur des Bauteiles maximal das Niveau der Sublimationstemperatur erreicht, die eine Konstante ist. Zusätzlich blockieren die freigesetzten Sublimationsgase nach dem Gegenstromprinzip etwas den Wärmefluss vom Brandherd. Unsere Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Hersteller beschränkt sich aber nicht nur auf den Vertrieb und die Dienstleistung, sondern wir vereinigen zusammen mit dem Importeur auch unser Wissen aus Praxis und Forschung.
cav: Was sind die großen Herausforderungen?
Pahle: Der Anspruch an die Optik ist gerade im Ingenieurbau stark gestiegen. Die Einbindung von Stahlträgern oder generell tragenden Konstruktionen als gestaltendes Element stellt diesbezüglich ganz neue Anforderungen an die Beschichtung. Wo wir früher den Stahl mit Isolierungen und Verschalungen einfach versteckt haben, wird dieser heute zunehmend sichtbar verbaut und soll möglichst filigran und elegant aussehen. Würden wir dann aber die Beschichtung nicht nachbearbeiten, wäre von der Eleganz nicht mehr viel übrig. Mit den beschriebenen neuen Systemen können wir diese Anforderungen meist erfüllen. Aufgrund des geringen Gewichtes ergeben sich keinerlei Probleme mit der Bauwerksstatik und sie haben die Möglichkeit der einfachen Reparatur bei baulichen Veränderungen. Dies gilt für die Anwendung an Behältern aller Art, Rohrleitungen, Standzargen und jede denkbare Form von Stahlkonstruktionen.
cav: Wie wollen Sie denn Industriekunden von diesen Systemen überzeugen, die weniger Wert auf Optik legen und nicht an enge Normen gebunden sind?
Pahle: Grundsätzlich gehen wir natürlich davon aus, dass jedem Kunden der optimale Schutz seiner Anlage am Herzen liegt, auch wenn dieser etwas kostenintensiver ist. Im Einzelfall hat die Anwendung von neuen, hochwirksamen Brandschutzsystemen aber auch schon zur Einstufung des Kunden in niedrigere Versicherungsklassen geführt. Das wird in der Zukunft teilweise sogar zur Vorgabe werden. So lassen sich die einmaligen Mehrkosten nicht nur schnell refinanzieren, sondern führen mittelfristig sogar zu Kostenersparnissen. Davon abgesehen müssen herkömmliche Isolierungssysteme regelmäßig instand gehalten werden, weil sonst Feuchtigkeit in die Ummantelung eindringt und langfristig sogar das zu schützende Bauteil angreifen kann. Diese Korrosion ist meist von außen erst sichtbar, wenn es zu spät ist. Die von uns eingesetzten Systeme hingegen wirken aufgrund ihrer Schichtdicke wie ein Superkorrosionsschutz. Wenn keine mechanische Beschädigung auftritt, ist eine Lebensdauer von 20 Jahren gewährleistet – und länger wie Erfahrungen zeigen. Zusätzlich bieten sie den Vorteil, dass Außenrevisionen an brandgeschützten Bauteilen, insbesondere Druckbehältern, ohne Aufwand jederzeit möglich sind. Die Erstinvestition mag bei Ummantelungen deutlich günstiger sein, aber langfristig sind die Lebenszykluskosten wesentlich höher.
cav: Sie erwähnten den stationären Brandschutz. Was ist der Vorteil?
Pahle: Wenn der Kunde sehr enge Terminpläne hat, egal ob beim Neubau oder einer Sanierung, und die Arbeiten sind in dieser Zeit witterungsabhängig, ist ein hoher Aufwand für Einhausung und Klimatisierung nötig. In dem Fall bieten wir an, den Hauptteil der Beschichtung erst einmal in unseren Strahlwerken zu machen und bessern dann vor Ort nur noch die Transportschäden aus, die auf dem Weg zur Baustelle entstehen. Das geht natürlich nur bei Bauteilen, die transportiert werden können.
cav: Ihre Prognose für die Zukunft?
Pahle: Durch die Anpassung der Normen an europäische Richtlinien wird sich der Trend auch langfristig zu immer leistungsfähigeren Systemen mit immer geringeren Schichtdicken entwickeln. Wir sind jetzt schon in der Lage, die Systeme anzubieten, die in der Zukunft verstärkt nachgefragt werden. Wer in den nächsten Jahren einen zertifizierten Brandschutzbeschichter für die neuesten und hochwertigsten Verfahren sucht, wird um PeinigerRöRo nicht herum kommen.
cav 464
Durch die Anpassung der Normen an europäische Richtlinien wird sich der Trend auch langfristig zu immer leistungsfähigeren Systemen mit immer geringeren Schichtdicken entwickeln.

Mehr über PeinigerRöRo
Seminar: Beschichtungstechnologie für metallische Bauteile

Unternehmen im Detail
PeinigerRöRo ist als führender deutscher und internationaler Industriedienstleister in den Geschäftsfeldern Gerüstdienstleistungen, Korrosionsschutz, Isolierung, Betoninstandsetzung und Komplettinstandhaltung aktiv. Die zur ThyssenKrupp Services AG, Düsseldorf, gehörende Unternehmensgruppe ist in Deutschland flächendeckend vertreten und verfügt international über Standorte in Benelux, Skandinavien, Großbritannien, USA, im Mittleren Osten und Asien. Die PeinigerRöRo-Gruppe ist für die chemische und petrochemische Industrie, die Stahl- und Schiffsindustrie sowie die Energiewirtschaft tätig und erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2003/2004 mit 8000 Mitarbeitern einen Umsatz von 750 Mio. Euro. Die Geschäftsführung besteht aus Rolf-Bernd Maas, Georg Kürfgen und Hans-Rudolf Orgs.
Unsere Webinar-Empfehlung
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

cav-Produktreport

Für Sie zusammengestellt

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper

Top-Thema: Instandhaltung 4.0

Lösungen für Chemie, Pharma und Food

Pharma-Lexikon

Online Lexikon für Pharma-Technologie

phpro-Expertenmeinung

Pharma-Experten geben Auskunft

Prozesstechnik-Kalender

Alle Termine auf einen Blick


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de