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Kühlen und heizen mit Abwärme

Arbeitsstoffpaar auf Basis ionischer Flüssigkeiten
Kühlen und heizen mit Abwärme

Absorptionsmaschinen nutzen thermische statt elektrischer Energie, um Räume zu klimatisieren oder Industriekälte bereitzustellen – so können sie zum Beispiel mit Sonnenwärme kühlen. Das Potenzial von Absorptionskältemaschinen und -wärmepumpen ist bislang jedoch nur unzureichend ausgeschöpft. Dank eines neuen Arbeitsstoffpaars von Evonik auf der Basis von ionischen Flüssigkeiten könnte sich das zukünftig ändern.

Die Autoren Dr. Matthias Seiler Director New Business Development, Advanced Intermediates, Evonik Marc-Christoph Schneider New Business Development, Advanced Intermediates, Evonik

Eine Absorptionskältemaschine enthält in einem geschlossenen Kreislauf zwei gelöste Stoffe, das Kälte- und das Absorptionsmittel, die das sogenannte Arbeitsstoffpaar bilden. Der Prozess wird durch Wärme angetrieben und nutzt die Tatsache, dass die physikalische Löslichkeit zweier Stoffe u. a. von der Temperatur abhängt. Allerdings reicht diese Anforderung an die beiden Stoffe noch nicht aus, um sie als Arbeitsstoffpaar interessant zu machen. Zusätzlich muss das Absorptionsmittel das Kältemittel möglichst effektiv absorbieren können und außerdem niedrigviskos sein, um einen möglichst guten Wärme- und Stofftransport zu gewährleisten.
Der Kreislauf einer Absorptionskältemaschine enthält vier Komponenten: Austreiber, Kondensator, Verdampfer und Absorber. Im Austreiber trennt die Kältemaschine mithilfe von zugeführter thermischer Energie die beiden Stoffe voneinander; sie erhitzt also das Arbeitsstoffpaar. Das Kältemittel verdampft, gelangt in den Kondensator, kühlt dort ab und wird wieder flüssig. Über eine Drossel hinter dem Kondensator entspannt die Absorptionskältemaschine das Kältemittel auf den Verdampfer- bzw. Absorberdruck mit den entsprechend niedrigen Betriebstemperaturen. So kann das Kältemittel im Verdampfer bei Aufnahme einer bestimmten Wärmemenge leicht verdampfen. Diese Wärme entzieht die Absorptionskältemaschine ihrer Umgebung. Das verdampfte Kältemittel strömt nun weiter in den Absorber, wo es vom Absorptionsmittel absorbiert wird. Anschließend werden beide Komponenten über eine Pumpe wieder dem Austreiber zugeführt und der Kreislauf schließt sich.
Alles in einem Aggregat
Der thermodynamische Kreisprozess lässt sich auch als Absorptionswärmepumpe einsetzen, denn er nimmt Wärme aus seiner Umgebung auf niedrigem Temperaturniveau im Verdampfer auf und gibt sie auf einem höheren Temperaturniveau unter Zufuhr von thermischer Antriebsenergie wieder ab. Beide Funktionen – Kältemaschine und Wärmepumpe – lassen sich prinzipiell in einem Aggregat verwirklichen.
Technisch gesehen konkurrieren solche Absorptionssysteme mit Kompressionswärmepumpen und -kältemaschinen. Eine Kompressionswärmepumpe zum Beispiel verdampft durch Wärmezufuhr auf niedrigem Temperaturniveau ein Kältemittel, das einen niedrigen Siedepunkt hat. Anschließend verdichtet sie mechanisch das gasförmige Kältemittel mithilfe eines elektrisch angetriebenen Kompressors, wobei sich das Kältemittel erwärmt. Bei hohem Druck gibt es dann seine Wärme an ein Umgebungsmedium ab, zum Beispiel ans Heizungswasser oder an einen Luftstrom. Das Kältemittel kühlt dabei ab und kondensiert wieder.
Es gibt inzwischen viele Anwendungsbeispiele, bei denen mehrstufige Absorptionskältemaschinen, die mit Abwärme betrieben werden, einen Wirkungsgrad erreichen, der genauso gut oder besser als der einer Kompressionskältemaschine ausfällt. Traditionell haben Absorptionskältemaschinen in Asien bereits eine sehr starke Marktposition. Experten gehen davon aus, dass die Technologie künftig auch in anderen Regionen der Welt aufgrund von Entwicklungsfortschritten bei den Arbeitsstoffpaaren sowie der Megatrends Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit zunehmend an Bedeutung gewinnen werden.
Abwärme als Energiequelle
Den Nachteil eines elektrisch angetriebenen, wenig nachhaltigen Kompressors haben Absorptionssysteme nicht: Sie lassen sich direkt mit thermischer Energie betreiben, die entweder aus einer regenerativen Energiequelle stammt – etwa der Geo- oder der Solarthermie – oder aus der Abwärme industrieller Prozesse.
Die International Energy Agency schätzt, dass allein in Europa jedes Jahr mehrere Millionen Gigawatt industrielle niederkalorische – und daher schwer verwertbare – Abwärme ungenutzt in die Umwelt entweichen. Ein Absorptionssystem kann Teile dieser Abwärme energieeffizient wieder in nutzbare Prozesswärme oder Kälte verwandeln. Darüber hinaus haben Absorptions- gegenüber Kompressionssystemen den Vorteil, dass sie völlig ohne ozonschädliche Kältemittel auskommen, weil sie Wasser anstatt beispielsweise Fluorkohlenwasserstoffe verwenden.
Meistens kommt als Kältemittel Wasser und als Absorptionsmittel Lithiumbromid zum Einsatz. Wasser/Lithiumbromid gilt als effizientes Arbeitsstoffpaar. Allerdings hat Wasserdampf ein großes spezifisches Volumen und unterliegt relativ engen Temperaturgrenzen, weshalb der Einsatz dieses Arbeitsstoffpaares auf die Klimatisierung oder die Kältebereitstellung oberhalb von 0 °C beschränkt ist.
Das Arbeitsstoffpaar Wasser/Lithiumbromid hat aber noch weitere Nachteile. Ein großes Problem ist die Kristallisation des Lithiumbromids. Bei einem Anteil von mehr als 65 % in wässrigen Lösungen kristallisiert Lithiumbromid bereits bei +25 °C. Darüber hinaus wirkt Lithiumbromid bei höheren Temperaturen stark korrosiv. Damit können die energieeffizienten Absorptionskälteprozesse oft nur dann mit Lithiumbromid betrieben werden, wenn größere Mengen an Korrosionsinhibitoren oder teure korrosionsresistente Werkstoffe verwendet werden.
Ionische Flüssigkeiten
Mitarbeiter des Geschäftsbereichs Advanced Intermediates von Evonik haben dieses Problem des klassischen Arbeitsstoffpaars schon vor Längerem erkannt. In enger Kooperation mit dem Servicebereich Verfahrenstechnik & Engineering des Unternehmens entwickelten sie eine neue Systemlösung, die als Arbeitsstoffpaar in Absorptionskältemaschinen und Wärmepumpen eingesetzt werden kann.
Ionische Flüssigkeiten sind Salze, also vollständig aus Ionen aufgebaut, deren Schmelzpunkt unterhalb von +100 °C liegt. Unterhalb ihrer Zersetzungstemperatur weisen ionische Flüssigkeiten keinen messbaren Dampfdruck auf, sie sind thermisch und elektrochemisch sehr stabil und lösen sich in vielen organischen, anorganischen und organometallischen Verbindungen. Ionische Flüssigkeiten bestehen für gewöhnlich aus organischen Kationen und organischen oder anorganischen Anionen. Ihre physikalischen Eigenschaften lassen sich durch die Variation der Ionenpaarung und -struktur gezielt einstellen.
Darüber hinaus sind sie im Allgemeinen im Vergleich zu konventionellen Salzen wie dem Lithiumbromid nur sehr wenig korrosiv. Evonik ist es gelungen, ein neues Arbeitsstoffpaar mit deutlichen Vorteilen gegenüber dem Stand der Technik zu entwickeln. Voraussetzung dafür war die genaue Kenntnis der Bedürfnisse und der Systeme der Anwender. Sie erlaubte es, komplexe, nachhaltige Systemlösungen zu erarbeiten, die aus neuen Absorptionsmitteln und Performance-Additiven maßgeschneidert sind und die umfangreichen Anforderungsprofile der Kältemaschinenbauer erfüllen.
Und auch sonst punkten die neuen Arbeitsstoffpaare: Sie sind deutlich weniger korrosiv als Wasser/Lithiumbromid und besitzen einen deutlich breiteren Arbeitsbereich. Grund hierfür ist, dass die ionischen Flüssigkeiten von Evonik in Anwesenheit von Wasser keine Kristallisationsgrenzen im Arbeitsbereich von Absorptionskältemaschinen oder -wärmepumpen aufweisen.
Vielversprechende Feldtests
Derzeit laufen Feldtests mit verschiedenen Industriepartnern, unter anderem zur Bereitstellung von Kälte im Megawattbereich. Die Industriepartner, mit denen Evonik zusammenarbeitet, wollen ganz unterschiedliche Anwendungen mit dem neuen Arbeitsstoffpaar von Evonik erschließen.
Bisher zeigen alle Technikumsversuche und industrielle Feldtests, dass Kältemaschinen und Wärmepumpen nach einem Wechsel des Arbeitsstoffpaars von Wasser/Lithiumbromid auf die Systemlösung von Evonik immer einen mindestens gleich guten Wirkungsgrad (Coefficient of Performance) aufweisen. Hinsichtlich Kristallisation und Korrosion schneidet die ionische Flüssigkeit dagegen deutlich besser ab. Dank der neuen Formulierungen lassen sich die Betriebsparameter eines Absorptionssystems viel flexibler auslegen, was sich positiv auf die Kosten auswirkt. So wird zum Beispiel die effizientere Nutzung höherer Antriebstemperaturen in mehrstufigen Anlagen mit trockener Rückkühlung möglich. Das Potenzial von Absorptionssystemen könnte sich also bald deutlich stärker ausschöpfen lassen als bislang – zum Wohle einer nachhaltigen und effizienten Energienutzung.
Halle 5.1, C28
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