Großvolumige Knetreaktoren erfahren zunehmende Akzeptanz in der Polymertechnik und ersetzen kontinuierlich arbeitende Rührkessel, Extruderschnecken und Dünnschichtapparate. Mit variablen Verweilzeiten, hohen thermischen Energieein- oder -austrägen sowie der Möglichkeit des mechanischen Energieeintrags über Scherung eröffnen sie interessante Möglichkeiten für die Prozessführung.
Bernhard Stützle, Manuel Steiner
Mit der Prozessführung in der konzentrierten Phase hat List alternative Prozesswege beschritten. Die großvolumigen Knetreaktoren sind mit Volumina von 3 bis 16 000 l erhältlich und verbinden eine ganze Reihe von Vorteilen. Das so genannte Dry Processing ermöglicht Polymerprozesse ohne bzw. mit geringem Einsatz von Lösemitteln und ermöglicht die Prozessintensivierung durch gesteigerte Raum-Zeit-Ausbeuten, wobei oftmals unterschiedliche Prozessschritte in einem Knetreaktor nacheinander ablaufen. Ein besonderer Vorteil gegenüber Extrudern sind dabei die unbegrenzten Verweilzeiten der Polymermasse im Reaktor. Sie betragen typischerweise 5 bis 120 min und sind nach Bedarf, der Reaktionsgeschwindigkeit angepasst, wählbar. Das Verweilzeitspektrum ist frei konfigurierbar, von quasi idealer Rückmischung bis Pfropfenströmung, entsprechend der Verweilzeitverteilungen von 3 bis 15 Rührkesseln in Serie. Dank ihrer großen Querschnitte bewältigen die Knetreaktoren große Gasvolumenströme bei niedrigen Gasgeschwindigkeiten. Der Viskositätsbereich der zu verarbeitenden Produkte reicht von 500 bis ca. 50 000 Pas. Weitere markante Vorteile dieser Technologie sind:
- Phasenübergänge, von flüssig über pastös, hochviskos bis fest, pulvrig, sind im Prozessraum möglich
- Batchweise und kontinuierliche Prozessführung
- Hohe Mischeffizienz in allen Phasen mit hohem thermischen Energieeintrag über große, selbstreinigende Wärmeaustauschflächen; hohe Oberflächen- und Grenzflächenerneuerungsraten
- Quasi von der Drehzahl der Knetreaktorwellen unabhängiger Durchsatz (Axialtransport)
- Hoher Turn-down-ratio: Betrieb von kleinen bis hohen Durchsätzen möglich
- Die Wellenkonfiguration muss für andere Produkte nicht gewechselt werden
Im Gegensatz zum Extruder ist die Produktscherung moderat. Die Scherraten liegen im Bereich von 10 bis 100 s-1. Der mechanischer Energieeintrag ist über die frei wählbare Drehzahl der Knetreaktorwellen und den frei wählbaren Füllgrad (Hold-up) an Prozess- und Produktbelange adaptierbar.
Anwendungsmöglichkeiten
Die Einsatzmöglichkeiten der Knetreaktortechnologie sind breit gefächert. Die häufigsten Anwendungen sind:
- Kontinuierliche Massepolymerisationen/Polykondensationen/Grafting (SAP, PA, PAN, PMMA, POM, PVAc, PLA, PA, etc.)
- Direkte kontinuierliche Eindampfung und Finishen von Polymerlösungen oder Polymersuspensionen
- Kontinuierliche Vakuumtrocknungen und Kristallisationen mit Phasenübergang von Polymersuspensionen, -emulsionen und Reaktionsgemischen
- All-in-one-Processing: Schmelzen, Blenden, Compoundieren, Eindampfen, Entgasen mit oder ohne Phasenumbruch (ABS, PLA, SAN, Silikone etc.)
Zahlreiche weitere Anwendungsfelder, Verfahren und Produktgruppen sind in der Entwicklung. Die Vorteile dieser modernen Prozessführung offerieren Lösungen auf die drängenden Fragen der Zeit: Material- und Energieeinsparung, Verfahrensvereinfachung, erhöhte Wirtschaftlichkeit, erhöhte Flexibilität, Skalierbarkeit, verbesserte Umweltverträglichkeit, Förderung der Nachhaltigkeit. Eine Implementierung des Dry Processing bedeutet aber auch die Bereitschaft zum Paradigmenwechsel. Geeignete Kneterkonfigurationen und Betriebsweisen müssen ermittelt werden. Da die korrekte Knetreaktorgeometrie stark mit dem Produkt und dem Verfahrensziel variiert, bedürfen Prozessprognosen und -simulationen und auch Scale-up-Rechnungen bedürfen vorgängiger Pilotierung.
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