SiC-Werkstoffe haben im chemischen Apparatebau wegen spezifischer Materialvorteile eine weite Verbreitung gefunden. Bei einigen Anwendungen jedoch standen die Materialeigenschaften einer Verwendung von Siliziumkarbid entgegen. Im Folgenden wird eine Plattform von SiC-Werkstoffen vorgestellt, die sich durch erweiterte Einsatzmöglichkeiten auszeichnet.
Dr. Frank Meschke und Christoph Nitsche
Siliziumkarbid (SiC) hat im Bereich Fluid Handling bereits vielfältige Anwendung gefunden. Die Vorteile dieses Werkstoffs sind
• gute chemische Beständigkeit
• geringe Dichte
• hohe Steifheit
• hohe Härte
• hohe Verschleißbeständigkeit
• sehr gute Wärmeleitfähigkeit
• gute Temperatur- und Temperaturwechselbeständigkeit
Die Gesamtheit dieser Eigenschaften kommen besonders im Pumpenbau zum Tragen, wo sich Lager und Dichtungen aus SiC seit Jahren bestens bewährt haben. Konkurrierende Werkstoffe (Hartmetall, Kunststoff, Graphit und Oxidkeramik) gelangen hier an ihre Grenzen.
SiC-Werkstoffe werden gemäß den DIN-Richtlinien in die drei Materialklassen Q1, Q2 und Q3 eingeteilt. Die Klasse Q1 umfasst die gesinterten SiC-Materialien (S-SiC wie „sintered SiC“). Dies sind vorwiegend monolithische Werkstoffe, die neben SiC im Gefüge keine weiteren Bestandteile enthalten. Q2 ist die Klasse der reaktionsgebundenen Siliziumkarbide (sogenanntes Si-SiC), die durch Infiltrieren freies Silizium im Gefüge aufweisen. Das Reaktionsbinden von Si-SiC ist ein kostengünstiger Herstellungsprozess, ergibt aber im Vergleich zu Q1-Materialien einen SiC-Werkstoff mit Einbußen im Verschleißverhalten und in der chemischen Beständigkeit. Verantwortlich dafür ist die geringe Härte und die Löslichkeit des Siliziums in aggressiven Medien. Die Klasse Q3 enthält alle übrigen SiC-Komposite wie beispielsweise Si-SiC mit freiem Kohlenstoff (C-Si-SiC).
Seit der Einführung und der kommerziellen Verwendung von SiC hat die Werkstoffentwicklung eine ganze Reihe unterschiedlicher und spezialisierter Varianten hervorgebracht, wie flüssigphasengesinterte, porenfreie SiC-Komposite für extreme mechanische Belastungen und gesintertes SiC mit Graphiteinlagerungen für tribologisch hoch belastete Systeme. Die Zuordnung dieser Werkstoffe in die DIN ist nicht mehr eindeutig möglich. Die Anwender sollten daher verstärkt den engen Kontakt zu den Werkstoffherstellern suchen, um die ursprünglich vorhandenen Anwendungs- und Konstruktionsbeschränkungen zu überwinden.
Anwendungsbeschränkungen bei herkömmlichem SiC
Der Einsatz von SiC ist nicht in allen Fällen die Patentlösung. Es gibt Einschränkungen aufgrund folgender materialspezifischer Nachteile:
• geringe Festigkeit
• hohe Sprödigkeit
• hoher Reibbeiwert in Trockenreibung
Oftmals können durch eine keramikgerechte Konstruktion festigkeitsrelevante Limitierungen umgangen und Anwendungen erschlossen werden; eine erhöhte Kantenbruchfestigkeit oder Trockenlaufbeständigkeit erfordert aber verbesserte SiC- Materialien.
Weiterentwicklungen
Ziel der Werkstoffentwicklung bei Elektroschmelzwerk Kempten (ESK) war es, alle erwähnten Vorteile des SiC zu bewahren und je nach Anwendung mindestens einen Nachteil zu eliminieren. Das ESK hat bei der Weiterentwicklung der S-SiC-Werkstoffe eine Palette mit sechs unterschiedlichen SiC-Sorten kreiert, die für die verschiedensten Problemstellungen mit maßgeschneiderten Eigenschaften aufwarten. Die Palette enthält drei dicht gesinterte Sorten von monolithischem S-SiC mit jeweils unterschiedlichen Korngrößen. Außerdem enthält sie ein hochzähes SiC, ein SiC mit Kühlmittelschmiertaschen und ein selbstschmierendes SiC. Die Gefüge der Werkstoffe sind in der Abbildung dargestellt. Die wichtigsten werkstofftechnischen Daten vermittelt die Tabelle.
Allround-Konstruktionswerkstoff
Das feinkörnige EKasic F (F steht für fine-grained) ist ein klassischer S-SiC Werkstoff mit allen oben genannten Vorteilen. Mit einer Korngröße von circa 5 µm ergibt sich eine Festigkeit von 400 MPa. Es ist ein idealer allround-Konstruktionswerkstoff für diffizile Bauteile. Die Hochtemperaturbeständigkeit in Kombination mit guter Wärmeleitfähigkeit, Korrosionsbeständigkeit und ausgezeichneter Thermoschockbeständigkeit ermöglicht beispielsweise auch einen Einsatz in Wärmetauschern chemischer Anlagen.
Erhöhte Korrosionsbeständigkeit
EKasic D ist mit einer mittleren Korngröße von 20 bis 50 µm ein grobkörnigerer S-SiC- Werkstoff als EKasic F. Durch den reduzierten Korngrenzenanteil ist eine deutlich verbesserte chemische Beständigkeit gegeben.
Die Sorte EKasic C (C steht für coarse-grained) ist mit bis zu 1,5 mm großen Körnern das grobkörnigste kommerziell erhältliche Siliziumkarbid und zeichnet sich durch sein besonders günstiges Korrosions- und Verschleißverhalten aus. Die tief verwurzelten Körner an der Oberfläche sind nicht nur schwer mechanisch herauszulösen, sie widerstehen auch bestens dem Angriff korrosiver Medien inklusive Wasser. Der Werkstoff eignet sich daher für massive, dickwandige Bauteile und Reibungspaare, die beim Einsatz mit besonders korrosiv wirkenden Medien in Berührung kommen.
Beste mechanische Eigenschaften
Die große Nachfrage nach hochfestem und hochzähem SiC mit SiC-typischer Wärmeleitfähigkeit und guter Verschleißbeständigkeit hat zur Entwicklung des flüssigphasengesinterten EKasic T geführt (T steht für tough). Dieses porenfreie Material mit einer Korngröße von lediglich 2 µm weist mit mehr als 550 MPa eine überragend gute Festigkeit auf. Eine erhebliche Steigerung der Zähigkeit hat ihren Anteil daran. Entsprechend günstig ist die Kantenbruchfestigkeit, wie sie beispielsweise beim Einsatz in Drehschieberventilen gefordert wird. Die allgemeinen Vorteile der SiC-Werkstoffe bleiben erhalten. Die sehr guten mechanischen Eigenschaften und die feinkörnige Gefügestruktur erlauben es auch, extrem kleine und dünnwandige Bauteile mit Wandstärken von weniger als 30 µm herzustellen. Damit ermöglicht dieser Werkstoff den Einsatz von SiC im miniaturisierten Komponenten.
Für tribologische Anwendungen
Mit dem porösen und feinkörnigen EKasic P (P wie porous) wurde ein spezieller Tribowerkstoff geschaffen, der ein verbessertes Nasslaufverhalten von Reibungspartnern aufweist. Sphärische Hohlräume mit 50 bis 200 µm Durchmesser dienen als Schmiertaschen in der Lauffläche und tragen so zu einer verbesserten Hydrodynamik bei. Ebenso sind die Notlaufeigenschaften im Fall einer kurzzeitigen Schmiermittelunterversorgung gegenüber monolithischem S-SiC wesentlich verbessert.
Ekasic G ist ein graphithaltiger S-SiC- Werkstoff (G steht für graphite). Es ist der jüngste Werkstoff in der EKasic-Familie. Der Grundwerkstoff entspricht dem des EKasic C. Die chemische Beständigkeit in Säuren und Laugen ist daher gleichwertig. Die eingebrachten Graphitkugeln mindern den Reibbeiwert und verbessern das Verschleißverhalten. Die selbstschmierende Wirkung der Graphitpartikel lässt zusätzlich temporären Trockenlauf zu. Auch unterbinden sie nachhaltig die Heißwasserkorrosion, die bei nahezu allen Keramiken beobachtet wird. Der Werkstoff ist somit prädestiniert für tribologische Anwendungen mit extremer Mangelschmierung, wie sie beispielsweise in Gleitlagern und Gleitringdichtungen auftauchen können.
Um die Trockenlauffähigkeit über einen längeren Zeitraum zu gewährleisten, bietet ESK für alle EKasic-Werkstoffe auch diamantartige Kohlenstoffbeschichtungen an. Diese Schichten vermindern den Reibbeiwert um ein Vielfaches und vermeiden somit das Aufheizen von Reibungspartnern im Trockenlauf.
Simultaneous Engineering
Die Auswahl der vorgestellten Werkstoffe zeigt, dass SiC anwendungsspezifisch konfigurierbar ist und dadurch dem Konstrukteur eine Materialauswahl aus einer großen Palette zur Verfügung steht, mit der er selbst die gefürchteten Nachteile wie die hohe Sprödigkeit umgehen kann. Um für die jeweilige Fragestellung jedoch schnell und zielgerichtet den optimalen Werkstoff zu finden, ist es wichtiger denn je, schon im Designstadium den engen Kontakt zu den Anwendungsberatern der Werkstoffhersteller zu suchen. Dies erspart häufig aufwändige Versuchsprogramme und sichert den OEMs in ihren Märkten niedrigste Life Cycle Costs.
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