seit geraumer Zeit lässt sich eine veränderte Nachfrage bezüglich des Serviceumfangs und der Partnerauswahl im Logistik-Outsourcing beobachten: Während in der Vergangenheit operative Themen wie Lager und Logistik im Vordergrund standen, sind mehr und mehr auch Kompetenzen in den Bereichen Prozesswissen und innovative IT-Lösungen gefragt, bei denen Lead Logistics Provider (LLP) oder Fourth Party Logistics (4PL) Provider punkten können. Logistikpartner bieten heute eine breite Palette an Services und Angeboten, um mit den verschiedenen Ebenen der Komplexität innerhalb einer Supply Chain umgehen zu können. Für die Unternehmen ist die Suche nach einem geeigneten Partner damit nicht einfacher geworden, denn die Angebotsvielfalt sorgt für eine entsprechende Unübersichtlichkeit am Markt.
Dazu kommt die uneinheitliche und teilweise missverständliche Verwendung der Begriffe Third Party Logistics (3PL), Lead Logistics Provider (LLP) und Fourth Party Logistics (4PL). Wie groß die Unsicherheit ist, zeigt beispielsweise die Einordnung des Begriffs 4PL-Provider. Zwar hat die Mehrheit der Entscheider bereits von dem Thema gehört, aber nur 15 % können die Möglichkeiten und das Leistungsspektrum tatsächlich einordnen. Die Studie „Erfolgsfaktoren 4PL, LLP und 3PL in der Chemielogistik“ bietet eine wertvolle Orientierungshilfe im wachsenden Angebotsdschungel. Sie wurde von Camelot Management Consultants zusammen mit der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS) verfasst, um zu zeigen, wie Unternehmen in Abhängigkeit von ihrer Logistik-Outsourcing-Strategie den optimalen Logistikpartner finden können und welchen Dimensionen der Komplexität sie damit begegnen können.
Siebenstufiger Prozess
Die Studienautoren haben auf Basis der Ergebnisse einen Leitfaden für die Outsourcing-Strategie entwickelt, der sieben Schritte umfasst. In den ersten drei Schritten gilt es, die Ausgangssituation innerhalb des Unternehmens zu beleuchten. Um beim Outsourcing von Logistik-Managementaufgaben den richtigen Weg zu finden, müssen sich Chemieunternehmen zuerst über die eigenen Motive im Klaren sein. Für manche Unternehmen stehen finanzielle Gründe im Vordergrund, beispielsweise die Verbesserung ihrer Liquidität. Für andere Unternehmen ist das Logistik-Outsourcing eine strategische Entscheidung, die ihnen die Möglichkeit eröffnet, sich auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren und diese weiter auszubauen. Schritt 2 befasst sich anschließend mit der Unternehmenskultur, während der dritte Schritt die Rolle der Logistik innerhalb des Unternehmens analysiert.
Im vierten Schritt werden alle Resultate der internen Analyse zusammengefügt. So lässt sich erkennen, inwieweit die Motive und die Unternehmenskultur mit der angestrebten Outsourcing-Strategie zusammenpassen. Wenn die vorhandenen Rahmenbedingungen im Unternehmen eine Zusammenarbeit mit einem Logistikpartner erlauben, so lassen sich auch die gesteckten Ziele beim Logistik-Outsourcing realisieren. Andernfalls sollten vor der Ausschreibung noch interne Maßnahmen durchgeführt werden, wie beispielsweise die Anpassung der Outsourcing-Strategie, der Unternehmenskultur oder der Rolle der Logistik innerhalb der Unternehmensstrategie. Viele Unternehmen übersehen, dass für die Zusammenarbeit mit einem externen Partner auch innerhalb der Organisation Vorbereitungen zu treffen sind. Insbesondere ist die notwendige Transparenz über Prozesse und Kosten herzustellen.
Die Ergebnisse aus Schritt 4 definieren, in welchem Umfang der Partner das Unternehmen bei seinen logistischen Herausforderungen unterstützen kann. Dafür gilt es im fünften Schritt festzulegen, welche Dimensionen der Komplexität bei der Kooperation mit dem Logistikpartner bewältigt werden müssen. Schritt 6 bestimmt, welche Services, beziehungsweise welche Logistikprozesse der Partner idealerweise übernehmen kann. Der siebte und damit letzte Schritt beschreibt die Ausgestaltung der Kooperation mit dem Logistikpartner.
Auf dem Weg zu Logistik 4.0
Dieser siebenstufige Prozess kann Unternehmen als Roadmap dienen, um ihre logistischen Prozesse im Zeitalter der Digitalisierung neu auszurichten und zukunftsfähig zu gestalten. War die Logistik in der Vergangenheit vorrangig ein Mittel zum Zweck und ein Kostenfaktor, so erkennen mittlerweile viele Unternehmen ihr Potenzial, um sich von den übrigen Marktteilnehmern abzugrenzen und im internationalen Wettbewerb zu bestehen.
Besonders dann, wenn die Logistik als Differenzierungsmöglichkeit gegenüber dem Wettbewerb gesehen wird, ist das strategische und taktische Outsourcing von Logistik-Managementaufgaben an einen 4PL-Provider oder LLP sinnvoll. 4PL-Provider sind auf eine kooperative und prozessorientierte Unternehmenskultur angewiesen, während LLP in der Regel auch mit fortschrittlichen hierarchisch-funktionellen Strukturen zurechtkommen. Chemieunternehmen sollten strategische und taktische Managementaufgaben eher selbst durchführen, wenn eine sehr hierarchische und funktionale Unternehmenskultur vorherrscht.
Für Chemieunternehmen bietet die Digitalisierung die Chance, ihre Kosten zu reduzieren und die Transparenz innerhalb der Lieferkette zu steigern. Durch die Zusammenarbeit mit dem richtigen Partner kann auch die Logistik einen wesentlichen Teil zur Optimierung beitragen. Es ist wahrscheinlich, dass die Anbietermodelle der Logistik mit einer größeren IT-Affinität zukünftig mehr Erfolg haben werden. Ob sich hier selbst entwickelte IT-Lösungen oder bewährte Standard-Software durchsetzen werden, ist abhängig von der Komplexität der Umsetzung und damit vom Verhältnis der Kosten zum Nutzen.
Die Studie ist auch eine Aufforderung an die Logistikdienstleister, ihr Serviceportfolio zu überarbeiten, damit sie auch zukünftig den Anforderungen ihrer Auftraggeber gewachsen sind.
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Bild: Camelot Management Consultants
Autor: Constantin Reuter
Principal & Head of
Logistics Solutions,
Camelot Management
Consultants
Kurz&Bündig: Logistik-Outsourcing-Modelle
- First Party Logistics (1PL):
Als First Party Logistics Service Provider bezeichnet man Betriebe, die sich selbst um die Abwicklung ihrer Logistik kümmern. Dieses Modell war bis Ende der 1970er-Jahre besonders beliebt. - Second Party Logistics (2PL):
Dienstleister, die sich um die Lager-, Umschlags- oder Transportleistungen anderer Unternehmen kümmern (und üblicherweise die dazu notwendigen Transportmittel besitzen), nennt man Second Party Logistics Service Provider. Dieses Modell setzte sich ab den 1980er Jahren im Zuge einer zunehmenden Internationalisierung der Branchen durch. - Third Party Logistics (3PL):
Third Party Logistics Service Provider treten als sogenannte Systemdienstleister auf und handeln die gesamten Logistikprozesse ihrer Kunden – Informations- und Finanzdienstleistungen inklusive. - Fourth Party Logistics (4PL):
Fourth-Party-Logistics-Modelle gehen noch einen Schritt weiter: Hier kümmern sich 4PL-Service-Provider im Auftrag von Unternehmen um die Auswahl eines 3PL-Dienstleisters sowie die Steuerung, Integration und Optimierung der Logistik.