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Temperiergeräte sind keine Kaffeemaschinen

Vier Standbeine für überproportionales Wachstum
Temperiergeräte sind keine Kaffeemaschinen

Seit mehr als 40 Jahren entwickelt, produziert und vertreibt Single Geräte für die Temperierung von Maschinen und Anlagen. Zum Produktportfolio zählen Temperiergeräte mit Wasser als Umlaufmedium, Wärmeübertragungsanlagen, Rückkühlaggregate sowie individuell konfigurierte Sonderserien und Sonderlösungen. cav unterhielt sich mit Geschäftsführer Karlheinz Gruber über aktuelle Entwicklungen im Unternehmen und über Produkte für die chemisch-pharmazeutische Industrie.

cav: Herr Gruber, erzählen Sie mir doch bitte etwas zur Geschichte des Unternehmens.

Gruber: Single Temperiertechnik war früher eine Spezialabteilung des Plochinger Presswerks Schwaben. Dieser Betrieb hatte zu seinen Glanzzeiten in den 50er-Jahren um die 1000 Mitarbeiter und gehörte der Familie Single. Ein typisches Produkt aus Plochingen waren Telefone aus Bakelit. In den 50ern haben die Entwickler festgestellt, dass eine Temperaturunterstützung des Prozesses sinnvoll ist. So wurde eine Abteilung zur Entwicklung von Temperiertechnik gegründet. Nach einem Todesfall in den 60er-Jahren erhielt Gerhard Single 1968 die Abteilung Thermogerätebau als Erbe.
cav: Meines Wissens waren gerade die letzten zehn Jahre für das Unternehmen Single sehr turbulent.
Gruber: Ja, das ist richtig. Nach dem Tod von Gerhard Single wurde das Unternehmen mehrmals veräußert. Single gehörte in den letzten acht Jahren zu drei unterschiedlichen Finanzinvestoren. Seit 1. Januar 2006 hat die Looser Holding AG aus Arbon in der Schweiz sämtliche Geschäftsanteile übernommen.
cav: Ist denn die Looser Holding bereits im Bereich der Temperiertechnik aktiv?
Gruber: Nein. Die Holding besteht zwar aus unterschiedlichen Zweigen; mit dem Engagement, Single zu kaufen, hat Looser aber eine Initialinvestition im Bereich der Kälte-Wärmetechnik getätigt. Ziel der Schweizer ist es, mit Single überproportional zu wachsen.
cav: Kann man nach einem Jahr Zugehörigkeit zur Looser-Gruppe bereits ein Fazit ziehen?
Gruber: Natürlich ist ein Jahr keine sehr lange Zeit, trotzdem konnten wir einiges erreichen. Wir haben klare Strategien entwickelt, um neue Geschäftsfelder zu erschließen, auch im Ausland. Vor allem in Nordamerika haben wir Schritte in die Wege geleitet, um ein flächendeckendes Servicenetz zu installieren. Außerdem haben wir unsere Marketingaktionen außerhalb des Kunststoffbereiches ausgeweitet.
cav: Sie sprachen von einem Servicenetz in Nordamerika. Haben Sie vor, dort auch zu produzieren?
Gruber: Derzeit geht es nur um Verkaufs- und Servicenetze. Produktionsstandorte sind momentan noch nicht angedacht. Wir produzieren heute mit rund 100 Mitarbeitern ausschließlich am Standort Hochdorf. Wir denken aber daran, Lieferungen in die USA dort mit speziellen UL-Komponenten nachrüsten zu lassen. Wir könnten uns eher vorstellen, in China oder Indien für Billiglinien und Standardprodukte eine Produktionsstätte einzurichten. Gerade der Markt in China ist besonders interessant für uns. Allerdings gibt es hier bisher kaum direkte Verkaufserfolge, obwohl wir mit vielen Anlagen über deutsche Maschinenbauer vertreten sind.
cav: Deutschland ist nicht unbedingt als Billiglohnland bekannt. Trotzdem haben Sie 2003 in Hochdorf neu gebaut und sich bewusst für den Standort Deutschland entschieden. Warum?
Gruber: Wir haben ein sehr umfangreiches Produktprogramm. Schon allein aus dem Grund, dass wir nicht mehr nur allein im Kunststoffbereich tätig sind. Der Kunststoffbereich macht bei uns derzeit noch etwa 50 % des Umsatzes aus, andere Bereiche sind vor allem die Halbleiterindustrie, die chemische und pharmazeutische Industrie sowie die Lebensmittelindustrie. Aufgrund der verschiedenen Anwendungen ist die Applikationsberatung bei uns ein sehr großes Thema, z. B. wenn der Explosionsschutz zu berücksichtigen ist. Häufig haben wir nur Anlagen oder Geräte, die in Losgröße 1 verkauft werden. Dies verlangt sehr viel Know-how und erfahrene Mitarbeiter. Auch wenn die Kostensituation in Deutschland schwierig ist, gibt es für uns keine Alternative.
cav: Sie haben zahlreiche Industriezweige angesprochen. Wo sehen Sie Zukunftspotenziale für ihre Geräte?
Gruber: Die gesamte Temperiertechnik hat ihre Ursprünge in der Kunststofftechnik, vor allem beim Spritzgießen und Pressen. Dort werden stückzahlmäßig auch heute noch am meisten Geräte benötigt. Etwa die Hälfte unserer Geräte geht in diesen Bereich. Damit liegen wir deutlich unter dem Marktdurchschnitt. Wir sind einer der wenigen Anbieter, die bereits andere Industrien erschlossen haben. Wir sind dort besonders stark, wo sich Besonderheiten auftun, beispielsweise wenn hohe Regelgenauigkeiten oder hohe Temperaturen benötigt werden. Wir sind zum Beispiel einer der ganz wenigen Hersteller, die Druckwassertemperiergeräte bis 200 °C standardmäßig im Programm haben. Verknüpfungen zu externen Steuerungen, kompetente Applikationsberatung, After-Sales-Service und Geräte mit hoher Qualität sind unser Metier.
cav: Sie haben gerade Ihre Druckwassergeräte angesprochen. Sie führen sowohl Geräte mit Wasser als auch mit Öl als Wärmeträgermedium im Programm. Warum nimmt man Wasser bis 200 °C, wo es Probleme mit dem Druck gibt. Man könnte doch auch Öl nehmen.
Gruber: Wasser hat die bei weitem besten physikalischen Eigenschaften und mit dem Wert 4,19 kJ/kgK die höchste spezifische Wärmekapazität. Wärmeträgeröle dagegen besitzen eine nur halb so große Wärmekapazität. Die Wärmeübertragungs- und Wärmetransporteigenschaften von Wasser sind ebenfalls besser als von jeder anderen Flüssigkeit. D. h., man versucht auf jeden Fall die Vorteile des Mediums Wasser so lange wie möglich auszunützen. Wasser hat natürlich auch Nachteile, beispielsweise die Korrosionsneigung durch Sauerstofftransport. Außerdem benötigt man bei Temperaturen oberhalb von 100 °C einen Überlagerungsdruck. Dieser beträgt bei 150 °C etwa 4 bar, bei 200 °C rund 15 bar. Die hohen Drücke machen die Komponenten teurer und die Gefahr von Undichtigkeiten steigt. Ein wirtschaftlicher Übergang von Wasser auf Wärmeträgeröl sollte daher je nach Baugröße und Einsatzfall bei 170 bis 180 °C stattfinden. Dort werden dann die Nachteile von Wärmeträgerölen in Kauf genommen, weil die Nachteile von Wasser sonst überwiegen würden.
cav: Werden die Ölgeräte vom Markt verschwinden?
Gruber: Nein, natürlich nicht. Nachdem sich die Druckwassertechnologie durchgesetzt hatte, dachte man, die Ölgeräte werden vom Markt fast verdrängt. Die Stückzahlen gingen sehr stark zurück. Für unsere Produktpalette traf dies aber nicht zu: Es gab zwar einen Einbruch im Kunststoffspritzguss, wo die Druckwassergeräte die Aufgaben viel besser lösen konnten, dafür haben wir uns Industrien erschlossen, die mit noch höheren Temperaturen arbeiten, wo nur Ölgeräte zum Einsatz kommen können: Beispielsweise die Beheizung von Kallandern oder von doppelwandigen Behältern. Hier kann man den hohen Druck sowieso nicht gebrauchen. Mittlerweile sind die Verkaufszahlen von Ölgeräten konstant, sie steigen sogar wieder. Wir haben daher auch Wärmeträgerölgeräte bis 350 °C im Angebot.
cav: Wie kombinieren Sie Ex-Schutz und Druckgeräterichtlinie mit den Druckwassergeräten?
Gruber: Unsere Geräte erfüllen seit einigen Jahren die europäische Druckgeräterichtlinie, mit der wir heute übrigens sehr gerne arbeiten. Wir sind als Betrieb zertifiziert und dürfen eine gewisse Kategorie von Druckgeräten selbst abnehmen, selbst konstruieren und auch selbst stempeln, was früher bei uns nicht der Fall war. Da hatten wir viel häufiger den TÜV im Hause, um Anlagen, Geräte und Komponenten abzunehmen. Die Druckgeräterichtlinie ist also unser täglich Brot, genauso wie die Ex-Schutzrichtlinie Atex 100. Allerdings produzieren wir die Ex-Geräte in viel kleineren Stückzahlen. Das liegt daran, dass sie sehr viel teurer sind und hauptsächlich in chemischen Anlagen notwendig sind.
cav: Von welchen Stückzahlen sprechen wir überhaupt?
Gruber: Wir bauen zur Zeit ca. 4000 Geräte im Jahr. Die billigsten beginnen bei etwa 1500 Euro, unser durchschnittlicher Gerätepreis liegt bei rund 7000 bis 8000 Euro. Daraus ergibt sich unser Jahresumsatz von 26 Mio. Euro. Die größte Stückzahl machen dabei einfache Geräte für den Spritzguss aus. Wir haben aber durchaus auch Anlagen im Programm, die pro Stück sechsstellige Summen erreichen. Hierbei handelt es sich zumeist um einzelprojektierte Sonderanlagen.
cav: Bieten Sie noch weitere Produkte an?
Gruber: Insgesamt haben wir vier Standbeine, auf die wir uns stützen. Unsere Temperiergeräte mit Wasser machen dabei den größten Anteil aus, gefolgt von den Temperiergeräten mit Öl. Darüber hinaus fertigen wir auch Kühlgeräte mit eigenem Kompressorkreislauf. Oft handelt es sich hierbei um Kombigeräte, die kühlen und heizen. Unser viertes Standbein ist der Bereich Ersatzteile, Service, Inbetriebnahme, Schulungen. Prinzipiell nimmt dieses Standbein zu. Wir entfernen uns immer weiter von der Situation, dass man Temperiergeräte kauft und verkauft wie eine Kaffeemaschine, es ist heute immer mehr After-Sales- und Pre-Sales-Service gefragt.
cav: Welche typischen Aufgaben erledigen die Geräte im Bereich Chemie, Pharma, Food?
Gruber: In diesem Bereich werden vor allem Behälter temperiert. Das klassische Beispiel ist der doppelwandige Behälter, in dem ein definiertes Temperaturprogramm gefahren werden muss. Eine Charge wird in einer bestimmten Zeit aufgeheizt oder abgekühlt. Vielleicht sogar mit einer bestimmten Gradientenfunktion. Auch bei Behältern mit Wärmetauschern oder bei Stoffkreisläufen, in denen Wärmetauscher eingebaut sind, kommen unsere Geräte zum Einsatz. Viele Betriebe verfügen auch über ein eigenes Dampfnetz. Unsere Geräte sind zum Teil auch in der Lage, diese Wärmequelle zu nutzen. Für den Bereich Pharma und Food bieten wir unsere Geräte auch in einer Edelstahlausführung an. Üblicherweise bestehen sie aus einer Edelstahl-Buntmetall-Kombination.
cav: Gibt es hier konkrete Beispiele?
Gruber: Im Bereich der Lebensmittelindustrie werden unsere Geräte beispielsweise bei der Cornflakes-Produktion eingesetzt. Mit unseren Geräten werden die Extruder zur Verarbeitung der Rohmasse temperiert. Auch zum Extrudieren von Nudeln oder Süßigkeiten wie Lakritze kommen sie zum Einsatz. Ein weiteres Beispiel ist die Temperierung von Schokoladebehältern. Ein typisches Beispiel aus dem Bereich Pharma oder Kosmetik stellt die Grundstoffmischung für Cremes und Salben dar.
cav: Vielen Dank für das Gespräch. (br)
cav 445
„Für uns gibt es keine Alternative zum Standort Deutschland.“

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