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CO2 ersetzt Erdöl in der Kunststoffproduktion

Vom Abgas zum Rohstoff
CO2 ersetzt Erdöl in der Kunststoffproduktion

Kohlendioxid: In riesigen Mengen entweicht es ungenutzt in die Atmosphäre. Doch das muss nicht länger so sein. Dank eines ausgeklügelten Verfahrens wird CO2 jetzt zum Rohstoff für hochwertige Kunststoffe – als Ersatz für Erdöl. Ein Beitrag zur Ressourcenschonung und Förderung der Kreislaufwirtschaft.

Noch gilt es als der Schmierstoff der Welt: Erdöl. Die fossile Ressource treibt Autos und Flugzeuge an, liegt Medikamenten und Kosmetika zugrunde und steckt in Farben und Kunststoffen. Doch die Vorräte an Öl sind begrenzt, seine Nutzung schadet dem Klima. Ein Umdenken ist nötig und spätestens seit dem Abkommen von Paris ist der Weg in die nichtfossile Zukunft geebnet. Auch die Chemie- und Kunststoffbranche sucht als größter Verbraucher nach Alternativen zum Öl und schickt sich an, ihre Rohstoffbasis zu verbreitern.

Es gilt also, neue Quellen für das Element Kohlenstoff zu erschließen. Bislang kommen Pflanzen infrage, aber auch Hausmüll oder gebrauchte Kunststoffe. Zusätzlich hat nun ein weiterer Rohstoff die Bühne betreten: Kohlendioxid. Im Schulterschluss von anwendungsorientierter Wissenschaft und forschungsbasierter Industrie ist es geglückt, diesen jahrzehntelangen Traum der Wissenschaft wahr zu machen – Ergebnis einer engagierten Teamarbeit zwischen der RWTH Aachen, dem in Leverkusen ansässigen Werkstoffhersteller Covestro und dem CAT Catalytic Center, einer gemeinsam betriebenen Forschungseinrichtung auf dem Gelände der Hochschule in Aachen. Was so einfach klingt, ist tatsächlich ein sehr anspruchsvolles Unterfangen. Denn als Endprodukt der Verbrennung ist CO2 extrem reaktionsträge und man braucht eigentlich viel Energie, um es zur Reaktion zu bringen. Das aber wäre ökologisch und wirtschaftlich ineffizient.

Traumreaktion geglückt

Doch nun ist diese Hürde überwunden. Denn Covestro und seinen Partnern ist eine sogenannte Dream Reaction gelungen. „Wir haben in akribischer Suche den einen passenden Katalysator entdeckt, der die gewünschte Reaktion mit CO2 so steuert, dass das optimale Produkt dabei herauskommt“, berichtet Dr. Christoph Gürtler, der die Katalyseforschung von Covestro leitet. Parallel wurde von den Rheinländern eine vollkommen neue Plattformtechnologie entwickelt. In wenigen Jahren ging es erfolgreich von Station zu Station – zunächst der Durchbruch im Labor, dann eine kleine Pilotanlage bei Covestro in Leverkusen, gefolgt von einem weiteren Scale-up mit einer Demonstrationsanlage am benachbarten Standort Dormagen. Dort stellt Covestro seit 2016 mit CO2 ein wichtiges chemisches Vorprodukt her, sogenanntes Polyol. Das wiederum wird zur Fertigung von Polyurethanen benötigt, einer vielseitigen und weit verbreiteten Kunststoffklasse. Der jährliche weltweite Verbrauch an Polyurethanen wuchs zwischen 1960 und 2018 von 50 000 auf rund 20 Mio. t, Tendenz weiter steigend. Bis 2020 wird ein durchschnittliches Marktwachstum von rund 5 % pro Jahr erwartet.

Polyole als eine Polyurethanhauptkomponente beruhen im Kern auf petrochemischen Rohstoffen und letztlich auf Erdöl. In dem neuen Verfahren lassen sich nun bis zu 20 % des Öls durch CO2 ersetzen. Das Kohlendioxid reagiert dabei mit Propylenoxid und wird chemisch fest in die neue Polymerkette eingebunden.

Fossile Rohstoffe schonen

Mit dem neuen Verfahren bietet sich der Kunststoffindustrie ein bedeutender Hebel zur Schonung der konventionellen fossilen Ressourcen.Gleichzeitig trägt die CO2-Nutzung dazu bei, den Kohlenstoffkreislauf zu schließen. Das neue Verfahren ist aber nicht nur in mehrfacher Hinsicht ökologisch nachhaltig. Die CO2-basierten Polyole und die darauf beruhenden Polyurethane besitzen zudem eine mindestens so gute Qualität wie solche aus traditioneller, komplett erdölbasierter Produktion. Entsprechend findet das neue Material Anklang und wird bereits von ausgewählten Kunden genutzt.

Angefangen hat es mit CO2-basierten Polyolen, die Covestro vor knapp drei Jahren speziell als Komponente von weichem Schaumstoff für Matratzen und Polstermöbel auf den Markt brachte. Seither wird das Spektrum der Anwendungen kontinuierlich verbreitert. Im Herbst 2018 kamen entsprechende Vorprodukte für Bindemittel in Sportböden hinzu. Die Premiere erfolgte auf einem Spielfeld eines renommierten Hockeyclubs im niederrheinischen Krefeld.

Und seit 2019 sind elastische Fasern mit CO2 an der Schwelle zur Marktreife. Erste Unternehmen aus Textilindustrie und Medizintechnik haben das Material bereits testweise in Socken, Kompressionsschläuchen und Bändern verarbeitet. Gegenüber der traditionellen Produktion werden keine Lösemittel eingesetzt. Zudem weisen die neuartigen Fasern eine bessere Ökobilanz auf. „Das CO2-basierte Material könnte in naher Zukunft eine nachhaltige Alternative für herkömmliche elastische Fasern sein“, erläutert Professor Thomas Gries, Direktor des Instituts für Textiltechnik der RWTH Aachen University, das einer der Projektpartner ist.

Echte Innovation

Bei weiterhin guter Marktakzeptanz ist die Produktion von Polyolen mit CO2 im großindustriellen Maßstab von 100 000 t/a und mehr denkbar und wird von Covestro evaluiert. Gleichzeitig wird in zahlreichen, auch industrieübergreifenden Konsortien an weiteren Einsatzmöglichkeiten für CO2 als neuem Rohstoff geforscht. So arbeitet ein von Covestro geführtes Projekt von 14 Partnern aus sieben Ländern Europas daran, Kohlendioxid aus der Stahlproduktion für die Kunststoffherstellung zu nutzen.

Covestro treibt aber nicht nur eigene Entwicklungen rund um die Nutzung von CO2 voran. Das Unternehmen unterstützt auch andere dabei, gute Ideen zu verwirklichen. Etwa als Sponsor des Innovationspreises „Best CO2 Utilisation 2019“, den das Nova-Institut vergibt. Bei der Erstverleihung wurden Anfang 2019 drei junge Firmen aus Kanada, Norwegen und Deutschland ausgezeichnet. Sie können aus CO2 Treibstoff, Chemikalien und sogar Beton herstellen.

Covestro jedenfalls hat hier noch viel vor. Die Vision ist, CO2 in möglichst vielen Kunststoffarten zu verwenden sowie möglichst große Mengen an fossilen Rohstoffen durch CO2 zu ersetzen. Damit kommt man dem langfristigen Ziel, in der chemischen Industrie einen Wandel in der Ressourcennutzung einzuleiten, den Kohlenstoffkreislauf zu schließen und Kohlenstoff so intelligent wie möglich zu nutzen, einen bedeutenden Schritt näher.

www.prozesstechnik-online.de

Suchwort: cav0919covestro


Autor: Stefan Paul Mechnig

Global Head of Strategic Communication,

Covestro

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