Startseite » Chemie »

Spagat gelungen

Optimieren von kontinuierlichen Prozessen in der Misch- und Reaktionstechnik
Spagat gelungen

Für die korrekte Auslegung kontinuierlicher Misch- und Reaktionsprozesse bedarf es langjähriger Praxiserfahrungen. Datenpools außerhalb des herstellereigenen Know-hows sind nicht verfügbar, brauchbare Berechnungsprogramme sind am Markt nicht erhältlich. Für AVA war dies der Anlass, aus den langjährigen Betriebs- und Versuchserfahrungen heraus, einen Katalog an Produkten und Fahrweisen für kontinuierliche Misch- und Reaktionsprozesse zusammenzustellen.

Dipl.-Ing. Helmut Huep

Kontinuierliche Misch- und Reaktionsprozesse könnten in ihren Fahrweisen kaum unterschiedlicher sein. Bei kontinuierlichen Mischprozessen müssen Mischwerkzeuge und Drehzahl dahingehend optimiert werden, dass die Verweilzeiten im Mischer möglichst kurz werden, gleichzeitig soll in Sekundenschnelle ein exzellentes Mischergebnis erzielt werden. Mischwerke für Reaktionsprozesse stellen das völlig andere Extrem dar: Teilweise werden hier bis zu mehreren Stunden Verweilzeit benötigt. Dies erfordert eine gänzlich andere Wahl der Mischelemente, Formen, Winkelstellungen und Drehzahlen. Ein wichtiger Punkt bei der Auslegung ist, die Charakteristik der Verweilzeitverteilung zu erkennen und in praxisgerechte Konstruktionen umzusetzen.
Verweilzeiten minimieren
Die kontinuierliche Mischtechnik hat sich seit ihren Anfängen – zunächst mit Drehtrommelmischern, später auch mit Einbauten – drastisch verändert. Die ersten Mischverfahren funktionierten nur für frei fließende Produkte mit geringem Feuchteanteil. Erst mit der Entwicklung des Doppelwellenpaddelmischers konnten auch überfeuchte bzw. klebrige Produkte kontinuierlich verarbeitet werden. Durch den Einsatz von zwei Mischwellen mit darauf angeordneten Mischpaddeln erzielte man eine weitgehend intensive Vermischung. Der größte Nachteil war und ist jedoch bis heute, dass mit einer relativ geringen Umfangsgeschwindigkeit gearbeitet wird, sodass für eine gute Homogenität sehr große und lange Maschinen erforderlich sind. Eine weitere Problematik besteht darin, dass diese Mischer nicht selbstreinigend sind und bei Befeuchtungsprozessen in engen Intervallen händisch gereinigt werden müssen. Zudem müssen Flüssigkeiten über die gesamte Mischlänge hinzugefügt werden, da es ansonsten sehr häufig zu Klumpen- und sogenannter Trockennesterbildung kommt.
Besser funktioniert hier der Einwellenturbulentmischer. Er bietet eine einfache Handhabung, ist selbstreinigend und besitzt sehr gute Mischeigenschaften für rieselfähige und verklumpende Schüttgüter. Gegenüber dem Doppelwellenpaddelmischer baut dieser Mischer wesentlich kleiner und stellte über Jahre den Stand der Technik dar, ohne dass eine nennenswerte Weiterentwicklung stattgefunden hat. Aufgrund der über die Jahre hinweg gesammelten Erfahrungen mit diesem System, wurde bei AVA jetzt eine weitere Generation der Einwellenmischtechnik eingeführt. Mit den neuen Mischwerken konnte die Maschinengröße nochmals drastisch reduziert werden, unter Einhaltung der notwendigen Homogenitätskriterien. Speziell im Bereich der Flugaschebefeuchtung, Zementflugaschemischungen und der Suspendiermischungen können mit dem speziellen AVA-Mischwerk die Verweilzeiten teilweise um das Dreifache verkürzt werden. Die Vorteile liegen auf der Hand: weniger Raumbedarf, geringerer Stahlbau für die Abstützung der Maschine sowie ein geringerer Energiebedarf.
Mit dem weiterentwickelten Mischwerk sind bereits mehrere Mischer in der Baustoff- und Umweltindustrie im Einsatz. Wichtig bei der Auslegung ist hier das Zusammenspiel von Drehzahl und Winkelstellung der Mischelemente. Wo früher noch vielfach Verweilzeiten über ein eingebautes Wehr gehalten wurden, wird heute die Beschaufelung so gewählt, dass ohne ein Rückstauwehr gearbeitet werden kann. Darauf abgestimmt wurden auch die volumetrischen und gravimetrischen Dosiersysteme wie Wiegeschnecken, Differenzialdosierwaagen und Schüttstrommessgeräte.
Kontinuierliche Reaktionsprozesse
Chargenreaktionsprozesse sind seit Jahrzehnten in der Industrie etabliert. Argumente wie genaue Temperaturführung, Einhaltung der exakten Reaktionszeit und Genauigkeit der Zudosierung der Einzelstoffe ließen es nicht zu, hier auf kontinuierliche Prozesse umzusteigen. Durch Einsatz moderner kontinuierlicher Mischsysteme ist dies jedoch mittlerweile möglich.
Die größte Schwierigkeit besteht darin, bei kontinuierlichen Reaktionsprozessen eine sehr enge Gaußsche Verteilungskurve bezogen auf den Gesamtprozess zu erzielen, d. h. axiale Dispersion sollte vermieden werden. Hierfür wurde ein spezielles Mischwerk entwickelt, das das Trommelvolumen im Reaktor in Produkträume mit ca. 30 bis 40 cm Breite unterteilt. In diesem virtuellen Produktraum findet nun eine sehr starke axiale Dispersion statt. Im Anschluss daran wird das Material durch eine Förderschaufel zur nächsten Misch-/Reaktionskammer gefördert. Dieser Prozess wiederholt sich bis zum Austrag des Produktes aus dem Mischer mehrmals. Das Besondere daran ist, dass keine Zwischenwehre eingebaut sind, sondern dass sämtliche Produktflächen überstrichen werden und somit keine Totzonen im Apparat entstehen. In der Gesamt-Maschinenachse wird, bezogen auf die notwendige Reaktionszeit, über dieses Schrittverfahren, nicht zu verwechseln mit dem Pilgerschrittverfahren, die axiale Dispersion vermieden.
So hat es AVA z. B. in der sehr konservativ eingestellten Stärkeindustrie geschafft, die Produktionsprozesse kationischer und anionischer Stärkeprodukte auf kontinuierliche Verfahren umzustellen. Bei diesen Systemen kommt es nicht nur auf den Mischer/Reaktor an, sondern es muss das Gesamtsystem zueinander passen. Das heißt, angefangen mit der Dosiereinrichtung, über einen Vormischer für das intensivere Homogenisieren von Flüssigkeiten mit Feststoffen, bis zum nachgeschalteten Mischreaktor muss alles genauestens abgestimmt sein. In einigen Fällen wird sogar innerhalb der Maschine eine Reaktion unter Temperatur durchgeführt und kurz vor Austrag des Produktes dieses wieder heruntergekühlt.
Selbst bei der Pharmawirkstoffherstellung wagt sich AVA inzwischen an Prozesse heran, die bis dato ausschließlich in Chargenverfahren hergestellt wurden. Bestimmte Argumente sprachen immer dafür, dies auch so beizubehalten. Mit einem großen amerikanischen Pharmakonzern hat AVA jetzt einen Kleinst-Kontimischer entwickelt, auf dem zurzeit erste Versuchsreihen gefahren werden. Auf die Ergebnisse wird mit Spannung gewartet.
Trocknen unter Vakuum
Auch kontinuierliche Trocknungsprozesse unter Vakuum sind Weiterentwicklungen des Einwellenmischsystems und stellen Herausforderungen an Auslegung und Know-how dar. Spezielle Dosiereinrichtungen, die gegenüber der Atmosphäre das Produkt unter Vakuum eintragen können und am Ende nach der Trocknung austragen, sind hierfür zusätzlich erforderlich. Vielfach sind dies selbstentwickelte Dosiersysteme, die am Markt nicht von der Stange käuflich zu erwerben sind. Diese Beschickungssysteme werden z. B. für die Biodiesel- und Bioethanol-Produktion in Verbindung mit dem Vakuumtrockner angeboten.
cav 422

cav: Herr Huep, in 2009 erwartet uns ein Achema-Jahr. Mit welchen Erwartungen gehen Sie persönlich an die Messe heran?
Huep: Die Achema war seit jeher ein Branchenspiegel. Keine Messe ist besser geeignet, das Ohr am Markt zu haben. Internationale Kontakte, Branchenaustausch, Wettbewerbsbeobachtung – das alles findet man nirgendwo kompakter.
cav: Apropos Wettbewerb. Wie sehen Sie die asiatische Konkurrenz?
Huep: Als ich in diesem Geschäft gestartet bin, hatten wir eigentlich nur mit deutschen Wettbewerbern zu tun, es kamen dann europäische Wettbewerber dazu und heute sind es auch Asiaten. Die meisten deutschen Maschinenbauer gibt es trotzdem noch und das ziemlich unverändert stark. Wir definieren uns über verfahrenstechnische Lösungen und nicht über erbitterten Preiskampf. Warum kommen sonst Kunden aus dem asiatischen Raum als Käufer zu deutschen Maschinenbauern. Wir sind gut und wir sind leistungsstark, in dem was wir tun. Daran sollten wir nicht laufend zweifeln.
cav: Sind Messen wie die Achema unverändert die wichtigste Kontaktbörse?
Huep: Man muss ehrlich sagen, dass die Webpräsenz heute sicher mehr Kontakte generiert als eine Messe. Wir z. B. bieten unseren Internetauftritt u. a. in russischer und chinesischer Sprache an, was in Folge natürlich auch international zu einer deutlichen Steigerung der Anfragen führt. Trotzdem ist der persönliche Kontakt auf Messen unverändert ein unschlagbares Argument, auf Messen wie der Achema auch weiterhin präsent zu sein.
cav: Herr Huep, die Wirtschafts- und Finanzkrise ist in aller Munde. Wie sehen Sie das kommende Jahr unter diesem Aspekt?
Huep: Eine gewisse Vorsicht ist sicher ratsam. Auch unter diesem Aspekt wird die Achema ein wichtiger Signalgeber für 2009 sein. Das erste Halbjahr ist dann fast um und es wird sich zeigen, ob sich die erste Schockstarre des Marktes gelöst hat. Für den Bereich Misch- und Trocknungstechnik sehe ich persönlich die Auswirkungen nicht so gravierend. Die Erfahrungen über Jahrzehnte hinweg haben gezeigt, dass sich dank der branchenübergreifenden Technologie, die international gefragt ist, Folgeerscheinungen im Regelfall moderat im Rahmen halten.
cav: Gibt es Neues von AVA zur Achema?
Huep: Wir kämpfen derzeit mit uns, ob wir technische Neuerungen überhaupt aktiv kommunizieren. Wir haben vor einigen Jahren auf der Achema sehr effizient unsere vertikale Doppelwendeltechnologie vorgestellt. Heute hat der gesamte Wettbewerb diese Technologie adaptiert. Es stellt sich also die Frage, ob es nicht bisweilen ratsamer ist, etwas zurückhaltender zu Werke zu gehen. Wir werden dies zur Achema hin noch entscheiden müssen.

Hier finden Sie die virtuelle Messe für Mischer
Mehr zum Thema Kontimischer
Achema 2009
Unsere Webinar-Empfehlung
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

cav-Produktreport

Für Sie zusammengestellt

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper

Top-Thema: Instandhaltung 4.0

Lösungen für Chemie, Pharma und Food

Pharma-Lexikon

Online Lexikon für Pharma-Technologie

phpro-Expertenmeinung

Pharma-Experten geben Auskunft

Prozesstechnik-Kalender

Alle Termine auf einen Blick


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de