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Redundanz sorgt für Sicherheit

Automatisierung von Plungerpumpen für die direkte Kohlehydrierung
Redundanz sorgt für Sicherheit

Verfügbarkeit hat für den chinesischen Betreiber der weltweit ersten großtechnischen Anlage zur direkten Kohlehydrierung höchste Priorität. Der Hersteller der riesigen Plungerpumpen zum Fördern der heißen, abrasiven Kohlemaische rüstet diese daher auch auf der Automatisierungsseite teilweise mehrfach redundant aus. So sind neben der dreifach ausgeführten Sensorik die dezentralen E/A-Baugruppen im Feld dreifach und die zentrale Steuerung sowie die Kommunikationsbusse redundant vorhanden. Das gewährleistet den dauerhaft störungsfreien Betrieb der Pumpen und trägt so dazu bei, die Energie- und Rohstoffproduktion sicherzustellen.

Dipl.-Ing. (FH) Klaus Mahlbacher

Je höher die Öl- und Gaspreise steigen, desto wirtschaftlicher und interessanter werden alternative Verfahren zur Erzeugung von Benzin, Diesel und anderen Derivaten des Schwarzen Goldes, beispielsweise aus Kohle. Die verfahrenstechnischen Grundlagen der Kohleverflüssigung wurden schon vor dem Ersten Weltkrieg geschaffen. Ihre Umsetzung im großtechnischen Maßstab galt jedoch bis vor kurzem noch als zu aufwendig und zu teuer. Das hat sich mittlerweile geändert: Ländern mit großen Kohlevorkommen eröffnet die Kohlehydrierung heute einen ökonomischen Weg zu einer weitgehend autarken Energie- und Rohstoffversorgung. So verwundert es nicht, dass das energiehungrige China zu den ersten Anwendern zählt: In der inneren Mongolei errichtet einer der größten Energieversorger des Landes die weltweit erste Großanlage zur direkten Verflüssigung von Steinkohle nach dem sogenannten Bergius-Verfahren. Eine elementare Rolle spielen dabei riesige Hochdruckpumpen von Uraca, die mit hoch verfügbarer Automatisierungstechnik von Siemens gesteuert werden.
Die Uraca Pumpenfabrik GmbH & Co. KG (Bad Urach) war schon zur Zeit der ersten Ölkrise maßgeblich an der Weiterentwicklung des Bergius-Verfahrens beteiligt, woraus unter anderem eine patentierte Entmischungskammer hervorgegangen ist. Damit schließt sich der Kreis: Denn der weltweit tätige Hersteller liefert jetzt die Hochdruck-Plungerpumpen, die die Reaktoren im Dauerbetrieb mit einem abrasiven Brei aus gemahlener Kohle und heißem Trägeröl (Kohlemaische oder Slurry) versorgen werden – bei Drücken von 210 bar und Temperaturen bis 290 °C. Die Antriebsleistung jeder der sechs Plungerpumpen beträgt ca. 750 kW. Der Einsatz von Wasserstoff bei hohen Temperaturen macht den Prozess sehr anspruchsvoll. Ein Pumpenausfall würde zu einer Überdosierung von Wasserstoff führen.
Redundanz auf allen Ebenen
„Die hohe Verfügbarkeit unserer Pumpen war eine der Kernforderungen des Betreibers und für uns ein weiterer Grund, wie in vielen unserer Projekte, auch für diese sehr komplexe und sensible Anwendung Automatisierungstechnik von Siemens einzusetzen“, sagt Harald Class, Projektleiter im Bereich der Elektrokonstruktion bei Uraca. Ziel war, eine absolut verlässliche Betriebsführung und Überwachung zu gewährleisten, was ebenso zuverlässige wie robuste Systeme unabdingbar machte.
„Siemens ist im Reich der Mitte schon seit Jahrzehnten präsent“, ergänzt Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Werner Stiefel, Leiter für Marketing und Werbung bei Uraca, „so dass auch dort schnell und jederzeit die Verfügbarkeit von Ersatzteilen und technischer Unterstützung gewährleistet ist.“ Aus dem gleichen Grund setzt die Automatisierung der Pumpen durchwegs auf Standardkomponenten aus dem Portfolio von Siemens auf.
Zentrales Element ist das mit zwei CPUs 414-4H hoch verfügbar ausgeführtes Automatisierungssystem Simatic S7-400H. Die beiden Zentraleinheiten sind über Sync-Module und Lichtwellenleiter hoch performant miteinander gekoppelt und gleichen ihre Daten ständig pfeilschnell untereinander ab. Falls eine CPU einmal ausfallen sollte, übernimmt nahtlos und ohne Datenverlust die andere die Masterfunktion und steuert ihrerseits den gesamten Prozess. Nach dem Austausch der betroffenen Baugruppe, der bei laufendem Betrieb erfolgen kann, gleichen die CPUs ihre Datenbestände automatisch ab, während der Prozess davon unbeeinträchtigt weiterläuft.
Darüber hinaus hatte der chinesische Betreiber auch eine redundante Übertragung der digitalen Ausgangssignale zur Ansteuerung von Frequenzumrichtern und Hilfsaggregaten vorgeschrieben. Dies wurde – unter anderem für Getriebe und Schmierpumpenantriebe der inzwischen zum Siemens-Konzern gehörenden Hersteller Flender und Loher – mittels dezentraler Peripheriebaugruppen Simatic ET200M realisiert. Jede dieser Baugruppen ist zwei Interfacemodulen IM153-2 zugeordnet, die über Profibus mit beiden CPUs der Zentralsteuerung kommunizieren. So kann auch auf dieser Ebene ein Modul ausfallen, ohne dass der Prozess unterbrochen wird. Was natürlich voraussetzt, dass die Interfacemodule unter Spannung austauschbar sind.
Noch einen Tick anspruchsvoller war der Betreiber bei der Sensorik. Um hier maximale Verfügbarkeit und dadurch Betriebssicherheit zu erreichen, werden die meisten der Temperatur- und Drucksignale jeweils über Transmitter in dreifacher Ausführung erfasst, was eine in der Prozessindustrie übliche 2-von-3-Überwachung ermöglicht: Mindestens zwei der drei Transmitter müssen die gleichen Signale liefern. Läuft der dritte Transmitterwert aus dem vorgegebenen Toleranzband, wird dieser im Überwachungssystem gemeldet und muss möglichst schnell ausgetauscht werden. Nur wenn zwei der drei Signale nicht mehr innerhalb der gleichen Toleranzgrenzen liegen, werden die Pumpen gestoppt und der Reaktorprozess gezielt heruntergefahren.
„Logisch, dass die drei Transmitter zur Überwachung für eine bestimmte Prozessgröße nicht an ein und derselben E/A-Baugruppe, sondern an drei verschiedenen angeschlossen sind“, unterstreicht Werner Scholz, Projektingenieur der Automatisierung und Steuerungstechnik GmbH, ein zertifizierter Siemens-Automation-Solution Partner. Über zusätzliche Kommunikationsprozessoren Simatic CP341 können aktuelle Pumpendaten außerdem über Modbus direkt an das Prozessleitsystem der Gesamtanlage übertragen werden.
Umfassend und transparent
Zum Bedienen und Beobachten ist im zentralen Schaltschrank ein Simatic-Panel-PC 677 installiert und eine rund 90 Bildmasken umfassende Visualisierung auf der Basis des Scada-Systems Simatic WinCC generiert. Damit werden Prozessparameter wie Drehzahlen und Drücke eingestellt, überwacht und archiviert sowie Alarmgrenzen gesetzt. Das eigentliche Bedienpanel selbst ist über ein Remote-Kit mit dem Industrie-PC verbunden und in der etwa 30 m entfernten Leitwarte installiert.
Der Vorteil der Kombination aus Panel-PC und WinCC liegt darin, dass sich diese mit Hilfe der Standard-Kommunikationssoftware S7-Redconnect ohne zusätzlichen Programmieraufwand im PC- und im SPS-System miteinander verbinden lassen. Dies und die von der Steuerung über die dezentrale Peripherie bis zur Visualisierung ohnehin gegebene Durchgängigkeit hat das Engineering deutlich vereinfacht. Der Anlagenbetreiber wiederum erhält die Sicherheit einer hochverfügbaren Kommunikation. Die Prozessdaten werden an dieser Stelle über einen redundanten Industrial Ethernet Ring und Electrical Switch Modules (ESM) aus dem Simatic-Net-Programm von der S7-400H an das Scada-System übertragen.
Technisch jederzeit ohne großen Aufwand zu realisieren, vom Kunden derzeit aber noch nicht gewünscht, ist ein Zugriff auf das Automatisierungssystem zu Service- und Wartungszwecken von Deutschland aus. Gangbar wäre beispielsweise der Weg über Simatic-Teleservice-Adapter oder über ein geschütztes VPN-Gateway und das Internet.
Ressourcen für weitere Anlagen
Die erste von mehreren geplanten Kohleverflüssigungsanlagen wird voraussichtlich 2007 in Betrieb gehen und jährlich aus gut 2 Mio. t Steinkohle annähernd 1 Mio. t Benzin, Diesel und diverse andere Ölprodukte liefern. Mit Hochdruck-Plungerpumpen von Uraca und redundanter Automatisierungstechnik von Siemens ist der chinesische Betreiber bestens gerüstet, dies bei dauerhafter Betriebssicherheit und über Jahre hinaus zuverlässig aufrechtzuerhalten.
Weitere, vergleichbare Anlagen könnten in den nächsten Jahren folgen, prognostiziert der Pumpenhersteller. China verfügt mit geschätzten 1000 Mrd. t Kohle über mehr als ausreichende Rohstoffressourcen für viele Jahrzehnte und strebt gezielt nach größerer energiepolitischer Unabhängigkeit, um das künftige Wirtschaftswachstum des Landes zu unterstützen.
cav 428

Direkte Kohle-Hochdruckhydrierung
Das Verfahren wurde 1913 von Friedrich Bergius erfunden und später als Pott-Broche- oder IG-Farben-Prozess bekannt. Dabei wird feingemahlene Kohle in Schweröl suspendiert und dann unter Drücken von 200 bis 300 bar sowie Temperaturen bis 500 °C der Einwirkung von Wasserstoff ausgesetzt. Prozess und Endprodukt(e) können durch die Verweildauer im Reaktor, die Temperatur und die Zugabe von Katalysatoren exakt gesteuert werden. Für den großtechnischen Einsatz wurde das Verfahren schon in den 1970er-Jahren unter Einsatz von Uraca-Hochdruckpumpen in einer Pilotanlage in Deutschland entscheidend weiterentwickelt und validiert.

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