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Mehr Kohle ohne Kohle

Ganzheitliches Energiemanagement sorgt für mehr Klimaschutz und spart obendrein eine Menge Geld
Mehr Kohle ohne Kohle

Den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) zu senken, ist eine der vorrangigen Forderungen der aktuellen Klimaschutzdebatte. Das Industriekraftwerk Freudenberg im Industriepark Weinheim hat innerhalb von 17 Jahren seine CO2-Emissionen mehr als halbiert – sie sanken von 160 000 t/a im Jahr 1990 auf 70 000 t/a im Jahr 2007. Somit wurde das für die deutsche Industrie festgelegte Emissionsziel von minus 21 % deutlich übertroffen. Das gelang durch gezielte Investitionen im Energiebereich und Projekte zur Erhöhung der Energieeffizienz.

Im Industriepark Weinheim sind 40 Produktions- und Dienstleistungsgesellschaften angesiedelt. Der Standortbetreiber, die Freudenberg Service KG, kümmert sich um alle infrastrukturellen Einrichtungen und bietet den Kunden eine umweltverträgliche und wirtschaftliche Versorgung des Standortes mit Energie. Herzstück der Energieversorgung ist das Industriekraftwerk, das in Kraft-Wärme-Kälte-Kopplungstechnik (KWKK) als Gas- und Dampfturbinenanlage (GuD) ausgebildet ist. Helmut Mayer, Leiter Energie bei Freudenberg, und sein Team stellen das ganzheitliche Energiemanagement, das beispielhaft von anderen Industrieunternehmen in Deutschland eingesetzt werden kann, auf drei Säulen: Die Eigenerzeugung in KWKK-Technik, die Energieeffizienz in Erzeugung und Anwendung sowie die Optimierung der Energiebeschaffungsstrategie. „Es ist die ganzheitliche, alle Aspekte einschließende Strategie, die die Basis unseres Energiemanagements bildet“, unterstreicht Helmut Mayer. „Wir wollen für unsere Kunden alle benötigten Energiearten umweltschonend, sicher und preisgünstig zur Verfügung stellen.“ Dazu nutzt Freudenberg Service alle technischen, wirtschaftlichen und in den letzten fünf Jahren in zunehmendem Maße gesetzlichen Möglichkeiten vom Kraft-Wärme-Kopplungs-Modernisierungsgesetz (KWKModG) bis hin zum CO2-Handel. Ziel dieser Gesetze ist die Reduzierung der CO2-Emissionen. „Wir können dazu in der Praxis unsere Beiträge leisten. Darüber hinaus suchen wir ständig sowohl bei der Erzeugung als auch bei den Anwendungen nach Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung“, unterstreicht Helmut Mayer.

Als langfristige Strategie erfolgte die konsequente Umstellung der Dampf- und Stromversorgung im Industriepark Weinheim auf reine Erdgasfeuerung in der hocheffizienten Kraft-Wärme-Kälte-Kopplungsanlage (KWKK). Sie nutzt die bei der Stromerzeugung entstehende Wärme für Produktionsprozesse und als Heizwärme. Zur Effizienzsteigerung ist auch die Kälteerzeugung in den KWKK-Prozess integriert. Heute kann Freudenberg fast 100 % des Strombedarfs aller Unternehmen im Industriepark selbst decken. Das sind insgesamt 110 Mio. kWh pro Jahr. In den Jahren 2004 bis 2005 wurde das Kraftwerk auf Basis des KWKModG modernisiert und dabei rund zehn Millionen Euro in einen neuen Großwasserraumkessel, eine Dampf- und eine Gasturbine investiert. Der Primärenergienutzungsgrad wurde bei der Modernisierung von circa 80 auf 85 % weiter gesteigert. Zum Vergleich: Bei der getrennten Erzeugung von Strom und Wärme werden fast zwei Drittel der Primärenergie als Verluste an die Umwelt abgegeben. Die Umwelt profitiert von der Modernisierung: Lag der Kohlendioxidausstoß im Jahr 1990 noch bei 160 000, sind es heute nur noch etwa 70 000 t/a, also deutlich weniger als die Hälfte. „Mit dem eigenen Kraftwerk erreichen wir eine geringere Abhängigkeit vom Strommarkt, eine bessere Versorgungssicherheit, einen signifikanten Beitrag zum Klimaschutz und letztlich attraktive Energiepreise“, betont Helmut Mayer. Würde das Unternehmen nur die benötigte Wärme erzeugen und den Strom komplett vom öffentlichen Netz beziehen, läge der CO2-Ausstoß um über 50 % höher – bei 110 000 t/a.
Effizienzprojekte
Ein beispielhaftes Projekt für effiziente Energienutzung wurde bei der Lederer GmbH realisiert. Bei dem Unternehmensteil der Freudenberg Dichtungs- und Schwingungstechnik mit 160 Mitarbeitern wurde die Gebäudeheizung von Erdgas auf die Nutzung der Produktionsabwärme umgestellt. Das spart pro Jahr ca. 13 000 Euro ein. Die erforderlichen Investitionen von etwa 19 000 Euro haben sich bereits nach eineinhalb Jahren amortisiert. Positiver Effekt dieser Maßnahmen: Der CO2-Ausstoß verringert sich um 73 t/a.
Win-Win-Situation
Ein weiteres Vorzeigeprojekt ist die Zusammenarbeit zwischen Freudenberg und den Stadtwerken Weinheim bei der Wärmeversorgung eines neu erschlossenen Technologieparks in Weinheim, der an den Industriepark angrenzt. Zur Wärmeversorgung des Technologieparks wird das vorhandene Industriekraftwerk genutzt. Die Wärme wird in KWKK-Technik erzeugt, wodurch gleichzeitig Strom erzeugt und die Primärenergienutzung weiter verbessert wird. Freudenberg liefert die Wärme über eine Rohrleitung in Form von heißem Wasser an eine Übergabestation. Von dort aus verteilen die Stadtwerke Weinheim die Fernwärme an die Verbraucher. Insgesamt investieren die Partner rund eine Million Euro in die Fernwärmeversorgung. Weitere Investitionen in die Kraftwerkstechnik sind nicht nötig: Das Kraftwerk verfügt über ausreichend Kapazität, um die zusätzliche Nachfrage zu decken. Alle Beteiligten profitieren von dem Projekt: Das Freudenbergkraftwerk wird besser ausgelastet, die Stadtwerke erhalten günstige Fernwärme zur Weiterverteilung, die Kunden gute Konditionen und die Umwelt wird durch die CO2-Einsparung entlastet. Gegenüber getrennter Erzeugung von Strom und Wärme werden circa 40 % der CO2-Emissionen vermieden.
Energieverbrauch unter der Lupe
Nicht nur die Menge der verbrauchten Energie, sondern auch die Bereitstellung ausreichender Energieanlagen kostet Geld. Um den Investitionsaufwand für große Anlagen gering zu halten und um die Kosten für Spitzenleistungen des Strombezugs zu minimieren, setzen die Unternehmen der Freudenberg-Gruppe auf Lastmanagement: Das System misst ständig den momentanen Stromverbrauch und schaltet gegebenenfalls einzelne Anlagen ab, um teure Lastspitzen zu vermeiden. Um weitere Einsparungsmöglichkeiten zu finden, führt das Unternehmen an allen deutschen und europäischen Standorten Energieaudits durch. Die Ingenieurabteilung Infrastrukturplanung hat sich mittlerweile auf die Durchführung der Audits und auf die Umsetzung der daraus resultierenden Maßnahmen spezialisiert. Denn durch ganzheitliches Energiemanagement will Freudenberg auch künftig den Energieverbrauch, den Schadstoffausstoß und die Kosten weiter reduzieren.
Gemeinsame Beschaffung
Die Preise für Energie, insbesondere für Öl, Strom und Gas, sind in den letzten Jahren drastisch gestiegen. Allein im Juni 2008 sind die Strompreise mehr als doppelt so hoch wie noch im Juni 2004. Freudenberg bündelt den Strombedarf von 19 Produktionsstandorten in Deutschland und erreicht dadurch eine größere Verhandlungsmenge und eine gleichmäßi- gere Verbrauchsstruktur, wodurch sich günstigere Bezugspreise verhandeln lassen. Wegen der hohen Schwankungen des Strompreises wird der Strom zu unterschiedlichen Zeitpunkten eingekauft, womit das Risiko vermindert wird. Für das Jahr 2008 wurden durch diese Strategie Strompreise mit 12 % unter Marktpreisen erreicht.
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Durch Partnerschaften die Position stärken

cav: Herr Mayer, Sie verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz im Energiemanagement. Was steckt dahinter?
Mayer: Wir decken mit einer kleinen Mannschaft alle für uns bedeutsamen Aspekte des Themas Energie ab, um alle Optimierungsmöglichkeiten im Spannungsdreieck Umweltverträglichkeit – Sicherheit – Wirtschaftlichkeit zu nutzen. Beispiele sind etwa die Bündelung bei der Strom- und Gasbeschaffung verschiedener Werke, Eigenerzeugung mit einer hocheffizienten KWKK-Anlage in GuD-Technik, stete Suche nach Nutzungsgradverbesserung der Anlagen, Instandhaltungsstrategien, regelmäßige Überprüfung unseres Energiekonzeptes durch Externe oder Effizienz bei der Energieverteilung und -anwendung.
cav: Die Prozessindustrie ist eine der energieintensivsten Branchen. Welche Maßnahmen können produzierende Betriebe angesichts steigender Preise für Öl, Strom und Gas ergreifen, um ihre Betriebskosten zu senken?
Mayer: Auch für dieses Ziel ist die ganze Palette der Möglichkeiten zu betrachten, zum Beispiel Partnerschaften eingehen zur Stärkung der eigenen Verhandlungsposition oder die Verbesserung der eigenen Verbrauchsstrukturen durch den Abbau von Leistungsspitzen. Gute Erfahrungen haben wir auch mit der Eigenerzeugung – eine Chance, die mit steigenden Energiepreisen und in Anbetracht der Fördermöglichkeiten bei umweltschonender Technik stets attraktiver wird.
cav: Als Energiedienstleister führt Freudenberg auch Energieaudits durch. Wie gehen Sie dabei vor?
Mayer: Die Freudenberg Service KG hat für ihr Energieaudit einen stufenförmigen Ablaufplan entwickelt: Im Gespräch mit dem Kunden verschaffen sich die FSE-Auditoren einen Überblick über den Standort und gleichen bei einer Standortaufnahme den aktuellen Anlagenbestand mit den vorhandenen Maschinendaten, Anlagenschemata und Werksplänen ab. Auch die Beheizung sowie die Lüftung der Hallen und Bürogebäude fließen in die Betrachtung mit ein, aber auch die Organisationsstruktur des Unternehmens. Wir wollen beispielsweise wissen, ob sich ein Mitarbeiter ausschließlich um Energiefragen kümmert oder es mehrere Zuständige gibt, die sich neben ihrer Arbeit mit dem Thema beschäftigen und deshalb wenig Zeit dafür haben. Der Kunde erhält einen Bericht, der die ermittelten Einsparpotenziale aufzeigt, im Rahmen einer vorläufigen Bewertung abschätzt und Vorschläge für das weitere Vorgehen enthält.
cav: Welche Maßnahmen empfehlen Sie nach einem Audit den Unternehmern am häufigsten?
Mayer: Die Durchführung eines Energieaudits ist kein einmaliger Vorgang, sondern ein kontinuierlicher Prozess. Das Unternehmen sollte vor allem einen Mitarbeiter ausbilden, der sich als Energiebeauftragter um die Energieeffizienz kümmert, zum Beispiel um die Reduzierung der Stromleistungsspitzen durch ein Lastmanagementsystem oder die Anpassung der Energieerzeugung an den tatsächlichen Bedarf des Unternehmens. Besonders wichtig ist es, monatlich die Energiedaten für die verschiedenen Energiearten auszuwerten und zu dokumentieren.

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