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Prozeßoptimierung durch Simulation

Modellierung mechanischer Verfahrensprozesse
Prozeßoptimierung durch Simulation

Particle Flow Code heißt ein neuartiges Verfahren zur numerischen Modellierung von komplexen Systemen auf der Basis der Methode der Distinkten Elemente. Zwei vereinfachte Beispiele aus dem Bereich der Simulation von Bewegungs- bzw. Mischprozessen granular aufgebauter Massen verdeutlichen die Stärken dieser Technik.

Dr.-Ing. Günter Müller, Dr. Heinz Konietzky

PFC – Particle Flow Code – modelliert die Bewegung und Wechselwirkung von belasteten Elementensemblen. Diese bestehen aus verschiedenen Grundbausteinen, wie zwei- oder dreidimensionale, kugelförmige Elemente und ein- bzw. zweidimensionale Wandelemente. Durch die beliebige Anordnung, Verbindung und Wechselwirkung dieser Elementarbausteine lassen sich viele sehr unterschiedliche physikalische Systeme modellieren. Aufgrund der expliziten Berechnungsweise und den geometrisch einfachen Grundbausteinen können selbst im PC-Bereich ausgesprochen große Systeme mit starken Nichtlinearitäten bzw. physikalischen Instabilitäten zeit- und kosteneffektiv berechnet werden. Ein wesentlicher Vorteil des Systems liegt darin begründet, daß makro- und mikromechanische Prozesse gleichzeitig modelliert werden können.
Der PFC ist eine besondere Realisierungsform der Distinkt Element Methode (DEM). Sie unterscheidet sich von den kontinuumsmechanischen Ansätzen (z.B. Finite Elemente oder Finite Differenzen Methode) im wesentlichen dadurch, daß sie über die Eigenschaften dieser hinausgehend folgende Merkmale hat [1]:
• Der Berechnungsalgorithmus sollte in der Lage sein, alle während der Bewegung der Einzelpartikel sich einstellenden Kontakte oder deren Aufhebung selbstständig zu detektieren.
• Alle kinematischen Bewegungsmöglichkeiten sind für jeden Einzelpartikel permanent zu gewährleisten, wobei auch bei völliger Aufhebung der Kontakte sowie Neubildung von Kontakten eine physikalisch korrekte Bewegung der Partikel im physikalischen Feld erfolgen muß.
Grundlagen des Particle Flow Code
Der PFC enthält zwei Elementarbausteine, die schon genannten kugelförmigen Partikel und die ebenen Wandelemente. Beiden Elementarbausteinen sind Beschleunigungen, Geschwindigkeiten, Kräfte oder auch Verschiebungen als Anfangs- oder Randbedingungen zuzuordnen. Zudem können beliebige Felder, beispielsweise das Gravitationsfeld wirken. Die zwischen den einzelnen Partikeln bzw. zwischen den Partikeln und Wandelementen bestehenden Stoffgesetze sind vom Anwender frei wählbar, wobei neben den bereits vordefinierten Stoffgesetzen eigene, mittels einer internen Programmiersprache, hinzugefügt werden können.
Ein schon mehrfach erfolgreich eingesetztes Kontaktstoffgesetz enthält beispielsweise folgende Elemente:
• einen elastischen Steifigkeitsanteil, der über Normal- und Schersteifigkeiten die Kontaktkräfte mit Verschiebungen verbindet und damit auch die makroskopische Deformierbarkeit steuert,
• eine Scherfestigkeitsbedingung, die bei Überschreiten eine Scherbewegung gemäß eines Reibungskoeffizienten und der dazugehörigen Normalspannung erlaubt,
• eine Zugfestigkeitsbedingung, die bei Überschreiten die Adhäsion aufhebt.
Simulationen bewegter Vielkörpersysteme
Der PFC eröffnet damit besondere Möglichkeiten zur Simulation von Fließ- und Transportprozessen, Misch- und Abfüllprozessen sowie Zerkleinerungs- und Schädigungsprozessen granular aufgebauter Massen. Die granularen Bestandteile der Masse werden durch die Kugelelemente dargestellt, wobei beliebige Verteilungsfunktionen bezüglich der Kugelgrößen und Anordnungen möglich sind.
Den Kugeln können individuell beliebige Dichten zugeordnet werden. Durch Wahl geeigneter Materialparameter kann auch die Wechselwirkung der Partikel untereinander bzw. mit den Wandelementen individuell realistisch dargestellt werden (z.B. Reibung der Partikel, Oberflächenrauhigkeiten, Klebeffekte etc).
Sollten die Formen der granularen Bestandteile signifikant von der Kugelform abweichen, so werden mehrere Kugelelemente zu einem neuen granularen Grundelement zusammengesetzt. Damit ist praktisch jede Form darstellbar. Im Falle des Zusammensetzens eines granularen Körpers aus kugelförmigen Grundelementen sind zwei Modellierungsstrategien verfolgbar. Entweder wird dieser neue Grundkörper als unzerstörbar definiert oder aber er kann bei entsprechender Belastung zerbrechen, wobei dafür das Überschreiten einer entsprechenden Festigkeitsbedingung erfüllt sein muß. Der zuletzt genannte Ansatz erlaubt es, Zerstörungs- bzw. Zerkleinerungsprozesse (Mahlen, Zerbrechen, Spalten etc.) in die Modellierung einzubeziehen.
Zur visuellen Veranschaulichung der Möglichkeiten des PFC werden im folgenden stark vereinfachte Simulationen vorgestellt.
Abbildung 1 zeigt einen mit kugelförmigem Granulat gefüllten Behälter, aus dem durch Öffnen des Bodenauslasses unter Wirkung der Gravitation Granulat ausfließt und sich anschließend auf einer Unterlage als Schüttgut aufhäuft. Durch die farbige Kennzeichnung der Partikel wird die sich durch den Fließprozeß unvermeidlich einstellende Vermischung deutlich sichtbar.
Die Abbildung 2 zeigt in Analogie zu Abbildung 1 die Ausbildung der Kontaktkräfte zwischen den einzelnen Partikeln bzw. zwischen den Partikeln und den Wänden für ausgewählte Momentaufnahmen während des Ausfließens der Partikel. Die Linienstärke ist dabei proportional der Stärke der wirkenden Kraft.
Abbildung 3 zeigt eine dreidimensionale Variante des oben beschriebenen Prozesses in Form des Ausgangszustandes sowie einer Momentaufnahme nach beginnendem Ausflußprozeß.
Simulationen lebensmittel-technologischer Prozesse
PFC wurde bereits vielfach erfolgreich zur Modellierung unterschiedlichster Aufgabenstellungen in der Verfahrens- und Bautechnik eingesetzt (Cundall 1996), wobei insbesondere Fließ- und Vermischungsprozesse granularer Medien sowie bruch- und schädigungsmechanische Simulationen im Vordergrund standen.
Im Bereich der Ernährungsindustrie könnten mittels PFC Simulationen für folgende Aufgabenstellungen erfolgen:
• Untersuchung von Mischprozessen bei granularen Komponenten (Ermittlung optimaler Mischzeiten, Ermittlung optimaler Gerätekomponentengeometrien, Ermittlung optimaler Partikelgrößen, -verteilungen und -formen, Simulation alternativer Mischprozesse, Ursachenermittlung bei unbefriedigenden Mischprozessen),
• Modellierung von mikromechanischen Prozessen (Modellierungen zu Zerkleinerungsprozessen bei der Aufmahlung, Schädigungen durch mechanische Einwirkungen, wie Erschütterungen, Schlag, Kompaktion, Krafteinwirkung etc.),
• Modellierung von Transportprozessen (Simulation des Transportes granularer Medien durch Rohrleitungen, Fließprozesse in Silos und Speichern, Ursachenermittlung bei Verstopfungen und pulsierenden bzw. nicht-kontinuierlichen Materialströmen).
Im Rahmen eines europäischen Forschungsvorhabens [2, 3] wurde der Ein- und Ausfluß von granularen Medien mittels verschiedener numerischer Techniken untersucht und mit praktischen Ergebnissen aus Feldversuchen verglichen. Mittels PFC gelang es dabei, die einzelnen Phasen des Ein- und Ausströmens sowie des Verstopfens unter bestimmten Bedingungen zu simulieren. Auf Grundlage dieser Simulationen konnten beispielsweise die optimale Korngrößenverteilung, die optimalen Siloformen, speziell des Ausflußbereiches, die Anforderungen an die Gleiteigenschaften der Wandungen und die optimalen Füllstrategien (zeit- und volumen-effektiv) sowie die Ursachen von Brückenbildungen, die zu Verstopfungen führen, ermittelt werden.
Weitere Informationen dei 202
Schrifttum
[1] Konietzky, H., Hart, R. und Billaux, D.: Mathematische Modellierung von geklüftetem Fels, Felsbau, 12 (1994) 6, S. 395-400
[2] Cundall,P., Konietzky, H. und Potyondy,D.: PFC – ein neues Werkzeug für numerische Modellierungen, Bautechnik, 73 (1996) 8, S.492-498
[3] European Concerted Action in Silo Research (CA-SILO): WG5 “Comparative evaluation of numerical methods for predicting flow and stress fields in silos”, University of Edingburgh, 1995-1998
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