Der Nationale Wasserstoffrat (NWR) unterstützt grundsätzlich die Regulierung von per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS) sowie die Bestrebungen eines verantwortungsvollen Umgangs zum Schutz von Menschen und Umwelt. Der Eintrag von PFAS in die Umwelt stellt ein ernsthaftes Problem für Mensch und Natur dar. Mit dem Beschränkungsvorschlag vom 22.03.2023 strebt die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) den generellen Ausstieg aus der Nutzung von PFAS in allen Bereichen der Wirtschaft und Industrie (abgesehen von wenigen Ausnahmen) an. Basis hierfür sind der im Beschränkungsvorschlag dargelegte Stand des Wissens zum Gefährdungspotenzial und zu den Risiken für die Umwelt sowie die menschliche Gesundheit.
Wasserstoffwirtschaft blockiert
Aufgrund ihrer einzigartigen physikalisch-chemischen Eigenschaften sind PFAS jedoch für vielfältige Schlüsseltechnologien der Energiewende unabdingbar, z. B. für Dichtungen oder Membranen für Brennstoffzellen und Elektrolyseure. Durch den generellen Ausstieg aus der Nutzung von PFAS kann es zu einer faktischen Blockade, in jedem Fall zu einer drastischen Verzögerung beim Hochlauf von Wasserstofftechnologien kommen, wodurch die Energiewende sowie die Erreichung der Klimaschutzziele des European Green Deals gefährdet werden. Vor diesem Hintergrund fordert der NWR eine differenzierte Risikobewertung und Einstufung der relevanten Wasserstoff- und Energiewendetechnologien als „essential use“.
Der NWR hat zeitnah nach der Veröffentlichung des Entwurfs der ECHA mit einer ersten Stellungnahme im Februar 2023 auf die damit verbundenen Herausforderungen hingewiesen. Gleichzeitig steht der NWR im Dialog mit den relevanten Akteuren u. a. aus der Industrie, der Energie- und der Wasserstoffwirtschaft. Die Erkenntnisse aus diesem Austausch sind in diese Stellungnahme des NWR eingeflossen.
Bundesregierung in der Pflicht
Die Bundesregierung wird gebeten, das Konsultationsverfahren zur PFAS-Regulierung verantwortlich zu begleiten, eine starke Position in den politischen Prozess auf EU-Ebene einzubringen und so schnell wie möglich Rechtssicherheit für alle Akteure zu schaffen. Zielsetzung einer zukünftigen REACH-Verordnung muss sein, die Anforderungen an den Umweltschutz in Einklang mit Klimaschutz und sozioökonomischen Aspekten zu bringen. Dabei ist eine angemessene Kontrolle der Risiken, welche sich aus der Herstellung, dem Inverkehrbringen und/oder der Verwendung von PFAS ergeben, für Mensch und Umwelt, aber auch die Wirtschaft, unerlässlich.
Ein Kreislaufsystem sorgt für einen verantwortungsvollen Umgang mit PFAS
Der NWR empfiehlt, klar regulierte Entsorgungswege zu definieren und dabei die Aspekte wie Rücknahmeverpflichtung, Recycling, Abfallverordnung oder auch Re-Use zu berücksichtigen. Die europäische Batterieverordnung setzt hier bereits ein positives Beispiel. Sie enthält sowohl Rücknahmeverpflichtungen durch Hersteller bzw. Inverkehrbringer von Systemen als auch die Verpflichtung, den Recyclinganteil auf Rohstoffseite stetig zu erhöhen. So wird der Einstieg in die Kreislaufwirtschaft auch gesetzgeberisch motiviert.
Weitere F&E-Aktivitäten sind notwendig
Die Fortsetzung und Ausweitung staatlicher und industrieller F&E-Aktivitäten sind notwendig, um die Fragestellungen, Ziele und erfolgreiche Umsetzung des ECHA-Verfahrens zu unterstützen. Im Vordergrund muss dabei die Entwicklung und Bewertung von PFAS-freien Alternativen für die Schlüsseltechnologien des Wasserstoffhochlaufes und der Energiewende mit dem Ziel des langfristigen Verzichts auf PFAS stehen.
Darüber hinaus erachtet der NWR zur Absicherung der aktuellen und zukünftigen Nutzung von PFAS folgende Schwerpunkte, die auch in die Förderprogramme mit einfließen sollen, als notwendig:
- Auf- und Ausbau der Analytik der verwendeten PFAS-Stoffe inklusive der eingesetzten Vorstufen, Prozesshilfsmittel, Zwischen- und Nebenprodukte in Bezug auf Nachweisbarkeit in den geforderten Nachweisgrenzen und Bewertung ihres Risikopotenzials
- Klarheit über Art und Menge der möglichen Eintragspfade sowie deren Begrenzung und bestmögliche Vermeidung
- Ausgewählte Fragestellungen im Rahmen der Entsorgungskonzepte wie Sortierung der PFAS-Materialien und -Verbundstoffe, Recycling der PFAS-Materialien und -Verbundstoffe, Werkstoff- und Produktdesign mit Fokus auf Nachhaltigkeit, Recycling und Kreislaufwirtschaft sowie neue Geschäftsmodelle für Re-Use von Komponenten, Baugruppen oder Systemen
Haftung durch Verursacher etablieren
Für die weitere Nutzung von PFAS in essenziellen Wasserstoff- und Energiewendetechnologien sollten eine verursacher- und risikogerechte Haftung der bereits heute und zukünftig entstehenden Schadensfälle und die Finanzierung der Belastungen, wie z. B. der Aufbereitungskosten für die Trinkwasserversorgung, entwickelt werden. Maßgeblich muss hierbei ein gesellschaftlich und wirtschaftlich faires System für die Bewältigung von PFAS-Verschmutzungen sein, das gleichzeitig auch Anreize für weitere Forschung, Entwicklung und Inverkehrbringen umweltschonender Grundstoffe und Produkte fördert.