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Hier sind Zentrifugen zu Hause

Siebtechnik investiert global in Mitarbeiter und Technik
Hier sind Zentrifugen zu Hause

Das Gewerbegebiet an der Weseler Straße in Mülheim gleicht vielen anderen in Deutschland. Produktionsbetriebe, Discounter und Autohäuser säumen die Ausfallstraße. Architektonischer Glanzpunkt im grauen Einerlei ist das Zentrifugen-Technologiezentrum der Siebtechnik GmbH. Karl Bongartz und Horst Dietschreit stellen das Technologiezentrum vor und sprechen über die global orientierte Wachstumspolitik des Unternehmens.

Autor Lukas Lehmann Stellv. Chefredakteur cav chemie anlagen verfahren

cav: Herr Dietschreit, im September 2014 wurde Ihr neues Zentrifugen-Technologiezentrum eröffnet. Aus welchen Gründen haben Sie sich zu dieser Investition entschieden?
Horst Dietschreit: Wir sind Technologieführer mit dem umfangreichsten Zentrifugenprogramm. Darüber hinaus bauen wir weltweit die größten Zentrifugen. Wir brauchen das Technologiezentrum zum einen, um uns adäquat darzustellen. Zum anderen benötigten wir dringend Platz.
cav: Platz, um beispielsweise Großaufträge aus China abzuwickeln?
Dietschreit: Genau. 2012 erhielten wir vom chinesischen Pottasche-Hersteller QPP den ersten Großauftrag über 40 Conturbex-Siebschneckenzentrifugen CX 1500. Um diesen Auftrag zu realisieren, mussten wir damals auf Räumlichkeiten befreundeter Unternehmen ausweichen. Das ist in Zukunft nicht mehr notwendig. Für derartige Großaufträge und für die geplante Erweiterung unseres Großzentrifugenprogramms sind wir nun gut gerüstet.
cav: An der Weseler Straße unterhält Ihr Unternehmen seit Langem Produktionshallen. Für das neue Kompetenzzentrum wurden Teile des Altbestandes modernisiert und ein neues Gebäude errichtet. Welches Investitionsvolumen steckt hinter diesem Projekt?
Dietschreit: Runde 8 Mio. Euro. Im Zuge der Bauarbeiten, die übrigens bei laufendem Produktionsbetrieb erfolgten, wurden die Büroflächen von 730 auf 2150 m2 vergrößert. Die Montagefläche – also die Hallen, in denen wir die Zentrifugen bauen – wuchs um 2800 m2.
cav: Welche Abteilungen Ihres Unternehmens sind in den neuen Gebäudekomplex umgezogen?
Dietschreit: Wir haben alle Abteilungen unter einem Dach zusammengefasst, die mit der Produktion der Zentrifugen zu tun haben, beginnend bei der Entwicklung und Konstruktion über die Produktion bis hin zur Materialbeschaffung und dem Vertrieb.
Bongartz: So befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft des Technologiezentrums das Technikum mit über 20 Versuchsmaschinen und Laboren – die Keimzelle für alle Neuentwicklungen. Wenige Schritte trennen die Büros der Techniker, Konstrukteure und Kaufleute von der großen Endmontagehalle, dem Herzstück des neuen Gebäudekomplexes. Die Halle wird seitlich, ohne logistische Umwege, direkt mit den Bauteilen aus der Schweißerei und der mechanischen Fertigung versorgt. Auch die neue Wuchtbank und Lackierstraße haben wir in unmittelbarer Nähe der Endmontagehalle untergebracht.
cav: Ohne die Erfolge in China würde es das neue Technologiezentrum wahrscheinlich nicht geben. Siebtechnik ist seit 1986 in China aktiv. Ganz allein bei QPP werden demnächst über 60 Großzentrifugen Ihres Hauses laufen. Weitere Siebtechnik-Maschinen sind bei chinesischen Produzenten von Ammoniumsulfat, Methylcellulose, PVC und Nylonproduktion im Einsatz. Werden Sie diese Erfolgsgeschichte auch in Zukunft fortsetzen können?
Dietschreit: Chinesische Unternehmen werden in Zukunft selektiver, vielleicht auch vorsichtiger investieren. Außerdem verbessern die chinesischen Anlagenbauer die Qualität ihrer Produkte – und dies bei deutlich niedrigeren Preisen. Dennoch werden wir als Anbieter von Speziallösungen für die Fest-Flüssig-Trennung auch in Zukunft erfolgreich sein. Siebtechnik hat ein sehr gutes Image – nicht zuletzt dank der 400 Zentrifugen, die über das Land verstreut zuverlässig ihre Arbeit erledigen.
cav: Seit 2004 unterhält Siebtechnik eine eigene Produktionsstätte im chinesischen Tianjin. In den vergangenen Jahren wurde auch hier kräftig investiert, beispielsweise in einen Neubau, der Anfang 2013 in Betrieb genommen wurde. Wie viele Mitarbeiter arbeiten in Tianjin und was machen die dort?
Dietschreit: Wir beschäftigen dort rund 50 Menschen. Sie arbeiten im Verkauf, im Service und in der Produktion.
cav: Das heißt, Sie fertigen dort auch komplette Zentrifugen?
Dietschreit: Ja. Möglich wurde das durch Investitionen in einen hochmodernen Maschinenpark und in die Qualifikation der Mitarbeiter. Sie montieren Zentrifugen und fertigen Ersatzteile für China. Des Weiteren produzieren sie auch Bauteile für Zentrifugen, die hier in Mülheim gebaut werden.
cav: Herr Bongartz, lassen Sie uns im Folgenden einen Blick nach Amerika werfen. Dort gibt es in Cincinnati, Ohio, seit 1977 Tema Systems Inc. Welche Zentrifugen produzieren Sie dort?
Bongartz: Dort bauen wir mit 40 Mitarbeitern etwa 90 % unserer Zentrifugen für den US-Markt. Das sind vor allem Siebschneckenzentrifugen für die Kohle- und Chemieindustrie oder für die Laktoseherstellung. Hier werden die Siebschneckenzentrifugen in Kombination mit der Short-Bowl-Dekantier-Zentrifuge eingesetzt. Diese von der USDA zertifizierte Lösung wurde in den USA zum Industriestandard bei der Lactose-Herstellung. Außerdem produzieren wir in Cincinnati Spezialdekanter für die Reinigung von Frittieröl.
cav: In Cincinnati haben Sie ebenfalls kräftig investiert. Warum?
Bongartz: Auch in den USA konnten wir unsere Geschäfte um 50 % steigern. Vor diesem Hintergrund war es notwendig, die Produktionsfläche zu verdoppeln und das Sales- und Technikerteam deutlich zu verstärken. Außerdem erweitern wir den Verwaltungstrakt gerade um 300 m2. Ob in Deutschland, China oder den USA – mit den Investitionen in Mitarbeiter und Produktionskapazitäten stärken wir unsere Stellung in den jeweiligen Märkten und sichern die Geschäfte von morgen.
cav: Gute Geschäfte hat Ihr Unternehmen auch in Russland getätigt. Befürchten Sie, dass Ihnen die Ukraine-Krise einen Strich durch die bisher positive Rechnung macht.
Bongartz: Nach Russland exportieren wir hauptsächlich Zentrifugen für den Kohlebergbau und Probennahmesysteme, die in der Düngemittelindustrie und in der Aufbereitung von Eisenerz eingesetzt werden. Es handelt sich also um keine Anlagen, die unmittelbar oder mittelbar für die Rüstungsindustrie relevant sind. Damit betreffen uns die von der EU verhängten Sanktionen nicht.
cav: Also Business as usual?
Bongartz: Natürlich nicht, weil unsere Kunden angesichts des russischen Krisenmanagements und der westlichen Sanktionen auch nervös werden. Andrerseits sind die Russen recht pragmatisch und an guten Beziehungen zu ihren Geschäftspartnern interessiert. Deshalb hoffen wir, dass wir unbeschadet durch diese Krise kommen.
cav: Herr Dietschreit, zum Schluss möchte ich mich mit Ihnen noch über aktuelle Weiterentwicklungen bei den Zentrifugen unterhalten. Diese betreffen u. a. die Siebzentrifugen der Turbo-Cascade-Baureihe. Was haben Ihre Techniker an diesen Maschinen verändert?
Dietschreit: Die Turbo Cascade wurde ursprünglich für die Entwässerung von Nylongranulaten entwickelt. Heute nutzt man sie auch für andere Kunststoffgranulate. Um die Leistungsfähigkeit der Siebzentrifuge zu erhöhen, haben wir einerseits den Zentrifugentunnel optimiert. Das heißt, Neigung, Geometrie, Durchmesser und die Stufenabsätze des Entwässerungskorbs wurden überarbeitet. Auf der anderen Seite wurde das Verteilersystem der Zentrifugen neu konzipiert. Dadurch gelingt es, Feststoff und Flüssigkeit als gleichmäßige Schicht noch schneller auf die Umfangsgeschwindigkeit des Entwässerungskorbs zu bringen. Außerdem haben wir das Vorentwässerungssystem in den Zulauf der Turbo Cascade integriert.
cav: Das Entwässerungssystem befand sich also bisher außerhalb der Zentrifuge?
Dietschreit: Richtig. Es musste separat angeschafft und außerhalb der Zentrifuge aufgestellt werden. Das neue System auf Basis von Bogensieben ist in den Zentrifugenzulauf montiert. Es reduziert ohne bewegte Teile und ohne Verstopfungsrisiko den Flüssigkeitsanteil im Aufgabestrom um etwa ein Drittel. In Summe führen die konstruktiven Veränderungen zu einer Verdoppelung der Zentrifugenleistung.
cav: Last but not least haben Ihre Ingenieure auch die Fixierung der Spaltsiebsegmente in den Siebschneckenzentrifugen der Conturbex-Baureihe und in den Schwingzentrifugen der HSG-Serie überarbeitet. Warum war dieser Schritt notwendig?
Dietschreit: In der Vergangenheit wurden die Spaltsiebsegmente am Haltekorb durch spezielle Klemmringe befestigt. Auf seinem Weg aus der Zentrifuge rutschte der Feststoffkuchen über den Klemmring. Die Folge war ein durch Abrasion verursachter Verschleiß des Klemmrings. Das neue Fixierverfahren kommt ohne Klemmring aus. Die Spaltsiebsegmente wurden verlängert. Sie ragen nun über den Haltekorb. Auf der Rückseite des Siebsegments – also im Schatten des Produktstroms – wurden Flansche angeordnet, über die sie direkt mit zwei Schrauben am Haltekorb befestigt werden. Der Anwender profitiert gleich mehrfach vom neuen Fixierverfahren: Der Verschleiß wird reduziert, die Befestigung der Siebsegmente ist schnell und einfach erledigt und der Austausch einzelner Siebsegmente ist möglich.
prozesstechnik-online.de/cav0115434
„Mit den Investitionen in Mitarbeiter und Produktionskapazitäten stärken wir unsere Stellung in den jeweiligen Märkten und sichern die Geschäfte von morgen.“

Die Geschäfte laufen rund

Zahlen & Fakten

Aufgrund der guten Auftragslage hat das Mülheimer Unternehmen seinen Personalbestand um ca. 15 % aufgestockt. Zur Zeit beschäftigt Siebtechnik in Deutschland 265 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Weltweit sind für die Siebtechnik-Gruppe 3500 Menschen tätig.
Im Jahr 2013 hat der mittelständische Anlagenbauer vom deutschen Stammsitz aus international einen Umsatz von knapp 50 Mio. Euro erwirtschaftet. „Diesen Umsatz haben wir in allen wichtigen Wirtschaftsregionen Europas, Asiens und Amerikas realisiert“ erklärt Bongartz. „Ein Punkt ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig: die regionale Diversifikation. Sie eröffnet uns Räume für zukünftiges Umsatzwachstum und mindert gleichzeitig das wirtschaftliche Risiko in Krisenzeiten.“ Im Jahr 2014 hat Siebtechnik erneut einen Großauftrag aus China erhalten. Der Pottasche-Produzent QPP orderte weitere 20 Zentrifugen. Nach den Worten von Bongartz wird das Unternehmen durch diesen Auftrag 2014 die Umsatzgrenze von 60 Mio. Euro knacken.
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