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Behälter durchleuchten

Radiometrische Füllstandmessung liefert zuverlässige Ergebnisse
Behälter durchleuchten

In vielen Industriezweigen vertraut man seit vielen Jahren für schwierige Füllstandmessungen der radiometrischen Messmethode. Das physikalische Prinzip gestattet es, von außen durch beliebige Behältergeometrien und -materialien hindurch, Füllstände und Dichteänderungen zu erfassen. Die Akzeptanz dieses Verfahrens liegt in der hohen Zuverlässigkeit des Messprinzips.

Wolfgang Kämereit

Gesetzliche Vorschriften und gewisse Vorbehalte gegen den Umgang mit radioaktiven Stoffen erschweren den Einsatz von radiometrischen Messeinrichtungen. Der große Vorteil der radiometrischen Füllstandmesstechnik liegt jedoch darin, dass dieses Messsystem absolut berührungslos und ohne mechanisch bewegliche Teile arbeitet. Bei der radiometrischen Füllstandmessung ist die Messung mit Gammastrahlung die ideale Methode. Sie ist unbeeinflusst von den bei konventionellen Messmethoden bekannten Einschränkungen. Dies sind unter anderem hohe Behälterdrücke und Mediumstemperaturen oder spezielle physikalische, häufig auch wechselnde und dadurch problematische Produkteigenschaften. Die Gammastrahlung ist ideal bei toxischen oder absolut sterilen Prozessen, bei vorhandenen Einbauten wie Rührwerksflügeln und bei komplizierten Behältergeometrien. Radiometrische Systeme werden immer dann eingesetzt, wenn herkömmliche Messmethoden versagen oder keine ausreichende Funktionssicherheit garantieren (Abb. 1). Dazu gehört die Grenzstanddetektion, die kontinuierliche Füllstandmessung, wenn der Füllstand über den gesamten Messbereich angezeigt werden soll, die Detektion der Trennschicht bei der gravimetrischen Trennung von Emulsionen sowie die Dichte- und Massendurchflussmessung.
Radiometrische Messeinrichtung
In der radiometrischen Messtechnik werden in den meisten Fällen die vier Komponenten radioaktive Strahlenquelle, Strahlenschutzbehälter, Detektor und Auswertegerät benötigt. Die Gammaquelle sendet eine elektromagnetische Welle aus, die beim Durchdringen von Materialien eine Dämpfung erfährt. Auf der gegenüberliegenden Seite des Behälters oder des Rohrs ist ein Detektor montiert, der die empfangene Strahlung in ein elektrisches Signal umwandelt. Die Stärke dieses Signals wird bestimmt durch die Distanz von Strahlenquelle und Detektor sowie den vorhandenen Materialstärken, die sich im Strahlengang befinden, und deren Dichte. Die Distanz und die zu durchdringenden Behälter- und Rohrwände sind konstante Größen, die lediglich bei der Wahl der Präparatestärke zu berücksichtigen sind. Der eigentliche Messeffekt ergibt sich daraus, dass das zu messende Produkt Strahlung absorbiert.
Für Füllstand- und Dichtemesseinrichtungen werden überwiegend die künstlichen Radioisotope 137Cs und 60Co eingesetzt, die reine Gammastrahler sind. Dadurch ist eine Kontamination des Mediums oder der Behälterwandungen auch nach jahrelangem Einsatz ausgeschlossen. Beide radioaktiven Stoffe, sowohl 137Cs als auch 60Co, werden in doppelt umschlossenen, verschweißten Edelstahlhüllen eingesetzt. Nach ISO 2919 ist die Beanspruchbarkeit der Strahler klassifiziert. Dabei entspricht die Klassifikation C 66646 dem höchsten Schutz bei Temperatur, Druck, Schlag, Schwingung und Durchstoß.
Sicherheit und Strahlenschutz
Neben der natürlichen Strahlung, die sich aus terrestrischer, kosmischer und innerer Strahlung des Menschen zusammensetzt, sind die Menschen auch der zivilisatorischen Strahlenbelastung ausgesetzt. Dabei resultiert die größte Belastung aus medizinischen Röntgenuntersuchungen. Der Anteil der radiometrischen Messtechnik an der Gesamtbelastung liegt unter 1%. Hier geht der Strahlenschutz weltweit nach dem Alara-Prinzip (as low as reasonably achievable) vor. Das bedeutet, dass alle Maßnahmen ergriffen werden, um die Strahlenexposition so gering wie möglich zu halten. Dabei gilt zu beachten, dass heute noch zulässige Grenzwerte, durch Verschärfungen der Strahlenschutzgesetze, zukünftig nach unten korrigiert werden. Endress+Hauser hat es sich deshalb auch zur Aufgabe gemacht, die Anwendungen mit der geringst möglichen Strahleraktivität und dadurch mit der minimalsten Strahlenbelastung zu lösen. Das wird zum einen durch die hohe Ansprechempfindlichkeit des Szintillationsdetektors erreicht. Auf der Strahlerseite setzt das Unternehmen in 80 bis 90% der Anwendungsfälle 137Cs- statt 60Co-Strahler ein. Zwei Gründe sprechen dafür. Erstens lassen sich 137Cs-Strahler besser im Strahlenschutzbehälter abschirmen als Kobalt 60 und zweitens ist während der Lebenseinsatzdauer eines radioaktiven Strahlers von rund 15 Jahren kein Strahlertausch erforderlich. Bei 60Co-Strahlern ist, bedingt durch die kürzere Halbwertszeit, nach etwa sieben Jahren ein Strahlertausch notwendig, der eine zusätzliche Strahlenexpositon bedeutet.
Um Strahlung in Richtungen zu verhindern, in denen sie nicht erwünscht sind, wird die Quelle in einem Strahlenschutzbehälter eingebaut (Abb. 2). Die Strahlenschutzbehälter bieten neben ihrer Abschirmwirkung auch Schutz gegen mechanische und chemische Einwirkungen. Der Strahlenschutzbehälter besteht aus einer völlig verschweißten Stahlhülle, die mit Blei ausgefüllt ist. Infolge des hohen spezifischen Gewichtes ist Blei das günstigste Abschirmungsmaterial. Das Stahlgehäuse schützt nicht nur vor mechanischer Beschädigung, sondern gibt auch im Fall von Brand ausreichenden Schutz. Blei schmilzt bei 327 °C, behält aber auch in geschmolzenem Zustand seine abschirmende Wirkung und kann wegen des vollständig geschlossenen Gehäuses nicht aus dem Strahlenschutzbehälter austreten. Der radioaktive Strahler selbst befindet sich in einem Präparathalter, der in den Strahlenschutzbehälter montiert wird. In beiden Schaltpositionen (Ein/Aus) wird er mit einem Sicherheitsschloss fixiert. Der Präparathalter wird gegen Staub-, Schmutz- und Flüssigkeitseintritt durch Dichtungen geschützt. Abhängig von den notwendigen Strahleraktivitäten stehen unterschiedliche Baugrößen mit verschiedenen Abschirmwirkungen zur Verfügung. Für besonders kritische Anlagen kann eine feuerfeste Ausführung (getestet eine Stunde bei 1000 °C) eingesetzt werden.
Detektion der Strahlen
Für Grenzstandanwendungen wird als Detektor ein Geiger-Müller-Zählrohr eingesetzt. In dem mit Edelgas gefüllten Zählrohr herrscht ein starkes elektrisches Feld, so dass ein durch radioaktive Strahlung ionisiertes Teilchen eine Ionenlawine auslöst. Mit der Auswerteelektronik werden diese Entladungen als Spannungsimpulse gezählt. Sie sind abhängig von der Anzahl der auftreffenden Gammaquanten und somit direkt von der Dosisleistung am Zählrohr. Für Füllstand-, Trennschicht- und Dichtemessungen kommen Stabszintillationsdetektoren zum Einsatz. Ihre hohe Ansprechempfindlichkeit und der damit mögliche Einsatz von geringsten Strahleraktivitäten eröffnen einen breiten Anwendungsbereich. Ein geschlossener, aktiver Überwachungskreis mit einem Referenzimpuls überprüft ständig den gesamten Detektor und garantiert im Störfall eine sofortige definierte Fehlermeldung. Gleichzeitig gewährleistet er auch die Kompensation der Temperatureinflüsse.
Auswertegeräte
Eine der Aufgaben von Auswertegeräten ist es, die Detektoren mit der notwendigen Spannung zu versorgen. Eigensichere Detektorstromkreise dienen dazu, die Anforderungen für den Explosionsschutz zu erfüllen. Abhängig von der Anwendung stellt Endress + Hauser die Schaltgeräte Gammapilot FTG mit Relaisausgängen für die Grenzstanddetektion oder Gammasilometer FMG mit Analogausgängen für die kontinuierliche Füllstand-, Trennschicht- oder Dichtemessung zur Verfügung (Abb. 3). Diese Geräte bieten außerdem die Möglichkeit der elektronischen Linearisierung. Weitere Funktionen, wie die sicherheitsgerichtete Wahl der Relaisschaltfunktion und Ausgänge im Störungsfall sowie die Präparatzerfallkompensation, sind implementiert. Über zusätzliche Schnittstellenkarten ist es möglich, die Auswertegeräte in übergeordnete Automatisierungssysteme zu integrieren.
Einfluss des Gammagraphiebetriebs
Bei der Gammagraphie wird mit Hilfe von Gammastrahlung eine zerstörungsfreie Materialprüfung durchgeführt. Wird diese Materialprüfung im Bereich von Behältern oder Rohren durchgeführt, die mit radiometrischer Messtechnik ausgestattet sind, wirkt im Gammagraphiebetrieb kurzzeitig eine hohe Fremdstrahlung auf den (Füllstand-)Detektor.
Über eine spezielle Softwareauswertung ist es jedoch möglich, diesen Zustand zu erkennen und das Ausgangssignal der Messeinrichtung während des Gammagraphiebetriebs festzuhalten.
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