Saures sicher neutralisiert

Autor Dr. Nicolas Schulte Produktmanager Analysenmesstechnik, Knick

Mehr als 2,3 Millionen Patienten weltweit benötigen regelmäßig eine Dialysebehandlung. Die Dialyse ist ein lebensnotwendiges Blutreinigungsverfahren, das bei Patienten mit Nierenversagen die Funktion der Nieren übernimmt und das Blut von Schadstoffen und überschüssigem Wasser reinigt. Man unterscheidet zwischen zwei Behandlungsverfahren: Gesteuert durch eine Dialysemaschine wird bei der Hämodialyse das Blut des Patienten mittels eines Dialysators außerhalb des Körpers gereinigt. Bei der Peritoneal- oder Bauchfelldialyse dient das körpereigene Bauchfell als natürlicher Filter.

In weltweit mehr als 40 Produktionsstandorten stellt Fresenius Medical Care unter anderem Dialysemaschinen, Dialysatoren und damit verbundenes Einwegzubehör her. Die größten Werke in Deutschland mit jeweils mehr als 1000 Mitarbeitern befinden sich im fränkischen Schweinfurt, in dem Dialysegeräte für den Weltmarkt entwickelt und produziert werden, sowie in St. Wendel im Saarland. Dort produziert Fresenius Medical Care Dialysatoren sowie Produkte für die Bauchfelldialyse. Die Zentrale des Unternehmens hat ihren Sitz im hessischen Bad Homburg.

Bei der Herstellung mehrerer Millionen Liter Dialysekonzentrate pro Jahr fallen Produktionsabwässer in entsprechender Größenordnung an. Aufgrund der recht niedrigen pH-Werte ist eine direkte Weitergabe an das Abwassernetz nicht möglich, die Abwässer müssen zuvor in geeigneter Weise aufbereitet werden. Ein wesentlicher Schritt ist die Anhebung des pH-Werts auf neutrales Niveau durch Zugabe des Alkalisierungsmittels Natriumhydrogenkarbonat. Das in einem Sammelbehälter aufgefangene Produktionsabwasser wird in die Aufbereitungsanlage geleitet, dort neutralisiert und dann dem Abwassernetz übergeben. Prinzipiell erfolgt die Neutralisation nach folgender Reaktion: Säure und Hydrogenkarbonat ergeben ein Natriumsalz, Kohlendioxid und Wasser.

Der Neutralisationsprozess wird durch eine kontinuierliche pH-Wert-Messung gesteuert und ist durch das Kalibrier- und Reinigungssystem Unical 9000, das Analysenmesssystem Protos 3400 und die Wechselarmatur Senso-gate von Knick voll automatisiert. Durch die Ausführung aller medienberührten Teile (Kalibrierkammer und Tauchrohr) in dem Material PEEK wird eine mögliche Korrosion der Wechselarmatur wirksam ausgeschlossen. Mit dieser Instrumentierung konnte das Ziel erreicht werden, den gesamten Prozess von der Herstellung der Dialysekonzentrate bis zur Abwasserbehandlung durchgehend zu automatisieren und an das Prozessleitsystem anzubinden.

Die Prozesssicherheit ist gestiegen, letztlich auch durch den Wegfall möglicherweise fehlerbehafteter, manueller Messungen, die kontinuierliche Überwachung von Grenzwerten und die automatische Weiterleitung der Meldungen. Die im Unical 9000 parametrierten Intervalle für Kalibrierung und Reinigung des pH-Sensors optimieren die Messung. Für die Zuverlässigkeit der Messung spielt insbesondere die regelmäßige Reinigung des Sensors eine entscheidende Rolle. Während des Neutralisationsprozesses können sich Reaktionsprodukte am Sensor in Form von Ablagerungen festsetzen, die auf die Messung störend wirken. Zitronensäurelösung mit einer Konzentration von 20 % hat sich als Reinigungsmittel bewährt, die Ablagerungen können mit dieser Säurelösung sowohl schnell als auch vollständig beseitigt werden.

Das Analysenmesssystem Protos zur industriellen Messung von pH-Wert, Leitfähigkeit und Sauerstoff ist aufgrund des modularen Aufbaus mit bis zu drei frei kombinierbaren Mess-, Regel- und Kommunikationsmodulen praktisch an jede applikative Anforderung anpassbar. Zur hohen funktionellen Sicherheit und Flexibilität tragen die digitale Messung mit Memosens-Sensoren und moderne Asset-Management-Funktionen bei.

Mit der Sondensteuerung Unical 9000 kann das Messsystem zu einer vollautomatischen Kalibrier- und Reinigungseinrichtung erweitert werden. Die Dosierung von pH-Pufferlösungen und Reinigern erfolgt durch spezielle Pumpen, die aufgrund ihrer Konstruktion praktisch wartungsfrei sind. Sämtliche Schläuche zur Medienzuführung, für den Sondenantrieb und auch die elektrischen Leitungen für die Endlagenmeldung sind gebündelt zusammen in einem Hüllschlauch geführt und an die Wechselarmatur mit einem zentralen Multistecker angeschlossen. Dieses echte Plug & Play bringt eine deutliche Zeitersparnis bei der Installation und Wartung, die Prozesssicherheit wird erhöht und das bekannte, sonst übliche Schlauchwirrwarr an der Wechselarmatur vermieden.

Sensogate ist eine grundlegend weiterentwickelte Schubstangenarmatur. Antrieb, Kalibrierkammer und Tauchrohr sind einfach tauschbar und auch in verschieden Materialien miteinander kombinierbar. Kohlefaserverstärkte Kunstoffe ersetzen teure Speziallegierungen und sind dabei formstabil, temperatur- und druckfest sowie chemisch äußerst resistent. Für den Einsatz im Lebensmittel- und Pharmabereich ermöglicht eine spezielle Konstruktion die hygienische innere Reinigung und eine nachgewiesene Sterilisierbarkeit der Kalibrierkammer. Alternativ zur Schubstangenarmatur Sensogate und in besonders anspruchsvollen Applikationen wird die keramisch dichtende Wechselarmatur Ceramat eingesetzt. Unter härtesten Prozessbedingungen – fasrigen oder zur Kristallisation neigenden Medien – sind mit Ceramat Analysenmessungen problemlos möglich. Das komplette, automatische Mess-, Kalibrier- und Reinigungssystem ist im Ex-Bereich einsetzbar.

prozesstechnik-online.de/cav0214414