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Trotzen auch Schwefeltrioxid

Hochdruckdosierpumpen für die Verfahrensentwicklung
Trotzen auch Schwefeltrioxid

Bis aus einer Idee ein industriell nutzbarer Produktionsprozess wird, sind meist viele Tests in Modellanlagen im Labormaßstab notwendig, um Machbarkeit, Optimierung und Skalierbarkeit zu untersuchen. Das Prozessziel von Dr. Timo Ott, Dr. Ingo Biertümpel und dem Forscherteam der Duisburger Grillo-Werke war es, die industriell immer beliebter werdende Methansulfonsäure direkt aus Methan und Schwefeltrioxid herzustellen. SO3 präzise zu dosieren, stellte sich dabei als nicht ganz trivial heraus.

Methansulfonsäure (MSA) ist bereits aktuell eine im industriellen Maßstab hergestellte Substanz, denn ihre stark sauren, jedoch nicht oxidierenden Eigenschaften machen sie zu einem interessanten Katalysator für viele Reaktionen in der organischen Chemie, insbesondere bei Polymerisationen. Methansulfonsäure findet darüber hinaus in der Galvanik Anwendung und zunehmend auch in Industriereinigern, wo sie anstelle von Phosphor-, Salz- oder Schwefelsäure zum Einsatz kommt. Der Grund dafür ist, dass MSA bei vergleichbarer oder größerer Wirksamkeit weniger umweltschädlich ist als die bisher verwendeten Mineralsäuren. Das weltweite Marktvolumen für MSA hat sich seit Mitte der 80-er Jahre von wenigen Hundert Tonnen pro Jahr auf derzeit rund 50 000 t/a gesteigert.

Wozu ein neuer Produktionsprozess?

Das derzeit im größten Umfang eingesetzte Herstellungsverfahren kombiniert Methanol, Wasserstoff und Schwefel zum toxischen Zwischenprodukt Dimethyldisulfid, das anschließend katalytisch zu MSA oxidiert wird. Ein weiteres Verfahren verläuft über eine Chloroxidation von Methanthiol. Die aktuell eingesetzten Verfahren sind jeweils mehrstufig und nicht hundertprozentig effizient.

Naheliegend wäre eigentlich die direkte Reaktion von Methan mit Schwefeltrioxid. Forscher weltweit experimentieren schon lange an der direkten Aktivierung von Methan. In den 1950er Jahren wurde ein US-Patent angemeldet, das Schwefeltrioxid verwendet, jedoch waren die erreichten Ausbeuten an Methansulfonsäure gering und die ungewünschten Nebenprodukte zahlreich [1].

Die Grillo-Forscher beschritten einen anderen Weg als die meisten anderen Gruppen. Sie setzten auf relativ milde Temperaturen unter 100 °C und Drücke um 50 bis 100 bar. Der Clou an ihrem Prozess ist ein Aktivator/Vorkatalysator-Molekül, das am Rande des Prozesses aus MSA und Schwefelsäure leicht nachgebildet werden kann und die Sulfonierung anstößt. Elegant daran ist, dass der Aktivator am Ende nicht aus dem Reaktionsgemisch entfernt werden muss, da er in MSA (das Produkt) und Schwefelsäure (das Reaktionsmedium) zerfällt.

Eine unerwartete Hürde

Ein kniffliger Teil der neuen MSA-Synthese ist die genaue Dosierung des Schwefeltrioxids (SO3) in den chemischen Reaktor. Schwefeltrioxid ist nur in einem schmalen Temperaturbereich zwischen 32 und 44 °C überhaupt flüssig, reagiert bei Kontakt mit Wasser heftig und verkohlt die meisten Kunststoffe sehr schnell, d. h., es ist in der Handhabung sehr anspruchsvoll.

„Auf der Suche nach geeigneten Pumpen für diese Aufgabe hatten wir schon einige Absagen von Anbietern erhalten, bevor wir uns an Knauer wandten. Eine Pumpe von der Stange konnte uns auch Knauer nicht anbieten, das Unternehmen war jedoch das Einzige, das sich auf eine kleine Entwicklungsreise eingelassen hat“, betont Dr. Timo Ott, Leiter für Produkt- und Prozessentwicklung im Bereich Chemie bei Grillo.

Die Hochdruckdosierpumpen von Knauer basieren auf HPLC-Technik und bringen von Haus aus eine hohe chemische Beständigkeit, sehr gute Flussraten-Präzision und geringe Pulsation mit. Flüssiges Schwefeltrioxid zu fördern erforderte jedoch individuelle Anpassungen und Versuche insbesondere hinsichtlich Kunststoffbauteilen im Fließweg der Kolbenpumpen. Eine weitere wichtige Voraussetzung für das Gelingen war eine zuverlässige Pumpenkopfheizung, um das Schwefeltrioxid auch bei niedrigen Flussraten oder Stopps fließfähig zu halten. Dies wurde durch die Pumpen erfüllt, denn sie können mit einer leistungsfähigen, flüssigkeitsbasierten Temperierung ausgestattet werden. Verrohrungen zwischen den Anlagenteilen müssen ggf. separat temperiert werden. Die Pumpenköpfe können leicht vom Anwender ausgetauscht werden, wodurch der Aufwand bei Wartungen recht gering ist.

Kontinuierlicher Prozess

Die Aktivierung von Methan findet bei einem Druck von etwa 100 bar in einer Lösung von rauchender Schwefelsäure (SO3/H2SO4) verschiedener Konzentrationen (15 bis 60 %) mit etwa 1 Mol-% Vorkatalysator statt, der ein Wasserstoffperoxid-Derivat ist, bevorzugt ein asymmetrisches wie Monomethylsulfonylperoxid.

Für die MSA-Produktion in einer Pilotanlage erfolgt die Reaktion in kontinuierlichen Reaktoren. Reines SO3 und CH4 werden im ersten Reaktor eingespeist und das Reaktionsgemisch zum nächsten geleitet, wodurch die Konzentration an MSA bis zum n-ten Reaktor erhöht wird. An diesem wird in Kolonne (D) das Produkt abdestilliert. Das Destillat besteht aus reiner MSA mit einer Ausbeute von über 99 % (bezogen auf die Anfangsmenge von SO3) und einer Selektivität von 99 %. Die verbleibende Lösung umfasst eine Mischung aus H2SO4 und einer geringen Menge MSA. Das Gemisch wird in den ersten Reaktor zurückgeführt, wobei die gewünschte Oleumkonzentration zu Beginn der Reaktion berücksichtigt wird.

Methan stofflich nutzen

Das Besondere an dem von den Grillo-Forschern entwickelten Herstellungsverfahren für MSA ist, dass es deutlich effizienter arbeitet als bisherige Prozesse und Methan als Kohlenstoffquelle für die Sulfonierung nutzbar macht. Das Verfahren kann Vorbild sein für andere Prozesse, um Methan stärker stofflich zu nutzen, sodass in Zukunft weniger Erdgas ungenutzt abgefackelt wird. Im Fall von Biogas als Methanquelle kann das Grillo-Verfahren auch ganz auf Kohlenstoff fossilen Ursprungs verzichten. Eine gerade veröffentlichte vergleichende Ökobilanz-Untersuchung der Universität Zürich kommt zu dem Ergebnis, dass das neue Verfahren einen um Faktor drei geringeren Fußabdruck auf die Umwelt hat als bisherige Verfahren. Die Treibhausgasemissionen liegen um 85 % niedriger [2]. „Wenn das neue Herstellungsverfahren für Methansulfonsäure großtechnisch Einzug hält, wird die Umwelt davon profitieren“, ist Dr. Ingo Biertümpel überzeugt. Er ist Leiter F&E im Geschäftsbereich Chemie und Nachhaltigkeitsbeauftragter der Grillo-Werke.

Schrifttum

[1] John C. Snyder, Aristid V. Grosse, Houdry Process Corp, https://patents.google.com/patent/US2493038A/en

[2] Steve Kappenthuler, Sandro Olveira,
Jonathan Wehrli, Stefan Seeger, Environmental assessment of alternative methanesulfonic acid production using direct activation of methane, Journal of Cleaner Production, Volume 202, 20 November 2018, Pages 1179–1191, https://doi.org/10.1016/j.jclepro.2018.07.284

www.prozesstechnik-online.de

Suchwort: cav0219knauer

Prinzip der kontinuierlichen Prozessführung für das MSA-Verfahren
Bild: Grillo-Werke

Autor: Oliver Gültzow

Senior Marketing Manager,

Knauer Wissenschaftliche Geräte

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